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8228 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 160. 14. Juli 1910. München 1888« u. a., auch solche der bildenden Kunst (»Hand zeichnungen alter Meister«, Carl v. Lützow, »Die Kunstschätze Italiens«, »Architektonische Rundschau«, Lambert und Stahl. »Motive der deutschen Architektur des 16.—18. Jahrhunderts« u. a.), Bon anderen gediegenen, schnell bekannt und beliebt gewordenen Verlagswerken sei hier nur das gangbarste genannt: Marie Susanne Kübler, »Das Hauswesen«. Sehr verdient hat sich der Verlag gemacht mit Herausgabe vorzüglicher Holzschnitt-Prachtwerke, großer, schöner Foliobände, die allen Beteiligten zur Ehre gereichen: »Italien« und »Das Schweizerland«. Sie erregten bewunderndes Aufsehen, und die bereitwillige Aufnahme, die sie in der weiten Öffentlichkeit fanden^ war ein wohlverdienter Beweis allgemeiner uneingeschränkter An erkennung. Von großen Sammelwerken des rührigen Verlages ist ein sehr bedeutendes, »v. Lützow, Die Kunstschätze Italiens« hier schon genannt; ihm stellt sich eine nicht weniger bedeutende Bändereihe: »A. Kirchhofs, Forschungen zur deutschen Landes und Volkskunde« zur Seite, ferner: Ratzels »Bibliothek geographi scher Handbücher«, als bedeutendstes Unternehmen aber darf die 1884 begonnene lange Reihe »I. Engelhorns allgemeine Roman bibliothek« angesprochen werden, von der seit ihrem Beginn über 500 gebundene Bände erschienen und in großen Auflagen ver breitet sind. Noch manches andere gediegene Werk des I. Engel- hornschen Verlages wäre heute hier in Erinnerung zu bringen, doch sind sie dem Buchhandel alle aufs beste bekannt. Im September 1874 trat Herr Carl Engelhorn (geboren I. März 1849) dem Vater als Teilhaber der Firma zur Seite und war ihm lange Jahre eine wertvolle Stütze. Am 1. Oktober 1890 zog sich der unermüdlich tätige Vater zum wohlverdienten Ruhestande zurück. Am 10. Mai 1897 schloß der liebenswürdige Mann die Augen zur ewigen Ruhe, tief betrauert von allen, die ihm nahestanden, vom ganzen süddeutschen und deutschen Buch handel. Mit seiner reichen Erfahrung, mit fester Hand und feinem Verständnis für die Forderungen der Zeit hat Herr Kom merzienrat Carl Engelhorn nun seit zwanzig Jahren das große Geschäft als dessen alleiniger Inhaber geleitet, das Erbe des Vaters reich gemehrt, den alten Ruf des bewährten Ver lages gefestigt. Wie schon sein Vater im süddeutschen Buchhandel mit Eifer und Opferfreudigkeit sich des beruflichen Gemeinwohls angenommen hat, so hat auch der Sohn mit Hingebung im Süddeutschen Buchhändlerverein gewirkt und dessen Vorsitz von 1891 bis 1897 geführt. Im Börsenverein hat er von 1892 bis 1894 dem Nechnungsausschuß angehört. 1894 berief ihn das Vertrauen seiner Kollegen in den Vorstand, dem er bis 1897 als II. Schatzmeister angehört hat, 1897 wurde ihm das höchste Ehrenamt des Börsenvereins, das des 1. Vorstehers des Börsenvereins, übertragen, dessen arbeits- und verantwortungs voller Aufgabe er mit hingebendem Eifer und dankbar anerkanntem Erfolge gerecht wurde. Er führte das Amt bis 1901. 1904 war er im Ausschuß zur Abänderung der Satzungen des Börsenvereins tätig und ebenso 1909 in dem zu gleicher Aufgabe berufenen außerordentlichen Ausschuß. Mit aufrichtigem Dank und inniger Teilnahme — in treuem Gedenken an den entschlafenen verdienten Gründer des Hauses — begleitet der deutsche Buchhandel den heutigen Festtag. Den sicher zahlreichen Glückwünschen von Kollegen und Freunden schließen wir in aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit die unsrigen an für dauerndes, weiteres gesegnetes Wirken des hoch- geachteten Verlages und persönliches Wohlergehen aller ihm An gehörigen. Red. * Bom Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Unzüchtige Ansichtspostkarten sind am 30. Dezember v. I. vom Landgericht Stuttgart im objektiven Verfahren auf Antrag des Staatsanwalts eingezogen worden, um unbrauchbar gemacht zu werden. Der weitergehende Antrag des Staatsanwalts auf Unbrauchbarmachung der Platten und Formen wurde abgelehnt, da diese auch zur Herstellung von Bildern in größerem Format zu verwenden sind und in diesem Fall eine Unzüchtigkeit nicht anzunehmen sei. — Auf die Revision des Staatsanwalts hob das Reichsgericht am II. d. M. das Urteil bezüglich eines Teiles der Postkarten auf, soweit nicht auf Unbrauchbarmachung der Platten und Formen erkannt ist. 8k. Born Reichsgericht. Wann darf man Postsachen, ohne sich einer Portohinterziehung schuldig zu machen, zu einer Kollektivsendung vereinigen? (Nachdruck ver boten.) — Eine die gesamte Geschäfts- und Handelswelt inter essierende Entscheidung hatte am 12. d. M. der V. Strafsenat des Reichsgerichts zu treffen durch die Beurteilung der Frage, ob und wann die zu einer sogenannten Kollektivsendung ver einigte Sammlung mehrerer portopflichtiger Postsachen den Bestimmungen des Postgesetzes widerstreitet und strafbare Portohinterziehung bedeutet. Es ist ein vom Reichsgericht wieder holt anerkannter Rechtssatz, daß, insoweit es sich lediglich um die auf zwei Personen begrenzte Korrespondenz handelt, diese durch das Postregal unbehindert sind, ihre Briefe zu Sammelsendungen vereinigt, sei es in Briefform, sei es in Paketform, verschlossen mittels der Post einander zugehen zu lassen. Ein Anspruch der Post, daß ihr jeder derartige Brief gesondert zur Beförderung über geben werde, besteht nicht. Zu besonderen Zweifeln geben nur die Fälle Anlaß, in denen unter Benutzung der Post zwei Korre spondenten einander zu Konvoluten vereinigte Postsachen zusenden, die aber dazu bestimmt sind, nicht im Gewahrsam des ersten Adressaten zu bleiben, sondern unter gewissen Modalitäten dem nächst weiterbefürdert zu werden. Der dem Reichsgericht erneut zur Beurteilung unterstellte Fall war folgender: Der Kaufmann R. in Köln, Inhaber eines Gold- und Silber warengeschäftes, war oft gezwungen, die ihm zur Reparatur über gebenen Schmucksachen an auswärtige Fabrikanten zur Herstellung zu senden. Seit Mai 1899 pflegte er zum Zwecke der Porto ersparnis solche reparaturbedürftige Gegenstände zu Sammel paketen vereinigt etwa sechsmal im Monat an die Zweignieder lassung W. L R. in Pforzheim zu senden, die es gegen eine jährliche Vergütung von 600 übernommen hatte, die Schmuck sachen zur Veränderung und Instandsetzung an bestimmte je nach der Art der notwendigen Reparatur zuständige Fabrikanten weiter zugeben. In den meisten Fällen waren die Namen der Fabri kanten von der auftraggebenden Firma schon bestimmt, gleichwohl aber war die Firma W. L R. in Pforzheim in jedem einzelnen Falle zur Prüfung und ev entuellen Änderung berechtigt. Solche Sammelpakete enthielten in der Regel einen Brief an die Firma mit dem ihr gewordenen Aufträge und etwa 40 ver schlossene oder unverschlossene Papierbeutel, in denen Gold- und Silberwaren sich befanden. Die Beutel trugen die Aufschrift: »Nr. . . von R.; kostet . . .; Beutel sind in diesem Zustande zu zusenden«. Nach beendeter Instandsetzung sammelte die Firma W. L R. die Gegenstände gleichfalls wieder und schickte sie eben falls zu Konvoluten vereinigt, an die Firma R. nach Köln oder direkt an den Besitzer zurück. Bei Reklamation eines beschädigten Sammelpaketes war die Postbehörde auf das zwischen beiden Firmen geübte Verfahren aufmerksam geworden und hatte gegen beide Strafbescheide wegen Portohinterziehung in Höhe von 2888 80 H für die Zu sendung und 6413 für die Rücksendung erlassen auf Grund von §8 1,2,27 des Neichspostgesetzes. Das Landgericht Köln hatte jedoch beide Bescheide ausgehoben und die Angeklagten frei gesprochen. Ein wesentliches Kriterium der Verletzung oder Nichtverletzung des Postmonopols bilde der Umstand, ob der erste Adressat einer solchen Gesamtsendung, bevor er die einzelnen Stücke weiter befördere, an den letzteren eine geschäftliche bzw. rechtlich relevante Manipulation vornimmt, oder ob er ohne jede selbständige Gebarung an oder mit denselben lediglich wie ein Bote mechanisch die Weiterbeförderung der einzelnen Stücke an die Adressaten bewirkt. In elfterem Falle liege nur eine auf zwei Personen begrenzte Korrespondenz vor, wobei gleichgültig sei, ob der erste Adressat aus eigener Entschließung und Wahl demnächst Veranlassung finde, die Sachen weiterzubefördern. Im letzteren Falle sei der erste Adressat lediglich einem Boten gleichzustellen, einem mechanischen Zwischenträger ohne eigenes materielles Interesse, dessen Tätigwerden dann unerlaubte Ver anstaltung eines Nebenpostverkehrs bedeute. Die Firma W. L N. in Pforzheim habe hinsichtlich der Zustellung der Schmuckstücke an die zuständigen Lieferanten und der Prüfung und Kostenberech nung der ausgeführten Reparaturen eine eigne geschäftliche, rechtlich relevante Tätigkeit entfaltet. Das von beiden Firmen geübte Verfahren stelle sich demnach als eine lediglich auf zwei Personen begrenzte Korrespondenz dar und bedeute keine strafbare Portohinterziehung.