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so, IS. April 1S12. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt l. d. Dtschn. Buchband-I. 4863 meinige, stimmen mir bei, daß die Gesamtspesen einer solchen Zentralstelle mindestens 40 000 (vierzigtausend Marks im Jahre betragen würden. Nun müßten diese 40 000 aber nicht nur verdient werden, sondern der Nettoverdienst müßte um eben diesen Betrag über den jetzigen steigen. Woher aber sollte eine solche Erhöhung des amerikanischen Bedarfes für deutsche Literatur kommen, so daß sich ein Extra verdienst von 40 00Ü und mehr Herausstellen sollte? Man muß immer im Auge behalten, daß, wie ich oben näher ausgeführt habe, der amerikanische Importeur oder deutsche Exporteur an den Sortimentsartikeln, die er amerikanischen Bibliotheken liefert, so gut wie gar nichts verdient. Eine Frage, die wohl überhaupt noch nicht aufgeworfen worden ist, ist die: Was soll mit den Büchern geschehen, die nicht verkauft werden? Sie in Amerika nach einiger Zeit zu herabgesetzten Preisen zu verkaufen, wäre doch vom Stand punkte des deutschen Buchhandels aus kaum angebracht, und sie nach Deutschland zurückzusenden, würde doch die Kosten der ganzen Einrichtung bei den schon mehrfach erwähnten hohen Transportspesen ganz erheblich vermehren. Ein anderes Kapitel ist natürlich die Frage, ob aus rein ideellen Gründen die deutschen Verleger eine großartige Reklame für deutsche Bücher und deutsche Wissenschaft in Amerika ins Werk setzen wollen. Solch eine Reklame, die allerdings nach meiner Meinung bedeutende Kosten ver ursachen würde, wäre ja vielleicht recht schön, aber wie man einem derartigen Plane vom geschäftlichen Standpunkt aus nähertreten könnte, ist mir allerdings unbegreiflich. Aus dem russischen Buchhandel. ii. Mein letzter Bericht schloß mit einer statistischen Auf- stellung der Druckerzeugnisse des Jahres 1911 im russischen Reiche. Inzwischen ist die dort erwähnte »4. Ausstellung der Druckerzeugnisse des Jahres 1911« eröffnet worden. — Ehe ich mit der Beschreibung der Ausstellung selbst beginne, muß ich einige erklärende Worts vorausschicken. Um die Herausgabe eines möglichst vollständigen Katalogs aller im russischen Reiche erscheinenden Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zu ermöglichen, ist jeder Verleger verpflichtet, je ein Exemplar seiner Verlagswerke an die Regierung abzu liefern. Die Titel werden dort katalogisiert und in den wöchentlich erscheinenden »ÜUUÄMUN .rl-rouaer, r.iLouaio xupaoWuin uo AbMir, usuaru» veröffentlicht. Ein für russische Verhältnisse übrigens ganz brauchbarer Katalog, den ich allen, die sich mit der Beschaffung russischen Sorti ments befassen, nur empfehlen kann. (Preis jährlich 6 Rubel.) Alljährlich einmal werden alle diese Erscheinungen auf der oben erwähnten Ausstellung öffentlich zur Schau gestellt. — Noch unter dem Eindruck der Ausstellung »Illustrierter russischer Bücher und Plakate« stehend, bin ich von dieser An sammlung aller im Jahre 1911 erschienenen Werke sehr ent täuscht; das Gute, was auf dem Gebiete der Buchkunst ge schaffen worden ist, geht hier in der Masse des Unzulänglichen und Schlechten verloren. Am erfreulichsten ist noch der erste Saal, der die Abteilung Kunst beherbergt. Auch hier verdienen wieder die Ausgaben der Firmen Golike L Wilborg, Großmann L Knoebel und die des Staates uneingeschränktes Lob. Ein von der »Looists impsrisls äss arebitsotss» heraus gegebenes Werk »llo palais VSIoguivs» läßt auf noch weitere geschmackvolle Publikationen dieser Gesellschaft schließen. Dann verdient das vom Architekten-Verein in Riga herausgegebene -Jahrbuch der bildenden Kunst in den Ostseeprooinzen, IV. Jahrgang 1911« an dieser Stelle erwähnt zu werden. Es ist in einen geschmackvollen Pappband gebunden und gibt eine gute Darstellung des Kunstlebens in den Ostsee provinzen. Ich persönlich bedaure immer, daß von baltischer Kunst und baltischem Leben in Deutschland so wenig be kannt ist, und werde einen meiner nächsten Berichte ganz besonders den baltischen Provinzen und den Kämpfen der deutschen Buchhändler in den russischen Ostseeprooinzen widmen. — Die Abteilung Musikalien mit ihren bunten und häßlichen Titeln ließ in mir wieder einmal den Gedanken wach werden, wann hier wohl einmal eine Wendung zum Besseren eintreten wird. In Deutschland sind ja schon sehr gelungene Versuche in dieser Richtung gemacht worden, während es bei uns noch sehr schlimm aussieht. Ein uner freuliches Bild für den deutschen Buchhändler bot die Abteilung Jugendschristen, da verschiedene Verleger in geradezu unverschämter Weise ausländische Bücher nach geahmt, oder nach Bedars aus einzelnen Werken Bilder zu ihren Zwecken benutzt haben. »Schundliteratur in Wort und Bild» wäre wohl die einzige richtige Bezeichnung für die Abteilung, die offiziell unter dem Namen »Volksschciften« geht, gewesen. Als ich die Abteilung »Theologie« betrat, glaubte ich im ersten Augenblick, eine alte Klosterbibliothek habe ihre Schätze geliehen, doch bei näherem Hinsehen sah ich, daß alles Neuerscheinungen des Jahres 1911 waren. Wie die Kirche in allen ihren Formen erstarrt ist, so ist auch alles, was mit ihr znsammenhängt, erstarrt. Die Sprache ist die altslavische, wie sie vor mehr als 600 Jahren im Gebrauch war, und die Schristtypen sind dieselben wie vor 400 Jahren, nur daß inzwischen Papier und Drucker schwärze schlechter geworden sind. Auch die Einbände, meist handgepreßte Schweinslederbände, mit schweren Schließen, erinnern an längst vergangene Jahrhunderte, und selbst die heiligen Bilder sind noch immer so starr und leblos, wie sie in der Uspenskij, der berühmten alten Krönungskirche in Moskau, auf uns herabschauen. Auf diese Abteilungen folgen jetzt in bunter Reihe all die anderen Gebiete mensch lichen Wissens: Pädagogik, Jura, Technik, Medizin, Geschichte, Philosophie usw. usw. In der Abteilung -Philosophie« finden sich eine ganze Anzahl Auszüge aus deutschen Philo sophen in russischen Übersetzungen, die oft ein ganz verzerrtes Bild der einzelnen philosophischen Systeme geben. Es ist be dauerlich, daß man einem so bildungshungrigen Volke, wie es das russische ist, solche Surrogate vorsetzt, die nicht fördern, sondern nur verwirren können. Die Abteilung Belletristik zeigt hinsichtlich der Ausstattung ein erfreuliches Bild; ge schmackvolle Umschläge und gute Typen sind fast überall ver treten, auch steht man hier viele deutsche Namen. Die neuesten Bände einer Universalbibliothek erwähne ich eigentlich nur deshalb, weil sie ausschließlich unautorisierte Übersetzungen ausländischer Autoren bringt. Von diesen Übersetzungen sagte einmal llr. Luther-Moskau, daß sie noch schlechter seien als das Papier, aus dem sie gedruckt sind. Zieht man nun in Betracht, daß diese Universal- Bibliothek auf ganz gewöhnliches Holzpapier, wie es die Zeitungen verwenden, gedruckt ist, so kann man sich leicht ein Bild von der Güte der Übersetzungen machen. An gesichts dieser betrübenden Tatsache steigt wieder einmal der fromme Wunsch auf, Rußland möge sich der Berner Kon vention anschlicßen. In der Abteilung »Literatur» verdient eine groß angelegte reich illustrierte »Russische Literatur geschichte des XIX. Jahrhunderts» Erwähnung. Ein be sonderer Raum, der der neuen Literatur aus dem Jahr 1912 gewidmet ist, enthält nur einige wenige Bücher und ver schiedene Reproduktionen nach Wereschtschaginschen Gemälden, doch ist dies erklärlich, da die Hauptsache erst in diesem Jahre erscheinen wird. Ein Saal hat die in fremden Sprachen im russischen Reiche erschienenen Bücher ausgenommen, während in einem anderen die verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften zu sehen 6SZ«