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48b2 «Srs-nil-lt s. d. Dtschn. vuchr-nd-l. Nichtamtlicher Teil. ^ so. IS April 1S12. seiner Hauptausgabe: sür das Interesse des deutschen Buches zu wirken, zunächst von rein formaler Be. deutung. Wer den Zweck will, must auch die Mittel wollen und sie den Verhältnissen anzupassen suchen. Daß diese Zweckmästigkeilspolitik mit den Grund anschauungen des Börsenvereins durchaus verträglich ist, zeigt seine abwartende, um nicht zu sagen ab lehnende Haltung gegenüber der Schaffung einer internationalen Verlaussordnung Bei meinem zufälligen Aufenthalt in Leipzig wurde mir der Artikel »In Sachen einer Zentralstelle sür den deutschen Buchhandel in den Vereinigten Staaten«, der tn der Nummer dieser Zeitschrift vom k. April erschien, vorgelegt. Er interessierte mich selbstredend sehr, und da ich, wie vielleicht wenige amerikanische Bibliothekare, nun seit sieben Jahren recht enge Beziehungen zu dem deutschen Buchhandel und einzelnen Mitgliedern desselben pflege, so dachte ich, daß es viel leicht für den Leserkreis des »Börsenblattes« von Interesse wäre, wenn ich einige Bemerkungen zu diesem Plane machte. Wie gesagt, ich bin mit den Verhältnissen des deutschen Buch handels ziemlich vertraut. Dreimal bin ich in Deutschland längere Zeit gewesen, um sür amerikanische Bibliotheken in Verhandlungen mit deutschen Buchhändlern zu treten. Ferner sind mir aber auch amerikanische Bibliotheksverhältnisse bekannt. Ich war mehrere Jahre hindurch Beamter an der Bibliothek der Harvard-Universität in Cambridge sich bekleide dort noch immer das Ehrenamt eines Kurators der Hohenzollern-Sammlung) und bin zurzeit Direktor der Bibliothek der Uortkvsstsru llvivsrsit^ in Evanston bei Chicago. Ich schicke diese persönlichen Bemerkungen voraus, um zu beweisen, daß ich mit einer gewissen Berechtigung mir einige Kenntnisse der einschlägigen Verhältnisse zumuten darf. Es scheint mir, daß dieser Plan, eine Zentralstelle des deutschen Buchhandels in Amerika zu errichten, nur von Herren befürwortet wird, die, so wohlwollend sie auch einer näheren Verbindung zwischen Amerika und Deutschland gegenllber- stehen, doch keine genügenden Kenntnisse der beiderseitigen Verhältnisse haben, seien es nun die besonderen geschäft lichen Verbindungen und Einrichtungen des deutschen Buch handels oder seien es die amerikanischen Bibliotheksverhält nisse. Von der breiten Schicht der Bevölkerung kann bei diesem ganzen Plane kaum die Rede sein, wie ja auch Herr Professor Lessing näher ausführt; denn deren Bedarf an deutscher Literatur wird nicht steigen. Es handelt sich also hauptsächlich um die Bibliotheken, und unter diesen sind für deutsche Literatur die Universitäts-Bibliotheken wieder die wichtigsten. Der Bedarf dieser Bibliotheken aber wird im großen und ganzen nur insofern steigen, als das Ansehen der deutschen Wissen schaft in der Welt im allgemeinen sich steigert. Natürlich kann durch Ansichtssendungen manches erreicht werden, aber die sind in Amerika so gut wie ausgeschlossen. Es gibt in Amerika bekanntlich keine Paketpost, so daß die Versand spesen für Ansichtssendungen so groß wären, daß aller Nutzen dabei verloren ginge. Die Hauptniederlage der Zentralstelle müßte sich in New Jork befinden, da eben eine Niederlage im Innern des Landes mit den großen Versandspesen zu rechnen hätte, und so wäre die geplante Einrichtung für die New Jorker Bibliotheken vielleicht von Nutzen, obgleich gerade die New Härter Bibliotheken sich weniger eine Zentralstelle zu wünschen brauchen, da sich in dieser Stadt die Haupt niederlassungen der größeren Importeure befinden, die ja schließlich auch alle Literatur, die in Frage käme, zur An sicht bereit Hallen. Herr Professor Lessing meint allerdings, daß durch einen Fortfall dieser Importeure so viel gespart würde, daß die Bibliotheken in die Lage kommen würden, umfangreicher als bisher zu kaufen. Diese Hoffnung ist aber auf ganz falsche Voraussetzungen begründet. Die New Jorker Im porteure und die Leipziger Exporteure verdienen an dem ge samten Sortimentshandel so gut wie gar nichts. Da für das Ausland im deutschen Buchhandel keine Vereinbarungen bestehen, so ist der Rabatt, der bei Sortimentsbestellungen den amerikanischen Bibliotheken bewilligt wird, schon so hoch, daß von einer Erhöhung nur die Rede sein kann, wenn die deutschen Verleger bereit sind, den amerikanischen Bibliotheken einen höheren Rabatt zu bewilligen, als sie selbst dem Buchhandel im eigenen Lande geben. Dem widerspräche doch wohl aber das Grundprinzip des Börsenoereins der Deutschen Buchhändler, der von einer Umgehung des Buchhändlers und von der Bewilligung erhöhter Rabatte an Nichtbuchhändler nichts wissen will. Dazu kommen dann noch die hohen Konsulats und Transportspesen, die aufgewandt werden müßten, um größere Büchersendnngen nach Amerika hinüberzuschaffen. Es wird mir wohl vorgehalten werden, daß ja schließlich die Importeure und Leipziger Exporteure trotz der ange führten Verhältnisse bestehen und schließlich wohl auch etwas verdienen. Gewiß bestehen diese Geschäfte weiter und ver dienen, wenn vielleicht auch dieser Verdienst geringer ist, als von Nichtkennern vermutet wird. Sie bestehen aber weiter, indem sie recht viel antiquarische Sachen liefern (vergleiche die statistischen Angaben der Uibrarx ok Ooagross) und die New Jorker Importeure noch nebenbei ein ganz bedeutendes Platzgeschäft machen, nicht nur in deutschen Verlagsartikeln, sondern auch in französischen, italienischen und dergleichen mehr. Es ist doch aber wohl ausge schlossen, daß eine Zentralstelle für die deutschen Verleger allgemeine amerikanische Sortimentsgeschäste unternehmen würde. Wenn dem so wäre, so käme ja schließlich bei der ganzen Einrichtung nichts weiter heraus, als daß man den jetzigen New Jorker Importeuren ein neues, ganz gleich artiges, allerdings in diesem Falle subventioniertes Geschäft zur Seite stellen würde. Wie schon oben erwähnt, ist es nach meiner Ansicht unmöglich, daß eine Zentralstelle den amerikanischen Biblio theken Bücher billiger liefern könnte, als diese sie jetzt erhalten. Aber nicht nur das, es fragt sich überhaupt, ob die Bücher nicht am Ende für die Bibliotheken teurer würden. Bei den jetzigen Bezugsverhältnissen ist es den amerikanischen Bibliotheken möglich, ihre Bücher in Deutschland binden zu lassen, was bei den vielen ungebundenen Erscheinungen des deutschen Buchhandels eine große Ersparnis bedeutet, da das Einbinden von Büchern in Amerika viel teurer als in Deutschland ist. Hier und da wäre es allerdings sür eine Bibliothek angenehm, wenn sie ein Buch schnell braucht, zu wissen, daß es in Amerika vorrätig ist und nicht erst von Europa importiert werden muß. Da aber auch die reichste amerikanische Bibliothek bei dem sich riesig ver mehrenden Bedarf mit ihren Mitteln Haushalten muß, wird sie diese Methode der Einzelbestellung nicht allzu häufig anwenden. Ich war Vorsitzender einer Kommission Chicagoer Bibliothekare, die nach einer Möglichkeit forschte, den Versand von Büchern zu beschleunigen und dabei nicht erheblich zu verteuern. Die Erfahrungen, die ich bei dieser Untersuchung sammelte, sind derartige, daß ich ver sichern kann, daß die Expeditionsspesen in Amerika so groß sind, daß es sür Bibliotheken eine Unmöglichkeit wäre, auf die Dauer Bücher einzeln zu beziehen. Bei dieser ganzen geplanten Einrichtung müßten sich aber auch die Verleger einmal mit den Spesen, die eine der artige Einrichtung verschlingen würde, befassen. Der Leiter einer solchen Zentralstelle müßte mindestens ein Jahresgehalt von 12 000 (zwölftausend Mark) bekommen. Ich bin sicher, und Herren, deren Erfahrung noch größer ist als die