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5694 Börsenblatt s. d. Dlschn. Vuchl,anbei. Amtlicher Teil. 106, 8. Mai 1912 Am Kantate-Sonntag, den 5. Mai 1912, fand im Hanptsaal des Deutschen Buchhändlerhanses zu Leipzig die ordentliche Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler statt. Am Vorstandstisch waren anwesend die Herren Kommerzienrat Karl Siegismund, Artur Seemann, Georg Kreyenberg, Max Kretschmarin, Curt Fernau, Hermann Seippel. Syndikus vr. Orth fährt das Protokoll. Herr Kommerzienrat Karl Siegismund - Berlin, Erster Vorsteher des Börsenvereins, eröffnet die Haupt versammlung um 10'/» Uhr vormittags und weist deren satzungsgemäße Einberufung sowie die rechtzeitige Bekannt machung der vorliegenden Tagesordnung durch Bezugnahme auf die Bekanntmachung des Vorstandes im Börsenblatt vom 12. April 1912 nach; er schließt die Wahl und ernennt zu Stimmzählern die Herren; Paul Toeche-Kiel und Friedrich Feddersen-Hanau. Herr Kreyenberg führt die Rednerliste. Hierauf wird in die Erledigung der Tagesordnung eingetreten. Punkt 1. Jahresbericht. Seine Verlesung wird nicht gewünscht, er ist am 13. April im Börsenblatt ver öffentlicht worden und wird in seinen einzelnen Punkten zur Diskussion gestellt. Bei Punkt »Errichtung einer Zentralbibliothek in Leipzig» bemerkt Herr Kommerzienrat Kurl Siegismund, daß die sächsische Regierung ^ 150 000 vorläufig in den Etat eingestellt habe. Die Beschaffung der Bestände soll durch ein Reichsgesetz geregelt werden, dis Abgabe der Werke seitens der Verleger soll durch Bezahlung von 50»/o des Laden preises erfolgen. Herr Robert Voigtländer-Leipzig führt aus, daß der Buchhandel die Zentralbibliothek sympathisch begrüße, er vermöge sich auch mit dem Pflichtexemplarzwang zu befreunden, dagegen müßten die bundesstaatlichen Pflichtexemplare abgeschafft werden. Redner bittet, bei allen weiteren Verhandlungen daraus hinzuwirken. Herr Kommerzienrat Karl Siegismund entgegnet, daß der Börsenoerein nichts gegen das preußische Pflicht exemplargesetz tun könne. Der Börsenverein Habs sich bis zum Jahre 1921 dazu verpflichtet. Herr R. L. Prager-Berlin führt aus, daß die Errichtung einer Zentralbibliothek keine neue Frage mehr sei die Schwierigkeit liege aber in Deutschland in der Natur der Staatenbildung; er bezweifle, ob die Frage vorschlagsgemäß sich lösen lassen werde; er bespricht dann die geplante Organisation im einzelnen und verwendet sich für die Errichtung einer Zentralbibliothek in Berlin, wo die Voraussetzungen günstiger wären, sonst würde sie ein Torso bleiben. Herr Arthur Meiner-Leipzig erwidert Herrn Prager, der Börsenverein könne nichts dagegen tun, da der sächsische Staat und die Stadt Leipzig freiwillig dafür Opfer bringen wollen; daß die Bibliothek zunächst ein Torso sei, sei richtig, die Nachkommen würden aber sicher an ihr Stutzen haben; auch sei die Abgabe eines Pflichtexemplars nur gegen Entschädigung geplant, insoweit träfen also die Befürchtungen des Herrn Prager nicht zu. Herr vr. Walter de Gruyter-Berlin bittet die Sache einmal von den Anschauungen des Herrn Prager aus zu prüfen. Die Reichsbibliothek sei ursprünglich sympatisch begrüßt, dann aber sei die Platzfrage zu schnell entschiede» worden. Mit Recht habe Herr Voigtländer sich gegen die Pflichtexemplare an sich gewandt; selbst wenn das Pflichtexemplar für die Reichsbibliothek bezahlt werde, so sei es doch immer ein Pflichtexemplar, und wer bürge dafür, daß der Reichstag nicht überhaupt die Bezahlung ablehne; er wisse übrigens, daß die Kgl. Bibliothek in Berlin alle Pflichten einer Zentral bibliothek auf sich nehmen wolle, genügende Räume sür SO Jahre seien vorhanden, sie wolle auch die Verwaltung kostenlos übernehmen, vor allen Dingen sei von vornherein ein benutzbares Ganzes vorhanden. Herr Geh. Hofrat vr. Oskar von Hase-Leipzig sührt aus, daß nach einer Mitteilung aus Berlin die deutsche Musiksammlung jetzt mit der Kgl. Bibliothek in Berlin vereinigt werden solle. Bei den Büchern läge doch aber die Sache anders. Sachsen habe zuerst den Gedanken der Zentralbibliothek aufgegriffen und die Buch-Zentralbibliothek sür Leipzig reklamiert; es sei s. E. unfreundlich, wenn man jetzt die Bestrebungen der sächsischen Regierung und der Stadt Leipzig preußischerseits übertrumpfen wolle, er bitte um etwas bundesfreundliche Rücksicht. Herr vr. Walter de Gruyter-Berlin erwidert, daß es ihm sehr leid tue, wenn seine Worte den Mangel an solcher hätten vermissen lassen, er habe lediglich sachlich sprechen wollen, weil man in Leipzig das nicht schaffen könne, was in Berlin möglich sei; er glaube, daß die preußische Regierung aus Furcht vor einer falschen Auffassung sich vielleicht habe mehr als nötig zurückhalten lassen, den Plan in der erforderlichen Weise zu verfolgen. Damit ist die Diskussion dieses Punktes erledigt. Bei Punkt -Leipziger Zwischenhandel« ergreift Herr Paul Nitschmann-Berlin das Wort; er greift aus die Eisenacher Verhandlungen zurück und hofft, daß bei den bevorstehenden Verhandlungen ein günstiges Ergebnis erzielt werden möge; er wendet sich dann gegen den Zusammenschluß des Leipziger Kommissionsgeschäfts, den er als sehr gefährlich bezeichnet; er warnt davor, weil ein einziges großes Kommissionsgeschäft die Preise diktieren würde. Der Buch handel Hütte ein vitales Interesse an dem Bestehen eines Stammes von gesunden Kommissionsgeschäften. Die Reform des Börsenblattes wird als Sonderpunkt der Tagesordnung vorläufig zurückgestellt. Punkt -Schmutz- und Schundliteratur». Herr Paul Nitschmann - Berlin empfiehlt, die verbotenen Bücher in gewissen Zeitabschnitten gesammelt bekanntzugeben, da jetzt die Gefahr bestehe, zur Verantwortung gezogen zu werden, ohne etwas dafür zu können. Die Liste könne aller 3 Monate erscheinen. Die etwaige Freigabe müsse natürlich ebenfalls veröffentlicht werden.