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790 Börsenblatt f. d. Dtschir. Buchhandel, Nichtamtlicher Teil, 15, 20, Januar 1910. Kreidemanier erleichterte die Wiedergabe von Handzeichnungen wesentlich. Der Elfinder der Kreidemanier ist Jean Charles Francois (1717—69), der sein Verfahren in Dijon ersann, dann in Paris vervollkommnete und hier, vom König von Frankreich mit einer Jahrespension bedacht, eine Reihe von Blättern nach älteren Meistern herausgab. In diesen für ihre Zeit außerordentlich getreu gehaltenen Reproduktionen erreichte er so ziemlich den Charakter von Kreidezeichnungen, Ein ähnliches Talent war Louis Bonnet (geb, um 1735), der nicht nur einfache Zeichnungen in zwei Kreiden, sondern auch wirkliche Pastellmalereien mittelst der Kupfervlatts so täuschend nachzuahmen wußte, daß man das Korn des Pastellstists vor sich zu haben glaubt. Besonderen Rus erlangte Bonnet dadurch, daß er einen von ihm erfundenen weißen Farb stoff als letzten Druck auf das Papier auftrug, was ungleich günstiger wirkt, als der gewöhnlich eingeschlagene Weg, den Papiergrund für das Weiß der höchsten Lichter des Bildes zu benutzen. In der Tat ist bis heute nie mand imstande gewesen, mit reinem Weiß zu drucken, doch hat auch Bonnet Retouchen mit Hand und Pinsel nicht umgehen können. Gilles Demarteau (1729—1776) wandte die Kreidemanier auf die Nachbildung leichter Skizzen von Boucher, Huet, Eisen sehr geschickt an. In Amsterdam beschäftigte sich Cornelius Ploos van Amstel (1726—98) mit der Wiedergabe von Handzeichnungen alter holländischer Meister durch den Farbdruck, In Deutschland suchen Johann Theophilus Prestel (1739—1808), seine Frau Katharina und seine gleichnamige Tochter Zeichnungen alter Meister aller Schulen farbig nachzubilden. Die von der Familie Prestel an gefertigten Faksimiles der Sammlung Praun in Nürnberg (er schienen 1778—80) und anderer kleinerer Sammlungen geben den Charakter der Originale ansprechend wieder. Farbdrucke von Schabkunstplatten stellten Johann Peter Pichler in Wien, von punktierten Platten Heinrich Sintzenich und Daniel Berger in Berlin her. Die auskommende Lithographie ließ den Kupser- sarbendruck, der erst jetzt wieder von verschiedenen Künstlern aus genommen worden ist, in Vergessenheit geraten. L. Kleine Mitteilungen. Aus Del Becchios graphischem Kabinett. — Gegenwärtig zeigt C. Felber-Dachau in Del Vecchios graphischem Kabinett in Leipzig stimmungsvolle und tonschöne Landschaftsbilder, die, in Aquatinta-Manier ausgesührt, eine Reihe interessanter Natur motive in großen Zügen wiedergeben. In ihnen vereinigt sich großzügige, das Wesentliche betonende Naturausfassung mit feinem Empfinden für den poetischen Gehalt der Landschaft. Die Bilder führen uns vornehmlich reizvolle Auenlandschaften und Dorfmotive vor Augen, in denen die wechselnden Stimmungen des Tages, des Abends und der Nacht zu vollem Ausklang gelangen. Auch einige Gewitter- und Mondscheinstimmungen befinden sich darunter. Aus der Reihe dieser schönen Blätter seien besonders hervorgehoben: »An der Amper«, »Pollnhof am Abend«, »Alte Häuser in Dachau«, »Hubertshausen im Mondschein« und »Abend an der Mittendorser Brücke«. Neben diesen Motiven deutschen Charakters findet sich auch noch ein wirkungsvolles Blatt »Vene« tianischer Kanal im Mondschein«. — Müller-Wolkenstein ist mit mehreren farbigen Original-Lithographien vertreten, die haupt sächlich Pflanzenmotive in stilistischer Ausführung geben und an japanische Vorwürfe anklingen. Ferner bieten noch Hela Peters- Leipzig und R. Dahm-München mehrere ansprechende Radie rungen figürlichen und landschaftlichen Charakters. Ernst Kiesling. Graphische Blätter bei Bcher ä- Lohn in Leipzig. — Unter den Graphikern, die sich zurzeit bei Beyer L Sohn in Leipzig eingesunden haben, nehmen die Arbeiten von Joseph Uhl besonderes Interesse in Anspruch, einmal durch die unfehl bare Sicherheit der technischen Behandlung, das andere Mal durch die in den Schilderungen Uhls zum Ausdruck kommende Gedankenkunst. Von den in der Mehrzahl dargebotenen Blättern aus dem Reiche der Phantasie und Mystik seien hier unter anderen als Motive genannt: »Die Opfer der Narrheit«, »Die Schande«, »Die Melancholie« und der »Lauf der Welt«. Leider muß man aber sagen, daß der Künstler bei aller Bedeutung als Radierer und Charakterschilderer das Gedankliche nur obenhin gestreift, ja oftmals dem tiefen Gedanken eine banale Form ge geben hat. Wer so tiefsinnige philosophische Probleme bildlich verkörpern will, muß eben selbst ein tiefer Denker sein, um den Inhalt des Gedankens voll erschöpfen zu können und dem Beschauer glaubhaft zu machen. Die graphischen Schöpfungen Klingers, in denen uns eine so reiche, blühende Gedankenwelt entgegentritt und in denen der grüblerische Sinn eines geistig hochstehenden Mannes sich in wundersamer uud einzigartiger Bildersprache äußert, hat schon manchen verführt, es ihm nachtun zu wollen. Meistens hat sich dabei aber gezeigt, daß das Wollen größer war als das Können. So auch bei Uhl. Man muß es bedauern, daß der Künstler sich Aufgaben gestellt hat, die seinem Können nicht voll entsprechen. Das »Porträt des Radierers Willy Geiger«, in dem eine feingeistige Künstlerpersönlichkeit mit außerordentlich lebenswahren Zügen wiedergegeben ist, halte ich für wertvoller als die übrigen hier ausgestellten Darstellungen Uhls, die das rein Gedankliche zum Ausdruck bringen wollen. Ernst Kiesling. Eine Bibliographie der Schlafkrankheit. — Das Bureau zur Erforschung der Schlafkrankheit in London hat soeben, wie »llanest« mitteilt, eine Bibliographie der Schlafkrankheit heraus gegeben (ölblwAraph^ ok Tr^yanosomiasie. Oornpileck 0. .4. 'Itrirnin lübrarian ok tbo LlespinA 8ielcnss8 Uureau. I^sueck uucker tbs äireetion ok rbs Honorar^ NirnaqrnA l-oannittee. llonäon, LlsepinA 8ielrnss8 Lareau), die alle bekannt gewordenen Original arbeiten und Abhandlungen über die Schlafkrankheit, sofern sie vor dem 1. April 1909 erschienen sind, ferner auch alle Abhand lungen über die Tsetse-Fliege, insbesondere dlo^sina xalps.li8 um faßt. Die von C. A. Thimm, dem Bibliothekar des Schlas- krankheits-Bureaus, unternommene Zusammenstellung hat den Erfolg gehabt, daß nahezu 2000 Abhandlungen in dieser Bibliographie vereinigt werden konnten. Wie natürlich, sind unter den Verfassern vorzugsweise Angehörige der an der Erforschung und Bekämpfung der Schlafkrankheit durch ihren afrikanischen Kolonialbesitz interessierten Länder, also Engländer, Deutsche, Franzosen, Belgier und Portugiesen vertreten. Die Anordnung ist alphabetisch nach den Namen der Verfasser, wobei jeweils die Zeitschriften angegeben sind, in denen die einzelnen Abhand lungen erschienen; außerdem ist, wie der Direktor des Bureaus vr. Bagschawe im Vorwort mitteilt, ein Sach-Jndex in Vor bereitung, der den behandelten Gegenstand nach den einzelnen Krankheitsformen angeordnet enthalten und den Beziehern des Werkes besonders nachgeliefert werden wird. Die Literatur über die Schlafkrankheit ist in raschem Wachsen begriffen, und es werden daher diejenigen einschlägigen Abhandlungen, die nach dem 31. März 1909 erschienen sind, in Nr. 6 des »Lisexinz 8>Licne88 Oudsiin«, sowie den folgenden Nummern veröffentlicht werden. Über den großen Nutzen dieser Bibliographie, die das große Gebiet der Literatur über die Schlafkrankheit erstmals der allgemeinen Benutzung erschließt, kann kein Zweifel sein. (Nach: »Tbs I-anoot.«) Die 1»0V. Nummer der »Olirqus«. — Am 8. Januar 1910 erreichte das englische Fachblatt »Ille 6ligus«, das dem englischen Buchhandelsverkehr als Vermittler zwischen Angebot und Nach frage im Antiquariatsverkehr dient, seine tausendste Nummer. Aus diesem Anlaß macht der Herausgeber des Blattes einige Angaben über die Geschichte und Entwicklung dieses Blattes, die bei der Eigenart und geringen Bekanntheit dieses nicht mit Unrecht »einzig« genannten Blattes auch in deutschen Fachkreisen interessieren dürsten. Im Jahre 1890 war der gegenwärtige Herausgeber des Blattes in zwei mittelenglischen Städten als Anüquar tätig, wobei er namentlich die Erlangung seltener und vergriffener Werke als Besonderheit Pflegte. Damals gab es in England wenig Zeitschriften, in denen man Suchlisten veröffent lichen konnte, und sie erschienen zudem in langen Zeitabständen — »Ibe Loolr8sller« nur einmal im Monat und »Bbo Lubl^bew' Oiroular« nur einmal alle 14 Tage. Dies machte es notwendig, eigene mechanisch vervielfältigte Suchlisten herzustellen, die den bedeutendsten Buchhändlern Englands mit der Post zugeschickt wurden. Infolgedessen kam Mr. Murray auf den Gedanken, daß die Herausgabe einer kleinen Wochenschrift, die solche Suchlisten enthielt, nicht nur für ihn selbst, sondern auch