Volltext Seite (XML)
Deutschen Bücherei empfiehlt, und beschließt, daß zur Prüfung dieser Frage und zur Feststellung der Grundsätze über die Be arbeitung und Herstellung der Bibliographie ein außerordent licher Ausschuß eingesetzt werde«. Da wohl angenommen werden darf, daß der einzusetzende Ausschuß der Ansicht der Hauptversammlung beitreten wird, so kann die Übernahme der Bibliographie durch den Börsenverein als gesichert angesehen werden. Durch die Fortführung des Kay- serschen Lexikons wird der Börsenverein Gelegenheit haben, seine Kräfte zu erproben und den Befähigungsnachweis für seine neue Aufgabe zu erbringen. Eines der schwersten Bedenken, die gegen die Übernahme des bibliographischen Werks geltend gemacht wurden, berührte die Frage, ob auch in Zukunft sich Männer von so großer Arbeits kraft und Opferwilligkeit für die Interessen des Börsenvereins finden werden, wie sie gegenwärtig an seiner Spitze stehen. So schwierig es auch sein mag, Fragen der Zukunft, und besonders Personenfragen, in der Gegenwart zu erörtern, so ergibt sich doch nach unserem Dafürhalten aus dem Hineinwachsen des Börsen vereins in neue Aufgaben und Ziele die Notwendigkeit, ihn von einer Reihe bisheriger Arbeiten zu entlasten, deren Erledigung weit eher als Aufgaben eines Sortimentervereins, denn als solche eines die beruflichen Gesamtinteressen vertretenden Vereins an gesehen werden müssen. Ob es dazu notwendig ist. die alte Form der Kreis- und Ortsvereine umzugestalten, ihr einen neuen Inhalt zu geben, oder eine Organisation des Sortiments im Sinne des Deutschen Verlegervereins zu schaffen, interessiert hier weit weniger als die Tatsache, daß eine solche Interessen vertretung des Sortiments als eines der Organisation des Ver lags ebenbürtigen Faktors sich nicht länger hinausschieben lassen wird, wenn die Aufgaben des Börsenvereins, die immer mehr auf eine Vertretung des Gesamtbuchhandels in der Öffentlichkeit hin drängen, nicht darunter leiden sollen. Im Jahre 1825 mit 108 Mitgliedern zunächst nur zum Zwecke der Überwachung und Vereinfachung der Abrechnung«der Buchhändler untereinander gegründet, hat der Börsenverein den Kreis seiner Aufgaben und Interessen ständig erweitert. Aus den 108 Mitgliedern von damals sind heute über 3600 geworden, und wer einen annähernden Begriff von der Arbeit gewinnen will, die den Vorstand im Vorjahre beschäftigte, wird in dem der diesjährigen Hauptversammlung vorgelegten Geschäftsbericht des Börsenvereins-Vorstandes neben berufspolitischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten eine große Reihe allge mein-kultureller Fragen berührt finden, aus denen her vorgeht, wie das Bild des ehemals auf einen so engen Kreis beschränkten Vereins längst zum Weltbilde geworden ist. Mit diesem Wachstum und dem Streben des Vereins in die Weite mußte sich naturgemäß auch das Verhältnis des Einzelnen zum Verein und der Mitglieder untereinander ändern: an die Stelle der persönlichen Beziehungen des Einzelnen zum Börsen verein traten seine Beziehungen zum Kreis- und Ortsverein, die Wohl die engere Verbindung mit den Kreisgenossen ermöglich ten oder aufrechterhielten, ihn aber immer fremder in dem großen Kreise der Gesamtorganisation werden ließen. Was bei einigen Hunderten noch möglich war: ein engerer, freundschaftlicher Ver kehr, ein gegenseitiges Sichkennen und -verstehen, mußte sich in demselben Maße verflüchtigen, in dem dieser Kreis wuchs und die Gesamtheit aller Berussgenossen zu erfassen suchte. So wird auch heute — namentlich mit Rücksicht auf die Eigenart deralle buchhändlerischen Geschäftszweige umfassenden Organisation des Börsenvereins und die immer schärfer hervortretende Tendenz auf Ausschaltung rein gefühls mäßig zu erfassender Werte zugunsten eines praktischen Nützlichkeitsstandpunktes — das Verhältnis von Lieferant, Vermittler und Abnehmer nicht mehr durch ihre Zugehörigkeit zum Börsenverein, sondern mehr und mehr durch das Verhältnis zu dem Geschäft des Einzelnen bestimmt. Der Verleger bedeutet etwas für den Sortimenter, wenn er ihm die Möglichkeit ange messenen Verdienstes gibt, während wiederum der Sortimenter nur dann auf Entgegenkommen rechnen darf, wenn er sich ener gisch für einen Verleger verwendet. Von diesem Standpunkt ist auch das Verhältnis zum Auchbuchhandel anzusehen. Nicht der Name oder die Bezeichnung bestimmt die Stellungnahme des geschäftlich denkenden Verlegers, sondern der praktische Nutzen, der ihm aus einer Verbindung erwächst. Wenn auch das Schwinden einer Auffassung, die aus der Zugehörigkeit zu einer Organisation, wie sie der Börsenverein darstellt, Rechte auf eine geschäftliche Bevorzugung der Mitglieder untereinander herleiten möchte, in vielen ein Bedauern auslöst, ähnlich dem, das der Erinnerung an die gute alte Zeit gilt, so darf doch nicht übersehen werden, daß die neue Organisation, in der freilich auch nur Raum für die allgemeinen Ansprüche des Sorti ments wäre, nur ins Leben gerufen zu werden brauchte, um wenigstens einen Teil dieser im Laufe der Zeit dem Börsenverein zugeschobenen Aufgaben übernehmen zu können. Von den auf den engeren Verkehr zwischen Sorti menter und Verleger abgestimmten Beziehungen und den in der Verkehrsordnung niedergelegten Bestimmungen allgemeiner Natur über den Verkehr zwischen Sortiment und Verlag abgesehen, ist zu berücksichtigen, daß das wechselvolle Auf und Nieder unseres geschäftlichen Lebens oft ein rasches, zielbewuß tes Handeln erfordert, dessen Richtschnur keiner Ordnung ent nommen werden kann. Es sei hier nur an Erscheinungen wie die Nebenluftausgaben, an die Manipulationen des Verlagshauses Börse, Gyldahl L Hansen u. a., an die verstümmelten oder stark gekürzten Klassiker-Ausgaben, an Ausgrabungen zwar nicht verbotener, aber keineswegs einwandfreier alter Schmöker er innert, mit denen sich die Hauptversammlung des Deutschen Ver legervereins zu beschäftigen hatte. Ein Zusammenschluß aller guten Elemente im Sortiment zum Zwecke der Abwehr dieser Bluff- und Blague - Manöver und der Aufklärung des Publikums über Qualitätsverschleierung und -Minderung dieser mit so großem Tamtam angepriesenen Literaturerzeugnisse würde in viel wirksamerer Weise verhindern, daß diese Geschäfte sich wie die Köpfe der Hydra vermehren, als dies aus den engen Kreis der Fachgenossen beschränkte Resolutionen des Deutschen Verlegervereins vermögen. Wie sehr der deutsche Buchhandel, trotz der Sucht vieler Unternehmer, ihre rein geschäftlichen Zwecke hinter angeblich kulturelle Aufgaben verschwinden zu lassen, sich das rechte Verständnis für echte Werte bewahrt hat, bewies die beifällige Aufnahme, mit der die Hauptversammlung des Börsenvereins die Ausführungen des Herrn vr. Ruprechts zu dem Abschnitte des Geschäftsberichts über Jugendschutzgesetz gebung begleitete. Neben diesen mehr ethischen Aufgaben, deren Übernahme durch einen starken, sich der wirtschaftlichen nnd kulturellen Not wendigkeit des Sortiments bewußten Verein in hohem Maße ge eignet wäre, das Ansehen des deutschen Buchhandels in der Öffentlichkeit zu heben, namentlich wenn die Sittlichkeit im eige nen Hause beginnt, erwachsen einem Deutschen Sortimenter verein so viele Aufgaben rein praktischer Natur, daß er eher unter einem Zuviel als einem Zuwenig an Arbeit leiden würde. Der deutsche Verlagsbuchhandel hat durch Gründung der jetzt im Deutschen Verlegerverein zusammengeschlossenen Vereine längst anerkannt, daß die ausschließliche oder doch vorwiegende Ver tretung verlegerischer Interessen nicht Aufgabe eines zur Wah rung allgemein-buchhändlerischer Interessen berufenen Vereines sein kann. Und wenn heute innerhalb des Deutschen Verleger vereins schon neue Gruppenbildungen aus der Notwendigkeit frei erer Bewegung heraus entstehen, so wird man mit desto größerem Recht dem Sortiment wenigstens die Anfänge einer solchen Organi sation wünschen müssen, sei es auch nur, um dem bisherigen Guerillakrieg zwischen Sortimentern und Verlegern ein Ende zu machen, der in.seinen Wirkungen viel verheerender ist als eine klare und unzweideutige Stellungnahme der Parteien. Das er höhte Verantwortlichkeitsgefühl der Führer dieser Vereine, die Möglichkeit, durch gegenseitige Verhandlungen von Organisation zu Organisation tiefere Einblicke in die wirtschaftlichenNotwendig- keiten von Verlag und Sortiment zu tun, die oft anzutreffende Vereinigung beider Funktionen in einer Person und nicht zuletzt die Erkenntnis, gegenseitig aufeinander angewiesen zu sein, würden zwar einem Kampfe gegen einen oder den anderen Ver leger nicht entgegenstehen, wohl aber einem Kampfe gegen den Verlag. Und läge nicht auch ein Gewinn für