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284, 6. Dezember 1912. Nichtamtlicher Teil. «IrlmN-ll >. d. Dllchn. «Uchh-El. 15627 dieser Gedanke nicht schon längst in die Tat umgesetzt worden ist, da seine Durchführung den Ausblick auf die größten wirt schaftlichen Ersparnisse, und zwar nicht nur für die großen Firmen, sondern verhältnismäßig mehr noch für die mittleren und kleinen Firmen eröffnet. Berlin hat schon seit vielen Jahrzehnten eine Paketbestellanstalt, die von der Korporation der Berliner Buchhändler auf genossenschaftlichem Wege be trieben wird und die dem Einzelnen große wirtschaftliche Vorteile gewährt. Die Einrichtung ist im Prinzip der Leip ziger Bestellanstalt ähnlich; sie kann ja auch, da beide An stalten ähnlichen Zwecken dienen, nicht verschiedenartig sein. Dabei läßt sich der Paketaustaufch Berlins gar nicht mit dem Leipzigs vergleichen. Der Grund, warum bisher die Leip ziger Paket-Bcstellanstalt nicht zustande gekommen ist, hat Wohl auch nicht daran gelegen, daß man an ihre wirt schaftliche Notwendigkeit und Nützlichkeit nicht glauben wollte, sondern daran, daß man fürchtete, technisch den allzu großen Warenandrang nicht bewältigen zu können. Bei den bisherigen Plänen für eine solche Paket-Bestell- anstalt war man allerdings auch in den Fehler verfallen, allzu viel von ihr beanspruchen zu wollen. Es sollten sämtliche von auswärts nach Leipzig einströmenden Güter mengen, die bekanntlich hier zuerst nach den Kommissionären der Adressaten geordnet werden müssen und die, sofern es sich um Barpakete handelt, dann erst noch aus besonderen Avisen für die empfangenden Kommissionäre zusammenzustellen sind, gleich in diese Zentrale — und nicht erst zum Kommissionär dirigiert werden und gleich dort zur Verarbeitung gelan gen. Wer die Verarbeitung der von auswärts ankommenden Güter, denen sich die von den hiesigen Auslieferungslägern der auswärtigen Verleger täglich zugesellen, in den ca. 4l> Leipziger Kommissionsgeschäften kennt, der weiß, daß gerade diese Sortier- und Verbuchungsabteilungen in den Kommis sionsgeschäften oft nur mit Aufbietung aller Kräfte und nur unter Hinzuziehung aller verfügbaren Hilfsarbeiter aus den anderen Abteilungen das Pensum doch nur in langen Über stunden bewältigen können, der muß sofort erkennen, daß eine Konzentrierung dieser ca. 40 Sortierabteilungcn auf eine Stelle einen Bienenschwarm zeitigen müßte, in dem sich über haupt niemand mehr zurecht fände. Für diese vorbereitende Tä tigkeit, für die individuelle Erledigung der Arbeiten der aus wärtigen Verleger-Kommittenten muß es unbedingt bei dem bisherigen System der Dezentralisation in den einzelnen Kommissionsgeschäften verbleiben. Aber die nunmehr sich an schließende Arbeit des Austausches der nach Kommissionären und anderen Leipziger Firmen bereits sortierten Paket-Haufen läßt sich durch die Paket-Bcstellanstalt in wirtschaft lichster Weise vereinfachen. Bisher wurden von jeder Leip ziger Firma — sei es, daß ein Kommissionär die Waren seiner Verleger-Kommittenten dem andern Kommissionär oder den Leipziger Firmen zustellen wollte, sei es, daß ein Leipziger Verleger seine Auslieferung den Kommissionären und Leip ziger Sortimentern zufahren wollte, oder sei es, daß ein Leip ziger Sortimenter seine Remittenden den Leipziger Verlegern oder den Kommissionären der auswärtigen Verleger überge ben wollte — diese Pakete täglich oder mehrmals wöchentlich in die Häuser der vielen Adressaten ausgefahren. Die kleinere Firma litt darunter ganz besonders, denn wenn sie auch nur wenige Pakete auszufahren hatte, so mutzte ihr Markthelfer meist das ganze Weichbild des Buchhändlerviertels, das leider seine Peripherie von Jahr zu Jahr immer mehr erweiterte, befahren, während die größeren Firmen, die über mehr Per sonal verfügten, sich viele Touren nach verschiedenen Rich tungen zusammenstcllen konnten. Die größten Kommissionäre haben etwa 20 Touren täglich ausgefahren und eingeholt. Die Leipziger Platzusance hatte sich im Lause der Jahr zehnte nun dahin entwickelt, daß die regelmäßige Ausliefe rung, das sogenannte »Mit hin« von dem Absender der Waren morgens ausgcfahren wurde, während die Waren der eiligen zur Nachmittags-Auslieferung bestimmten Bestellungen, die sogenannten »Empfohlenen«, nachmittags nicht vom Absender ausgefahren, sondern vom Besteller bzw. dessen Kommissionär eingeholt wurden. Die gleiche Anzahl von Markthelfern, Burschen und Buchhändler-Karren wurde also am Nachmittage nochmals in umgekehrter Richtung in Be wegung gesetzt. Während vormittags das Ausfahr-Tempo nur Trab war, mußte es nachmittags zum Galopp er hoben werden, denn die eingcholten Sendungen sollten ja alle noch bis 0 Uhr den Ballen oder Postpaketen der Kommittenten beigefügt werden. Es ist geradezu unverständlich, daß der von dem Übel des Ausfahrens, das früh die Einen trifft, und dem Übel des Einholens, das nachmittags die Andern trifft, erlösende Ge danke der P a k et - B e st e l l a n st a l t nicht schon längst in die Tat umgesetzt worden ist und daß es erst eines äußeren An stoßes wie des Markthelferstreiks bedurfte, um endlich einmal zwischen den Leipziger Hauptbcteiligten, den Kommissionären und Verlegern, diejenige Einigkeit zu schaffen, die stets zur Durchführung großer Ideen nötig ist. Montag, den 2. Dezember 1912, war der denkwürdige Tag, an dem zunächst einmal zirka 40 der größten Leipziger Kommissionäre in den interimistisch dazu eingerichteten Räu men des großen Saales des »Deutschen Buchhändlerhauses« den Austausch ihrer empfohlenen Pakete Vornahmen.*) Das fast unvorbereitete Experiment glückte besser, als es je erwartet worden war, und bereits am nächsten Tage stand es fest, daß dieser Paket-Austausch im Gegensatz zu dem bisherigen Ein- Hole-System eine erhebliche Arbeitsersparnis und Zeitverkür zung bedeutet. Was für den Einholeverkehr als geglückt an zusehen ist, mutz sich logischer Weise für den ganz analog ein gerichteten Ausfahrverkehr am Morgen gleichfalls bewähren. Daß auch keinerlei technische Hemmungen entstanden sind, ist darauf zurückzuführen, daß man in Weiser Mäßigung von der Paket-Austaufch-Zentrale alle Massengüter ferngehalten hat. Wenn L für 8 so viel Ware hat, daß er einen Karren, den e i n Markthelfer ziehen kann, vollzuladen in der Lage ist, so wäre es natürlich widersinnig, wenn die Ware erst den Um weg über die Austausch-Zentrale nehmen würde. Diese Ware mutz vielmehr wie bisher entweder von -1 dem 8 zngefahren oder von 8 bei L abgeholt werden, je nachdem, ob es sich um »Mit hin« oder »empfohlenes« Gut handelt. In diesen Fällen ist aber auch die Arbeitskraft des Fahrers voll ausgenutzt, denn in verhältnismäßig kurzer Zeit wird ein verhältnismäßig großes Quantum von Ware an seinen Bestimmungsort gebracht. Ganz anders ver hält es sich mit der rationellen Ausnutzung einer Arbeitskraft, wenn wenig Ware an verschiedene, oft weit auseinander liegende Plätze zu bewegen ist. Hier tritt die bolle wirtschaft liche Güte der Austausch-Zentrale in die Erscheinung. Eine jede Firma hat ihre Ware nur auf dem direkten Wege zur Paket-Bestellanstalt zu fahren und kann unter Ausnutzung der gleichen Arbeitskraft die für sie b e - stimmte Ware von dort wieder mitbringen. Wer sich den Betrieb in dem provisorisch als Austausch- Zentrale eingerichteten großen Saale des Buchhändlerhauses angesehen hat, muß ohne weiteres zu der Überzeugung kom men, daß in den getroffenen Einrichtungen der Keim zu einer großzügigen P a k e t - B e st e l l an st a l t für den Leipziger Buchhandel liegt. Es gilt nun, das entstehende genossen schaftliche Unternehmen auch tätig zu unterstützen und nicht länger abwartend beiseite zu stehen. *) Vgl. unter Kleine Mitteilungen: Austausch-Zentrale für empfohlene Pakete in Leipzig. L032»