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„Der geistliche Tod." Bibliothek für Ost und West. Bd. 9. Preis 1 ord. (Verlag von Hugo Engel in Wien.) ssosst.s Ein stilvollerer und doch eindringlicherer Protest gegen den Cölibat der katholischen Priester dürste kaum je geschrieben worden sein. Trotz der Tendenz, die man der Erzäh lung zu Grunde legen mag, drängt dieselbe nirgends so greisbar hervor, wie dies selbst in Anzengruber s „Pfarrer von Kirchfeld" geschieht. Für den Standpunkt, den der Autor der Frage gegenüber einnimmt, sind zwei Stellen des Buches bezeichnend. Die erste derselben pro- ducirt ein Gespräch zwischen dem Vicar Gregor Harteck, dem Helden der Geschichte, und dessen Freund, dem Cooperator Joachim Perkow. „Du rüttelst da an der einen der Grundsäulen unserer Kirche", sagt Joachim, „das Gesetz, welches der große Gregor angestrebt und der noch größere Jnnocenz durchgesetzt hat, ist ja eine der Hauptstützen des katholischen Klerus. — Vielen mag es ungeheuerlich erscheinen, Viele mögen darunter leiden . . . aber daran darf die Kirche sich nicht kehren. Familien idyllen kann sie nicht brauchen. Der Mann, welcher für Frau und Kinder zu sorgen hat, wird immer in erster Linie an die Seinen denken, und die Kirche duldet keinen Rivalen neben sich... ." Mit diesen Worten charakterisirt der Autor in Lapidarschrift den beschränkten Gesichtskreis des katholischen Geistlichen. Diese Einsamen, die von der Bedeutung des Ehe standes keinen Begriff haben können, da ihnen derselbe untersagt ist, mögen doch Umschau halten ringsum im Leben. Da werden sie das gerade Gegentheil dessen sehen, was sie von dem Manne behaupten, „welcher für Frau und Kinder zu sorgen hat". Gerade der spannt in seinem Berufe, und stimme derselbe auch mit seinen Neigungen nicht überein, für Weib und Kind seine Kräfte auf das äußerste an und die Kirche könnte somit durch Aufhebung der geistigen und leiblichen Cölibatfolter nur ge winnen. Die zweite Stelle, gleichsam die Ergänzung zu dem obigen Citate, enthält den Gedanken desselben Cooperators, der ihm un willkürlich entschlüpft, da man ihn liebt, be wundert und feiert, weil er seinen Freund l Harteck, den man in den „geistlichen Tod", nach der mörderischen Station Kehlen geschickt, gepflegt und die Augen zugedrückt hat. Er wagt zu denken: „. . . was hatte er denn so Be sonderes gethan? Er hatte den Todten geliebt . . . verstanden die Menschen denn nicht, was das hieß ?" Nein, Hochwürden, das verstehen die nicht, die über den Cölibat so urtheilen, wie Sie selbst es thun müssen; die sind nicht dazu geeignet, die Religion eines Christus, die Religion der Liebe, zu lehren und zu schützen. „Der geistliche Tod" wird die Erzählung nach der Strafcolonie Keßten in Tirol genannt, weil dort ein Seelsorger nach dem anderen an dem elenden Klima und den mißlichen Verhältnissen zu Grunde geht. Wir glauben aber, diesem Titel einen weiteren Sinn beilegen zu müssen, wir glauben, daß Emil Marriot damit den Humanitären, Familien- und Gesellschaststod Desjenigen bezeichnen will, der sich entschließt, katholischer Priester zu werden. Abgesehen jedoch von aller marquanten Eindringlichkeit in der Durcharbeitung des Grundthemas von dem Kampfe des Priesters zwischen Liebe und Pflicht, ist die Erzählung in jeder Hinsicht ein Kunst werk zu nennen. Die Scenen des Kampfes und Entsagens des Helden, sein tragisches Ende, die unerschütterliche, reine Liebe des Mädchens, der Doctorstochter Paula Reinberg, die treue gegnet und die tiefen Eindruck bei jedwelchem Leser hinterlassen müssen. Zwei Gruppen heben sich scharf von einander ab: die Bewohner des Pfarrhofes zu St. Jacob mit dem Dekane, dem echten katholischen, rücksichtslosen Eiferer, dem Kapuzinermönche, der eitlen, unausstehlich- affectirten Nichte des Dekans, einer Figur, die auf genaue Sachkeuntniß des Autors schließen läßt, und dem einfältigen Naturkinde Uschei. Arztes Reinberg, dem die erwachsene Paula, die „Hero" unserer Erzählung, die zu früh dahingegangene Mutter des Hauses ersetzt, und die der kleinen Toni Alles ist. Dieses Familien leben — in seiner stillen Einfachheit und stum men, aber thatkräftigen Liebe Eines für das Andere, in den Stürmen, die es heimsucht, wie Paula's Liebe und Schmerz über den Todten, Toni's Krankheit — ist das pure Gegenstück zu der lieblosen Priesterwirthschaft drüben, der mächtigste Protest gegen ein inhumanes, wider natürliches Gesetz, das ein Mensch als Stell vertreter Gottes zu verfügen sich anmaßte. Eine Brücke zwischen diesen unvereinbaren Gegensätzen bauen zu wollen, das wird das tragische Verhängniß zweier junger, blühender Herzen. Noch eine dritte, kleinere Gruppe ist für die Erzählung von Bedeutung: Mutter und Schwester des Helden, die ihn zur Standeswahl getrieben und seinem Widerstande stärkeren ent gegensetzten; so wurde er Priester in der Weise, wie dies eben leider in den meisten Fällen zu geschehen pflegt. Die einzelnen Charaktere der Geschichte sind herrlich gedacht und mit dich terischer Kraft ausgearbeitet; sie berühren als lebensvolle Gestalten, deren Bild sich im Laufe der Lectüre in der Phantasie des Lesers aus bildet. Noch ein ganz eigenthümlicher Vorzug muß hervorgehoben werden. Es ist eine all bekannte Thatsache, daß der stark afficirbare Leser gern von den weiteren Lebensschicksalen der Personen, die sein Interesse erregten, wissen will, auch wenn die eigentliche Geschichte schon zu ihrem Ende gelangt ist. Diesem Wunsche trägt der Autor des „geistlichen Todes" in virtuoser Form Rechnung. Er vereinigt bei einem Feste in Salzburg die handelnden Per sonen zehn Jahre nach Ende der Erzählung und läßt sie ihre Erinnerungen austauschen. Auch den Empfindsameren wird die tragische Lösung nicht unbefriedigt lassen. Wir möchten den „geistlichen Tod" bis jetzt als die Perle von „Ost und West" bezeichnen. k. „Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung." Iielirmittei-LusstkIiuiiA in Lislsbso. fSSS5S.f Litte ckio Llerroo Verleger, belebe nooü L. Roielinrckt's Sortiment in Xislekeo. f39556Z X. Xünsolinaun in Stuttgart suebt ein Lortra.it von: kiiui KoriiurLt, Bücheranzeigen AiigeineineZeituag (früher in Augsburg erschienen), habenden Publicum des In- und Auslandes gelesen wird. Jnsertionspreis 30 H pro Zeile, mit 10 Buchhändlerrabatt (bei Jahresumsatz von über 150 ^ 20H,). Verrechnung durch die I. G. Cotta'sche Buchhandlung in Stuttgart. Expedition der Allgem. Zeitung in München. Ln8tult tür pIivtoAriipdlsviien L'i 0886»äi ucric (lÄviitäruvk) f39558.^I mit Oampkbotriol) von L. L Sodrosäsr, in I,6ip2IA. Xöni^l. La^or. Aoläono Lnärvi^s-LIockaills. X. X. Oostorr. Orosso Ooläeno Nockaills „Intoris ot ^rtidus". Xoni^l. ^ürttemdor^. Aoläono LloclaiLs kür Xunst u. Wlssonsoüakt. f39559Z Oie ILoktiiruckerei äsr Luust-V6risA8-Lusts.it in 6is.uoiis.ii, ^ X. Diener, prämiirt auk clor XunstausstoIlunS in Hallo a/8. 1881. 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