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Redaktioneller Teil. ^1° 206, 4. September 1922. in den Fingerspitzen haben!), sodatz er im Monats durch schnitt zum Wiederbeschaffungspreis verkauft. Schematisch gedacht, wird er dann vom I. bis 10. einen Übergewinn machen, vom 18. bis 28. einen normalen Gewinn und vom 26. bis 36. mit einem Minus verkaufen, das den Übergewinn der ersten Dekade aufzehrt. Solange die Markentwertring in einem noch einigermaßen übersehbaren Ablauf vor sich ging, war der Zustand halbwegs noch erträglich. Gegenwärtig aber, wo die Mari der österreichi schen Krone in tollen Sprüngen nachstürzt, wird der Verleger Wohl mindestens alle 14 Tage, wenn nicht öfter, neue Preise sest- setzen müssen, um sein Kapital nicht gar zu schnell abzuwirtschaf. ten. Um eine jedesmalige genaue Kalkulation kann es sich dabei kaum handeln, dazu ist alles viel zu sehr im Fluß, sondern man wird oft mehr oder minder »instinktmäßig--, nach dem Stand der Tarife der Drucker, Buchbinder, der Löhne und Gehälter und nach den Preisen für Papier, Brot, Schmalz usw., kurz nach dem ganzen Komplex der Teuerungssaktoren sich orientierend, im Halbdunkel das richtige Tempo suchen müssen, um »mitzugehen-. Wer das Teinpo zu kurz hält, wird stets im Nachteil sein, denn er wird ganz bestimmt um so ärmer, je mehr er verkauft; wer das Tempo zu flott nimmt, verringert Wohl eine Zeitlang seinen Ab satz, behält aber sein Kapital. Im übrigen braucht der letztere sich auch deshalb schon keine grauen Haare wachsen zu las- sen, weil ihn die Preisslut nur zu bald wieder eingeholt haben wird. Hier tritt nun das Problem für das Sortiment in die Er scheinung. Der Verleger kann Wohl alle 14 Tage und noch öfter seine neuen Preise bekanntgcben, aber das Sortiment kommt mit dem Umzeichnen dann vollends nicht mehr nach. Für den Sorti menter ist dann die Folge die, daß er den sicher erheblichen Teil seines Lagers, der jeweils noch veraltete Preise trägt, zu billig verkauft und also auch er sein Betriebskapital täglich ab baut. Er wird ärmer und ärmer, je besser sein Laden geht. Für die nächste Zeit ist aber sicher mit einer sprunghaft weitergehen den Verteuerung auch der Mlgemcinkosten (Gehälter, Löhne, Packmaterial, Frachten, Porti, Licht, Heizung usw.) zu rechnen, und die Gefahr des »Mchimitkommens« scheint mir für das Sor timent größer noch als für den Verlag, der aber seinerseits ein großes Interesse daran hat, daß sich das Sortiment nicht aus powert. Bis vor kurzem noch war es eher umgekehrt, der Verlag verkaufte sich arm und das Sortiment glich für sich den wirtschaft lichen Unverstand des Verlages durch seine Zuschläge aus. Wie kann nun das Sortiment, bei der völligen, anerkannten Un- Möglichkeit, mit dem Umzcichnen nachzukommen, seine Anspowe- rung verhüten, d. h. mit den Preisspiralen Schritt halten? Da sehe ich nur zwei Möglichkeiten. Die erste ist sehr radikal und gleicht dem letzten Befehl, den der Kapitän auf einem englischen Schiffe gibt, wenn es in Seenot ist und keine Leitung und Führung an Bord mehr einen Sinn und Wert hat: svee^dock^ kor üim- sslk! »Jeder für sich selbst!« Das hieße, daß der Sortimenter da, wo er nicht mit Gewißheit den »neuesten- Preis ausgezeichnet hat, einfach dem Gefühl nach das Buch wertet — es gibt ja Vergleichsobjekte genug — und »seinen- Ladenpreis fcstsctzt. In Gottesnamen, weil er sich anders nicht zu helfen weiß! Damit rettet er sein Betriebskapital und erhält er sich dem Verleger als kaufkräftiger Abnehmer. Um den Preis freilich des sagenhaften »festen« Ladenpreises, mit dem es etwa dieselbe Bewandtnis hat wie mit den österreichischen Banknoten, auf denen steht, sie wür den »in gesetzlichen Metallgelde- eingelöst. Die Wirklichkeit sieht anders aus, und im Leben muß man mit Wirklichkeiten rechnen, andernfalls man zu den Utopisten zählt. Natürlich dürfte das »Jeder für sich selbst!« nur so lange gelten, bis es wieder möglich ist, zu geordneten Zustän« den z u r ü ck z u k e h r e n. Solange das aber nicht möglich ist, ist es besser, jeder einzelne schlägt sich durch, so gut er kann, und bleibt wirtschaftlich gesund, als er opfert sich, d. h. sein Betriebs kapital einer schönen Erinnerung aus der Vergangenheit. Die ängstliche Sorge, der Verleger liefere dann vielleicht bil liger direkt ans Publikum, oder die Konkurrenz würde billiger verkaufen, scheint mir überflüssig zu einer Zeit, wo das Publi kum jeden Maßstab dafür, was billig oder teuer ist, verloren hat, i2Sr mit anderen Worten: wo die Mark gar kein Maßstab mehr isü sondern ein Kautschukband, und wo kein Mensch mehr weiß, was denn ein Tauscndmarkfchein wert ist. »Billig- ist heute alles das, von dem anzunehmen ist, daß es in kurzer Zeit teurer sein wird. Ein Pfund Schmalz war vor zehn Tagen deshalb »billig«, weil es damals 126 Mk. kostete und jetzt 220 Mk. Tausend Mark vom 1. Juni sind etwas ganz Verschiedenes von 1066 M. vom 1. Juli, und die 1600 Mt. vom 1. August sind hiinmclweit verschieden von 1006 Mk. vom I. September. Im Grunde stehen wir ja mitten im Bankerott unseres Gelddenkens, und jeder empfindet es jetzt, daß Geld nur ein Dcnkbegriff ist und kein realer Wert. In dem Paradox klingenden Gemeinplatz unserer Tage: Geld ist wert los- kommt das deutlich zum Ausdruck. Angesichts dieser funda- mentalen Umwertung aller Werte, wie sie die im Gange befind liche Auflösung unseres Geldbegriffcs darstcllt, kommt es wahr haftig nicht darauf an, ob der X ein Buch heute für 260 Mk. ver kauft, das -der U heute für 225 Mk. feil hat, dieweil übermorgen der L das Buch nicht unter 250 Mk. abgeben würde, — wenn er es noch hätte. Die andere Möglichkeit ist die der Rückkehr zum Goldmark- Preis, einheitlich im ganzen deutschen Buchhandel. Auf diesen Goldpreis kämen je nach den (vom Börsenverein etwa) festzu setzenden Indexziffern die Zuschläge, die den Unterschied zwischen Gold und Papier ausgleichen. Grundsätzlich bin ich für dieses System; es ist dem »Jeder für sich selbst- entschieden vorzuziehen. Nur ist die Frage die, ob wir bei der leider so bekannten Klein lichkeit im Buchhandel mit diesem System herauskämen, ehe bereits unwiederbringliche große Verluste namentlich beim Sorti ment eingetreten sind. So viele Buchhändler, so viele kleinliche Sonderinteressen (oft nur eingebildete!) — da wird es Nacht werden, ehe wir uns alle aus das Goldprinzip mit so und so vielen Kompromissen und Halbheiten und Ausnahmen geeinigt haben. Inzwischen hat dann ein verhängnisvoller Ausverkauf ans Publikum slattgefunden, und unsere wirtschaftliche Lage wird immer betrüblicher. Gerade der Buchhandel hat durch falsche Preispolitik, hervorgernfen durch seine hartnäckige Selbst täuschung in bezug aus die Scheingewinne, mehr an Kapital ver schleudert als die meisten anderen Gewerbe, die bei rascherem Warenumsatz viel früher auf den Grundsatz des Wiederbeschaf fungspreises gekommen sind. Er kann es sich nicht leisten, in den kommenden Wochen und Monaten abermals sein Kapital wegzu schenken, wozu vor allem das Sortiment jetzt die schönsten Ge legenheiten hat und noch bessere bekommen wird, wenn es ihm nicht gelingt, mit seinen Preisen laufend »im Takt« zu bleiben. Oder sieht jemand noch eine dritte Möglichkeit? Jedenfalls steht soviel fest, daß Verlag und Sortiment, und letzteres augenblicklich viel mehr noch als der erstere, in Gefahr bedeutender Vermögensverluste stehen und schleunigst etlvas ge schehen muß, um diesem Abwirtschaften einen Riegel vorzu schieben. St u tt g a r t, 26. August 1922. Robert Lutz. Wilhelm Dux und Walther Lambach: Die Kartet des Kaufmanns. fDas neue Kontor. Bd. 1.) Stuttgart: Wilhelm Violet, 1922. 8°. 105 S. m. 41 Abb. und Vor drucken. Preis geb. 20.—. Das kleine Werk bringt eine eingehende Darstellung der Kartei, van den mannigfachsten Gesichtspunkten aus betrachtet. Die erste Hälfte behandelt die Anfänge der Kartei, die allgemeinen CinrichtnngSgrnnd- lagen und die verschiedenen Ordnungsmittcl. Nach einer kurzen Be trachtung über die Menschen, die an der Kartei arbeiten und für die sie bestimmt ist, werden in der zweiten Hälstc die verschiedensten All- wendnngsformen gezeigt. Auch wenn Vollständigkeit weder erreicht noch erstrebt wurde, so bieten die.se Ausführungen dennoch viele An regungen für den .Kaufmann, der einer neuzeitlichen Organisation seines Betriebes znstrebt. Wenig glücklich sind allerdings die Ausführungen über die «Kopiegraph-Bnchführnng«; das »Hinz-System«, dem diese und zahlreiche andere Buchführungen nachempfunden sind, bietet viel mehr, als d,er Verfasser hier schildert. Hans Stall.