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6704 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^8 106, 8. Mai 1912. französische Publikum kunstgeschichtlichen Werken ein grotzes Interesse entgegenbringt, es kauft hübsch illustrierte Ausgaben selbst mit englischem oder deutschem Text, unbekümmert darum, ihn eventuell nicht lesen zu können. Wenn darum diese Werke mit französischem Text erscheinen, so hat der französische Buch handel nur Vorteil davon, weil so die Absatzmöglichkeiten er höht werden. Bcmerkenswerterwcise stellt darum der Artikel des »Matin« nicht die Buchhändler, sondern die Buchdrucker und alle an der Herstellung des Buches beteiligten Berufe als geschädigt hin. Ich möchte bezweifeln, daß die eingcführten, in französischer Sprache gedruckten Werke der Aufmerksamkeit der Zollbehörde entgehen, da man bei vielen größeren Bücher sendungen die Wahrnehmung machen kann, daß sie revidiert worden sind. Eine Gesamt-Ausgabe der Werke Victor Hugos wird von der sehr rührigen Firma Nelson and Son veröffentlicht, die sich jetzt auch der Herausgabe von in spanischer Sprache verfaßten Werken widmet. Diese Firma muß über ein vor zügliches und leistungsfähiges Maschinenmaterial verfügen, denn wenn ich recht unterrichtet bin, druckt sie selbst eine in deutscher Sprache erscheinende Sammlung von billigen Ro manen, die einen reißenden Absatz hat. Um auf die im Anfang des erwähnten Artikels ange führte Untersuchung des französischen Buchhandlungs-Ge- Hilfen-Vereins zurückzukommen, kann man dem Korrespon denten des »Matin« nicht den Vorwurf ersparen, daß er den von ihm zitierten Artikel nicht sorgfältig genug gelesen hat. Denn von dem »plötzlichen Eindringen einer Legion deutscher Buchhandlungs-Gehilfen« war darin keine Rede, sondern nur davon, daß deren Zahl sich ständig steigere. In der Dezember-Nummer des Organs des französischen Gehilfen-Vereins wurde eine Untersuchung über »Die Aus länder im französischen Buchhandel« angeregt. Der Redakteur dieses »Bulletin« stellte in seiner Aufforderung dazu folgendes fest: Unter den verschiedenen Schädigungen, die den französi schen Buchhandel bedrohen, gibt es zwei, von denen die erste den französischen Gehilfen direkt schädigt, die zweite indirekt. Erstens: die sich von Tag zu Tag steigernde Anzahl aus ländischer Buchhandlungs-Gehilfen — fast ausschließlich Deutsche —, die in den Firmen ihrer Landsleute und, was lief bedauerlich, wegen ihrer geringen Forderungen auch in französischen Häusern Eingang finden. Die deutschen Gehilfen sind so zahlreich, daß sie sogar einen besonderen Verein grün den konnten. (Dabei besieht der Verein der deutschen und aus ländischen Buchhändler seit 27 Jahren, während der fran zösische Gehilsenverein erst vor ll Jahren gegründet wurde!) Aus diesem Milieu heraus rekrutieren sich die Chefs der zu künftigen ausländischen Buchhandlungen von Paris. Zweitens: die Vermehrung deutscher Firmen, die Ver lag, Sortiment und Antiquariat, Kommissionsgeschäft oder gar alle diese Zweige zusammen betreiben. Zum Unterschied von ihren englischen oder spanischen Kollegen, die fast aus schließlich Depositäre englischer, resp. spanischer Literatur sind, verwenden diese Häuser ihre Sorgfalt auf die Herausgabe französischer Werke und belegen den Vertrieb des französischen Buches mit Beschlag. Durch das Kommissions-System ge langen sie dahin, den Büchermarkt zu beherrschen, zum großen Nutzen und zur noch größeren Ehre des »Deutschtums«. Hieran schließt der Verfasser die Bitte an seine Kollegen, ihm Material über alle Ausländer im französischen Buchhandel zukommen zu lassen, um ein Heilmittel gegen dieses »öko nomische übel« zu suchen. Daraufhin ist folgendes festzustcllen: Deutsche und sonstige ausländische Gehilfen können zumeist nur in den Pariser Kommissionsgeschäften Anstellung finden, in ganz beschränkter Anzahl auch in den Sortimenten, die ausländische Literatur vertreiben. In rein französischen Verlags- oder Sortimentsgeschästen werden fast nie Ausländer angestellt. Eine Ausnahme machen nur einige große Verlagshäuser, deren lebhafte Verbindung mit den deutschsprechenden Ländern es erforderlich macht, einen Angestellten zu haben, der deutsch korrespondieren kann und die Organisation des deutschen Buch handels kennt. Für solche Posten engagieren diese Häuser jedoch mit Vorliebe Elsässer oder Schweizer, Deutsche nur in Ausnahmefällen. Sicherlich würde die Mehrzahl der franzö sischen Firmen lieber mit seßhaftem französischem Personal arbeiten, als mit ausländischem, das notgedrungen von Zeit zu Zeit wechselt. Da es aber nur ganz wenige französische Ge hilfen gibt, die eine genügende Kenntnis der deutschen Sprache und des deutschen Buchhandels haben, sehen die Prinzipale sich gezwungen, Ausländer zu engagieren. Der Franzose verläßt nicht gern seine Heimat, um im Auslande fremde Sprachen zu erlernen und seine beruflichen Kenntnisse zu erweitern. Besonders schwer fällt es ihm, sich an die geregelte deutsche Arbeitsmethode zu gewöhnen. Ein französischer Gehilfe, der längere Zeit in Leipzig tätig war, drückte mir seine Verwunderung darüber aus, daß er dort Angestellte gesehen habe, die morgens um 8 Uhr an ihr Pult ginge» und daran bis Mittag tätig waren, ohne auch nur eine einzige Zigarette zu rauchen. Wie wenig ausländische und speziell deutsche Gehilfen in rein französischen Häusern arbeiten, geht auch daraus her vor, daß auf die angeregte Untersuchung des französischen Gehilfenvereins, nachdem nun ein Vierteljahr vergangen, bis heute kein Ergebnis veröffentlicht wurde. Man kann daraus schließen, daß entweder keine Antworten eingegangen sind oder etwaige Mitteilungen nichts Neues zu dieser Frage bei trage» konnten. Glücklicherweise aber läßt sich feststellen, daß einsichtsvolle Franzosen ihre ausländischen Kollegen nicht als »Eindringlinge« behandeln, sondern sie als notwendige Mit arbeiter für den Vertrieb des französischen Buches im Aus lände schätzen. Eins der erfolgreichsten Bücher der letzten Zeit war » 6 « gus ja psux Orrs« von Arthur Meyer, dem bekannten Direktor des »Oaulois«. Der Band enthält die persönlichen Erinnerungen des Verfassers, und bereits am Erscheinungs tage wurden davon 12 000 Exemplare abgesetzt, davon allein 7000 in Paris; heute ist der Verleger beim 40. Tausend. Als ein wichtiger Faktor für diesen Erfolg kann neben der Bekanntheit des Autors auch der Umstand angesehen werden, daß die Direktoren der wichtigsten Pariser Tageszeitungen dadurch für ihren Kollegen Reklame machten, daß ganze Spalten seines Werkes auf der ersten Seite der Zeitungen abgedruckt wurden. Man hat ausgerechnet, daß diese Reklame, wenn sie hätte bezahlt werden müssen, auf über 100 000 Frcs. gekommen wäre. Unter dem Vorsitz des bekannten Senators B^renger fand vor kurzem der 2. Kongreß der »Nationalen Gesellschaften gegen die Pornographie« statt. M. Pourcksie, der Agent des Bundes für öffentliche Sittlichkeit, erstattete einen Bericht über »Die Bilanz der Pornographie«. Er beleuchtete alle Mittel der Korruption, die der Bund bekämpft: die unsittliche Propa ganda durch Theater, Music-Halls und Cafö-Concerts, Kino- thcater, Jahrmärkte und anatomische Museen, Albums mit Nacktaufnahmen, obszöne Photographien und Gegenstände. Als Gegenmittel fordert er die Umänderung gewisser Gesetze und die Befugniserteilung an Gesellschaften, gegen die Porno graphie gerichtlich Vorgehen zu können. In der sich anschlie- tzenden Debatte erklärte M. Michaud, der Vorsitzende des Pariser Sortimenter-Syndikats, unter dem Beifall der An wesenden, daß sein Verein den Bestrebungen für die Gesun dung der Literatur ein warmes Interesse entgegenbringe. Ein