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5940 Börsenblatt f. d. Dtschtt, Buchhandel. Redaktioneller Teil. Z.? 125, 3. Juni 1913. zeichniffe treten nun m>t dem Anspruch und mit dem Anschein be sonderer Autorität vor die Öffentlichkeit. Sie werden in den Schulen von den Lehrern an die Schüler verteilt, und Schüler und Eltern mögen oft genug der Meinung sein, sie würden von Schul- und Amts wegen ausgestellt und verbreitet. So wird über das Schicksal von Büchern und damit über das Schicksal derer, die sie versaßt und verlegt haben, entschieden, ohne daß irgend einem der Urheber der Bücherlisten und irgend einem von denen, die sie verbreiten, eine persönliche Verantwortung zufällt. Ein einheitliches Musterverzeichnis für den Gebrauch an allen höheren Lehranstalten kann cs wohl überhaupt nicht geben. Die ver schiedenen Anstalten haben je nach ihren Zielen, ihrer Verfassung, ihrer Lage, ihrem konfessionellen Charakter auch hinsichtlich der Hauslektüre ihrer Schüler ganz verschiedenen Bedürfnisse» zu genügen. Jngend- schristenverzeichnisse gewinnen Wert erst für den, der sie zu lesen und zu deuten versteht. Lesen und deuten aber kann sie nur, wer so viel literarische Bildung besitzt, daß er die Ratschläge, die sie erteilen, aus ihre Anwendbarkeit im gegebenen Fall zu prüfen vermag. Lehrern und gebildeten Eltern können sie nützen, der Jugend aber wissen sie mit ihren mageren Titelangaben wenig zu sagen. Darüber dürfen wir uns keiner Täuschung hingeben, daß die zahllosen Bücherverzeichnisse, die Jahr sür Jahr unseren Schülern und Schülerinnen eingehänbigl werden, nur in ganz vereinzelten Fällen ans die Hebung der Jugend- lektiire einwirken. Für die Jugend gewinnen sie erst durch die Ver mittlung der Erzieher Bedeutung. Auch die Bereinigten Prüfungs ausschüsse dürsten die offenbaren Ersolge, die sic erreicht haben, viel weniger der Einwirkung aus die Jugend selbst als der ans die Lehrer, den Buchhandel und die öffentliche Meinung verdanken. Der Jugend bringt praktische Versorgung mit gutem Lesestoff sehr viel reicheren Segen. Hierfür bietet die Schulbiicherei das wirksamste Mittel. Es ist dringend zu wünschen, daß die Schüicrbiichereie» aller höheren Lehranstalten zu dem ausgcstaltet werden mögen, was sie eigentlich selbstverständlich sein sollten: zu Mustern von guten Jugend- biichereien. Von diesem Ziel sind wir einstweilen leider noch weit entfernt. Die Bestände mancher Schlllerbllchereien vermögen selbst bescheidenen Ansprüchen nicht zu genügen. Ter Grund für diese be klagenswerte Erscheinung ist tu zwei Umstünden zu suchen: Erstlich kann man sich vielfach immer noch nicht dazu entschließen, die Schulerbüchcrct als einen wesentliche» und wichtigen Bestandteil der Schulelnrichtung und des Schulbetrtebes anznertenncn, und zweitens fehlt es vorläufig durchaus an der ersordcrlichen Zahl sach verständiger Oberlehrer, die imstande sind, sie zweckdienlich etnzu- rtchten und zu verwalten. Die gar nicht erheblichen finanziellen Aufwendungen sür die Errichtung und Unterhaltung guter Schüler- blichercien können aus die Dauer keine ernstlichen Schwierigkeiten be reiten. Vielfach werden schon jetzt ausreichende Mittel gewährt, so z. B. an den höheren Lehranstalten der Stadt Berlin, und wo dies nicht der Kall ist, sollte mit allen Kräften dahin gestrebt werden, eine Erhöhung des entsprechenden Etatstitels hrrbeizusiihrcn. Wo eine wirklich gute, lebendig wirkende, von allen Schülern rege und gern benutzte Bücherei vorhanden ist, wo zudem Lehrer die Schüler be raten, die in der Jugendliteratur ihres Lehrgebtets zuverlässige Sachkunde besitzen, da erst ist die Jugeudschriftensragc befriedigend gekäst. Die Verteilung von Jngendschrlstenvcrzeichnlssen an dlc Schüler ist gewiß wohlgemeint und dankenswert, sie kann aber nur als ein unzulänglicher Notbehelf angesehen werden. In der lebhaften Aussprache, die sich an den Vortrag anschloß, fand besonders der Gedanke allgemeine Zustimmung, daß Auswahl und Beurteilung der Jugendbücher durch Fachleute unter persönlicher Verantwortung ersolge» müsse und daß Inhaltsangaben und Urteils begründung den Titeln in de» Verzeichnissen beizusllgen seien. Da gegen hoben mehrere Redner im Gegensatz zu den, Vortragenden her vor, daß solche Verzeichnisse nicht nur sür die Lehrer, sondern auch für die Schüler bearbeitet werden müßten und von diesen auch mit Vorteil benutzt werden könnten. <Aus »Deutsches Philvlogen-Blatt».) Der 13. Dclcgiericntag der deutschen Gocihcbiiudc tagte am 1. Juni in Breslau unter Vorsitz von Prosessor vr. Harnack- Stuttgart. Die Versammlung nahm zunächst de» Tätigkeitsbericht der einzelnen Bünde entgegen. ES wurde »iltgetctlt, daß der Schillerprets im Jahre 1915 abermals vergeben wird. Ferner beschloß die Versammlung, anläßlich der bevorstehenden Ver abschiedung des Retchstheatergcsctzcs die bereits früher dem Reichstag überreichte, von Professor v. Liszt ausgearbettete Petition zu erneuern und mit dem Anträge zu er gänzen, bas Reichstheatergesetz erst nach Aufnahme der reichs gesetzlichen Beseitigung der Theaterzensur zu verabschieden. Von be sonderer Bedeutung wurde die diesjährige Tagung durch eine Mit teilung des Baudirektors Professor De. C. von Bach, des Delegierten des wiirttembergischen Goethebundes, der in den Kreisen wiirttem- bergischer Interessenten eine Summe von 8999 -/i zu einem Preis ausschreiben gesammelt hat, das die Erlangung einer Preisschrift über die Mittel zur Milderung der Deutschland zerkliistenden Klassen gegensätze zum Gegenstand haben soll. Die nächste Tagung wird in Franksnrt a. M. im Oktober 1914 anläßlich der Universitäiseröfsnnng stattfinden. Nene Straßenbenennungen in Leipzig (vgl. Nr. 91). — Der Rat der Stadt Leipzig hat nachstehende Bekanntmachung erlassen: Wir haben in dem Bebauungspläne Leipzig-Thonberg die Straße 28 Karl Siegtsmnnd-Straße snach dem 1. Vorsteher des Börsenveretns der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Herrn Kommerzienrat Karl Slegismuud in Berlin) und die Straße 33 An der Bücherei genannt. Die Umncnnung tritt am 1. Januar 1914 in Kraft. Leipzig, am 26. Mai 1913. Der Rat der Stadt Leipzig. Der Zentralverband Deutscher Industrieller hat im Hinblick aus den bisherigen Verlauf der Verhandlungen der Budgetkouimisjion des Reichstages über die Wehr- und Deckungsoorlagen aus den Il.Juni in Berlin, Hotel Adlon, eine Ausschußsitzung anberaumt, um die Stellungnahme und Wünsche der im Zentralverbande ver einigten Industrien zum Ausdruck zu bringen. Auf der Tagesordnung stehen folgende Neseratc: »Grundsätzliche Gesichtspunkte sür die Deckungsfrage« (NegierungSrat 1)r. Schweighofser-Berlin), »Der ein malige außerordentliche Wehrbettrag« (Kommerzienrat 0r. Kaufsinann- Hermsdorf), «Die Änderung des Neichsstempelgesetzes« (Prosessor vr. Moldenhauer-Köln). Der Deutsche RcichS-Feuerwehrtag wird vom 24. bis 29. Juli in Leipzig abgehalten. Mit der Tagung ist eine Feuerwehr-Ausstellung verbunden, sür die der Meßplatz vor dem Kranksurter Tor vorgesehen ist. Pkrsonalnachrichten. Auszeichnung. — Herrn VerlagSbnchhändler Kaiserlichen Rat Marti» Gerlach, Mitinhaber der Firma Gerlach L Wiediing in Wien, wurde das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen. EMüjsaal.^ Sind Reklamemarken als unzulässige Zugaben im Sinne des 8, 1 der Verkaufsordnung auzusehen? Diese Frage dürste vielen Sortimentern und Verlegern einen wichtigen Gegenstand zur Aussprache bilden. Von München her ver breitet sich dieser Sammclsport, der wie eine Epidemie uni sich greift und täglich noch zunimmt. Die Reklamemarkc, bas gegenwärtige Propa- ganbamittcl sür zahlreiche Geschäftsleute, wird auch gern vom Ver lag zur Verbreitung unter das Publikum benutzt. Auch Sortimenter, die sich eigene mit Firma versehene Marken haben Herstellen lassen, benutzen diese Gelegenheit, solche den Käufern von Schulbüchern und Literatur kostcnsrci abzugeben. Wie verträgt sich nun der neue Zu gabeartikel mit der Verkaussordnnng? K., 2. Juni 1913. . IZ. I-gv. Da der Herr Einsender in seinem Begleitschreiben wünscht, daß sich auch die Redaktion des Börsenblattes zu der Frage äußern möge, so möchten wir dazu kurz folgendes bemerken: Soweit die Neklamemarke propagandistische» Zwecken für das eigene Geschäft dient, wird man keine Einwendungen gegen eine diesen Zwecke» dienende Abgabe erheben können, da in diesem Falle die Neklamemarke auf die gleiche Stufe mit anderen Empfehlungen (Inserat, Zirkular nsw.j zu stellen ist. Anders liegt die Sache dagegen, wenn fremde Reklamemarken, die nicht Bücher- oder Zeitjchristenempsehlungen dienen, als Zugabe verwendet werden, um bas Publikum, insonderheit Schulkinder, anzulucken. Dann sind Re- klamemarken, die einen Handelswcrt haben, unzweifelhaft «Zugaben« im Sinne des 8 8,1 der Verkaufsordnung, wobei es keinen Unter schied begründet, ob das Objekt gering ist oder nicht. Red. Verantwortlicher Redakteur: EmtlThomas. — Verlag: Der B ö r s e n v e r e i n der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsches Buchhäudlerhaus, Hospitalstraßc, Druck: Ramm L Seemann. Sämtlich in Leipzig. — Adresse der Redaktion: Leipzig-N., Gerichtsweg 28 iBuchhäudlerhaus).