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Wirkung mit dem Weiß des Papiers lassen sich mit dem ange gebenen Verfahren, wenigstens der Theorie nach, alle in der Natur vorkommenden Farbentöne Hervorbringen; doch haben schon Le Blon und seine unmittelbaren Nachfolger für die tiefsten Töne eine schwarze oder eine sattbraune Platte zu Hilfe nehmen müssen. Ohne sein Verfahren zu offenbaren, zeigte Le Blon seine ersten »gedruckten Gemälde« einigen Bewunderern, darunter dem Prinzen Eugen von Savoyen und, wie man sagt, dem be rühmten Grafen Charles von Halifax, dem Schüler und späteren Gönner Newtons und Gründer der Bank von England. Le Blon gab sich der übertriebenen Hoffnung hin, daß in seiner Erfindung ein Vermögen stecke; aber er konnte dafür weder Patent noch finanzielle Unterstützung erlangen, obwohl er sich in Amsterdam, im Haag und in Paris darum bemühte. Die Sache Le Blons nahm jedoch eine günstige Wendung, als er mit dem Obersten Sir John Guise zusammentras. Guise war ein begeisterter Kunstliebhaber und Gemäldesammler, ein tapferer Soldat mit einem Hang zu phantastischer Übertreibung und gerade der Mann, der für die Person und für die Erfinder pläne Le Blons interessiert werden mußte. Guise wußte den Künstler leicht zu bewegen, nach London zu kommen, wo er ihn bei verschiedenen einflußreichen Personen einführte und das Interesse des Königs Georg I. von England gewann, der ein königliches Patent zusagte und gestattete, daß sein Bildnis nach dem neuen Farbdruckverfahren hergestellt wurde. In diesem von Schabkunstplatten gedruckten Porträt Georgs I. ist die Wirkung einer Malerei in satten leuchtenden Farben erstaunlich gut erreicht wie denn dieses merkwürdige Werk als Kupferfarbendruck bis auf den heutigen Tag in seiner Art unübertroffen geblieben ist (Lipp- mann, a. a. O.). Einzelnes, wie die Perücke, ist mit dem Stichel ausgeführt. Vielleicht den besten Abdruck des Blattes bewahrt das Berliner Kupferstichkabinett. Nunmehr wurde 1721 in London eine Gesellschaft zur Aus nützung des Patents gegründet, die eine als »tbs Lioture Oktioe« bekannte Anstalt errichtete, während Le Blon das Unternehmen leitete. Alles versprach die besten Aussichten; der öffentliche Kredit war nach dem Südseeschwindel eben wieder hergestellt, die Anteile der Gesellschaft wurden in beträchtlichem Umfange vom Publikum ausgenommen, und eine Zeitlang ging alles gut. Ein interessanter Prospekt wurde ausgegeben, der ein Verzeichnis von Farbdrucken nach Gemälden, hauptsächlich religiösen und mythologischen Inhalts, nach Maratti, Annibale Carracci, Tizian, Corregio, van Dyck, brachte, nach denen Färb- stiche teilweise in der Größe der Originale zu den mäßigen Preisen von zehn, zwölf und fünfzehn Schillingen hergestellt werden sollten. Lord Percival, der Freund Popes, der wie Oberst Guise dem Unternehmen beigetreten war, war von den Ergebnissen entzückt. Als er seinem Bruder einige der neuen Farbstiche übersandte, schrieb er ihm dazu: »Unsere modernen Maler können mit ihren Farben kaum Ähnliches erreichen, und wenn sie eine Kopie machen, lassen sie uns ebensoviel Guineen dafür bezahlen, als wir jetzt Schillinge ausgeben.« Dieser Enthu siasmus Lord Percivals mag vielleicht einige Berechtigung haben, wenn wir z. B. Le Blons Madonna nach Baroccio — die in dem Prospekt mit fünfzehn Schilling angesetzt ist — mit einem gleichzeitigen Gemälde, etwa mit einem im South Kensington- Museum befindlichen Stück von James Thornhill nach einem Hause in Leadenhall Street vergleichen. In bezug auf Farben qualität ist vielleicht wenig Unterschied zwischen beiden; aber als Muster eines wirklichen Farbstiches und als erstes seiner Art ist dieses Blatt der Madonna wundervoll; auch ist es fraglich, ob ihm an Glanz des Tones ein späteres Mezzotintfarbenblatt nahekommt. Das genaue Zusammenpassen der Farbenwerte war indessen gesichert, als 1776 das Verfahren von Robert Laurie auskam, nach dem von einer einzigen Platte gedruckt wurde, die sämtliche Farben aufgetragen erhielt. Le Blons »Gemäldeanstalt« hatte jedoch bald mit Schwierig keiten zu kämpfen. Im März 1722 schrieb Lord Percival: »Das Gemäldeprojekt hat unter schlechter Verwaltung gelitten, wird aber noch sehr verbessert«. Trotz dieser Verbesserung wurde jedoch unter dem Vorsitz des Obersten Guise eine Versammlung der An teilhaber abgehalten und Le Blons Geschäftsführung streng ge tadelt. Die Aktionäre scheinen Le Blon ganz in der heute üblichen Weise durchgehechelt zu haben, während Le Blon in erregter Weise jeden ihm gemachten Vorwurf als unbegründet zurückzuweisen suchte. Gegen Ziffern war aber nicht anzukommen. Mit einem Kostenaufwande von 6000 Psd. Sterl. hatte Le Blon 4000 Stück seiner Farbdrucke von 25 Platten hergestellt, die einen reinen Verlust von 2000 Psd. Sterl. ergeben hätten, wenn sie alle zu den festgesetzten Preisen verkauft worden wären Sogar Oberst Guise konnte einer solchen ungenügenden Geschäftsführung nicht zustimmen. Die Gesellschaft wurde umgewandelt und ein neuer Geschäftsführer namens Guine bestellt, der ein billigeres und vorteilhafteres Verfahren zur Herstellung der Drucke einführte. Alle Bemühungen waren jedoch vergebens Drucke im Werte von nur 600 Psd. Sterl. wurden mit einem Kostenaufwande von 9000 Psd. St. hergestellt, während ein anderes Unternehmen Le Blons, die Tapetenherstellung, ein noch kläglicheres Resultat ergab. Die Folge war natürlich Bankerott, bei dem Le Blon mit genauer Not dem Schuldgefängnis entging. Obwohl der noch im Versuchszustande steckende Farbstichdruck sich als künstlerisch vielversprechend erwies, brachte er doch einen finanziellen Mißerfolg. Le Blon war jedoch nicht entmutigt, sondern suchte seine Grundsätze und sein Verfahren in einem kleinen Buche zu erklären und zu rechtfertigen, das er: »Loloritto, or tbs llarrnon^ ok Oolourinq in kaintinA, rsckuosä Io wsobanioal praotios, unckor prsespte anck inkallidlo rulss« nannte. Diese Schrift widmete Le Blon dem ersten Lord des Schatzes Sir Robert Walpole in der Hoffnung, daß dieser Herr, der eben die Finanzen Englands geordnet hatte, vielleicht auch etwas dafür tun könnte, den Kredit eines erfinderischen Künstlers wieder her zustellen. Zunächst wurde Le Blon gestattet, seine Erfindungen zur geneigten Kenntnis der Londoner Akademie der Wissenschaften zu bringen. Obwohl Le Blon immer abwechselnd vom Glück begünstigt und vernachlässigt wurde, hielt er doch unerschütterlich an dem Glauben an sich selbst und an seine Gedanken fest; er besaß sogar die Gabe, diesen Glauben anderen beizubringen. Schließlich führte der Plan, Raffaels Kartons als Tapeten in Chelsea nachzuahmen, einen weiteren finanziellen Mißerfolg und Mißkredit herbei, und Le Blon war genötigt, aus England zu fliehen. Er ging nach Paris, wo er den Farbenstich wieder aufnahm und verschiedene Schüler und Nachahmer, darunter I. F. G. Dagoty, aneiferte und beeinflußte. 1741 starb Le Blon in Paris, sehr arm, aber immer noch an seinen Kupferplatten arbeitend. Ohne Zweifel hat Horace Walpole während dieser letzten Pariser Jahre Le Blon getroffen: »Er war ein Flämefl) und keineswegs mehr jung, als ich ihn traf, aber überraschend lebhaft und zungen fertig; ein ausgezeichnet technisch veranlagter Kopf, aber ein Allerweltsplänemacher mit wenigstens einer der Eigenschaften, die dazu gehören, entweder ein Betrogener oder ein Betrüger: ich glaube das erstere, obwohl, da die meisten seiner Pläne fehl schlugen, die davon Betroffenen ihn für einen Betrüger hielten. Als großer Enthusiast war er vielleicht wie die meisten Ent husiasten ein wenig beides zusammen«. Tatsächlich war aber Le Blon weder ein Betrogener, noch ein Betrüger; er war ein fach ein Bahnbrecher mit all dem Mute seiner Einbildungs- und Erfindungskraft, der trotz aller seiner Mißerfolge und Mängel genug künstlerische Wichtigkeit besitzt, um die Monographie zu verdienen, die ihm Hans W. Singer 1900 gewidmet hat. Wenn Le Blon durch zweckmäßigere Auswahl der wieder zugebenden Gemälde verstanden hätte, Nachfrage beim großen Publikum zu schaffen und dadurch das allgemeine Vertrauen zu seinem Unternehmen zu gewinnen, so würde die Geschichte des Farbenstichs vielleicht eine andere und reichere sein. Denn Le Blons schließlicher Mißerfolg wurde nicht durch die ver hältnismäßige Unmöglichkeit verschuldet, unfehlbar die erforder liche Harmonie der Farbenwerte mit den drei Haupt farben gelb, blau und rot zu erlangen, noch durch die Notwendig, keit, eine schwarze vierte Platte beizufügen, oder durch die Schwierig keit, ein genaues Register zu erzielen, das zur vollkommenen Verschmelzung der Farbentöne mehrerer Platten wesentlich ist. Diese ernsten Hindernisse hemmten entschieden den vollständigen künstlerischen Erfolg; aber, nach der überraschenden Vortrefflichkeit der besten von Le Blon ausgesührten Blätter zu urteilen, wären die Schwierigkeiten für alle praktischen Zwecke zweifellos über- wunden worden. Die wirkliche Ursache des Mißerfolgs war