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Zutritt zu diesem Vortrage haben nicht nur die Mitglieder des Gewerbevereins, sondern alle Erwachsenen beiderlei Geschlechts der hiesigen Parochie. Zwönitz, am 2l. October 1883. Der K i r ch e » v o r st a n d. I*. Clautz. Bekanntmachung. Bei dem unterzeichneten Stadtgemeinderath ist die mit einem jährlichen Gehalte von 560 Mark dotirte Stelle des Nachtpoliztidieners am 1. November d. I. neu zu besetzen. Geeignete Bewerber haben eigenhändig geschriebene Gesuche längstens bis zum SS d. M. hier eiuzureichen. Zwönitz, am 19. October 1883. Der Stadtgemeinderath. Adam, Bürgermeister. Sächsische Aachrichten. — Mülsen St. Jacob, 20. Oclbr. Am heutigen Tage feiern Herr Friedrich Hermann Kretzschmar, Webermeister und Haus besitzer allhier, nebst dessen Gattin Caroline, geb. Meier aus Mülsen St. Micheln, ihr bOjähriges Ehejubiläum; dieselben erfreuen sich noch einer Gesundheit, welche wohl selten Leuten diesen Alters be- schieden ist. — Kahla, 18. Octbr. Seit 2 Uhr Nachts herrscht hier ein großes Feuer. Die neben dem Fürstenkeller stehenden Häuser des Nagelschmieds Peter, des Schlossers Dietz, des Oeconomen Irmisch, sind nebst ihren Hintergebäuden niedergebrannt, ebenso auch das Brauhaus. Weitere Gefahr ist glücklich beseitigt, die Entstehung des Brandes ist unbekannt. — Plauen, 19. Octbr. Dem umsichtigen und energischen Vorgehen der Kgl. Staatsanwaltschaft hier, sowie der Gendarmerie des Oelsnitzer Bezirks in Verbindung mit der Stadtpolizei zu Hof ist es gelungen, die zwei des Raubmordes in Bad Elster dringend verdächtigen Personen, sowie die frühere Dienstmagd des überfallenen und nunmehr infolge der erhaltenen Verletzungen verstorbenen Buch druckereibesitzers Kleint heute früh in Hof aufzusinden und zu ver haften. Ei» wesentliches Verdienst hierbei hat Herr Obergendarm Grundig aus Oelsnitz, welcher seit gestern Vormittag bis heute morgen ununterbrochen thätig war. Die Verhafteten und im Amts gerichte zu Hof befindlichen Personen find: Joh. Pohl aus Erkers, reuth bei Selb (in Bayern), dessen Geliebte, Minna Blank aus Neu brandenburg, und Fleischergeselle Joh. Weber aus Hof. Beide trugen Militärmützen. Als Pohl vom Obergendann Grundig aus dem Bette weg verhaftet werden sollte, erklärte er, nicht gehen zu können; ein zufällig vorüberkommender und herbeigerufener Arzt constatirte eine Verstauchung des Fußes. Pohl dürfte der von Kleint's Wirth- schafterin eingeschlossene und sodann mittels eines Sprunges aus dem Fenster flüchtig gewordene Mann sem. Die Wirthschafterin hatte von der Treppe aus den Ausruf: „Hans horch" gehört. Pohl wird aber von Bekannten rc. „Hans" gerufen. Die Messung der Stiefel der Verhafteten hat ergeben, daß die bei Kleint's Hause hinterlassenen Fußspuren ganz genau zu diesen Stiefeln passen. Pohl hat übrigens vor 14 Tagen bei seinem eigenen Vater einen Ein bruchsdiebstahl verübt und 70 Mark dabei entwendet. — Döbeln. Das hiesige Amtsblatt schreibt: Fast scheint es, als sollte es unseren hiesigen Jahrmärkten jedesmal an besonderer Aufregung nicht mangeln. Wiederum war es die Flucht eines wil den Thieres, welche sie hervorrief Während am letzten Jahrmarkt ein Seehund das Weite gesucht, galt es diesmal, eines am Dienstag Nachmittag aus einer Thierbude am Niederwerder entwischten Wolfes habhaft zu werden. Derselbe hatte seine» Käfig verlassen, die Mulde passirt und sich in ein dort befindliches Haus begeben, woselbst er wieder eingefangen wurde. Nach der Versicherung des Besitzers ist er infolge seines Alters ziemlich zahm und unschädlich. — Schandau. Nicht geringes Aufsehen erregt auch in weiteren Kreisen das kürzlich erfolgte Fallissement des Kaufmanns Röhr hier, welcher Geldgeschäfte u. s. w. machte. Die Passiven sollen die für die Verhältnisse Röhr's ungeheuere Summe von über 700,000 Mark erreichen, denen nur wenige Activen gegenüberstehen, so daß für die zahlreichen Gläubiger wohl nur wenige Procente herauskommen dürften. Leider sollen bei dieser Catastrophe, die von mit den Verhältnissen Vertrauten schon seit Langem vorauLgesehen wurde, auch eine sehr große Anzahl kleinere Leute in schwere Mit leidenschaft gezogen werden. politische Aundschau. Deutschland. Das deutsche kronprinzliche Paar ist nebst der Prinzessin Victoria im Laufe der Woche von seiner Reise »ach der Schweiz und Italien wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Die hohen Herrschaften statteten zunächst dem Fürsten von Hohenzollern auf dessen Besitzung Weinburg am Bodensee einen zweitägigen Be such ab, woselbst auch am Donnerstag der 52. Geburtstag des Kron prinzen im engsten Familienkreise gefeiert wurde. Ani Sonnabend, den 20. October, trafen die kronprinzliche» Herrschaften in Baden- Baden ein, um dem Kaiser vor dessen am Montag erfolgten Rück reise nach Berlin noch einen Besuch abzustatten und reisten dann am Sonntag nach Wiesbaden weiter, wo ein mehrwöchiger Aufenthalt genommen werden soll. In Berlin haben am Donnerstag nach monatelanger unerhörter Agitation der betheiligten Parteien die Neuwahlen zur Stadtverord neten - Versammlung in der dritten Elaste der Wählerschaft stattge funden. Die dritte Abtheilung der Communalwähler der Reichs- Hauptstadt umfaßt ca. 150,000 Wahlberechtigte und die Wahlen in derselben sind am Besten geeignet, ein Bild von der politischen Stimmung in Berlin abzugeben, da gegenüber der dritten Elaste die Kopfzahl der Wähler der zweiten und ersten Elaste fast verschwindet. Die Wahlen vom Donnerstag nun habe» folgendes Resultat ergeben: Definitiv gewählt sind 22 Liberale, 6 Conservative (deutsche Bürger partei) und 2 Socialdemocraten; Stichwahlen haben 12 stattzufinden, davon 9 zwischen Fortschritt und Bürgerpartei, 2 zwischen Fortschritt und Arbeiterpartei und 1 zwischen Bürgerpartei nnd Arbeiterpartei. Da nun bei den am Freitag stattgefundenen Wahlen in der zweiten Elaste sämmtliche liberale Candidaten gewählt worden sind, so hat die liberale Partei auch in der neuen Stadtvertretung Berlins die unbestrittene Majorität, donnoch weist die neue Stadtverordneten- Versammlung eine von der bisherigen etwas verschiedene äußere Physiognomie auf. Erstlich haben sich die conservativen Elemente vermehrt und zweitens hat die Berliner Arbeiterpartei nun auch in der communalen Vertretung Posto gefaßt. Letzteres ist indessen ge rade kein Unglück, im Gegentheil, eine directe Vertretung der Arbeiter- interesse» in der Stadtverwaltung Berlins, wo gerade diese Interessen so gewichtig sind und wohl nicht immer die wünschenswertheste Be achtung gefunden haben mögen, kann bei vernünftiger Behandlung zum allgemeinen Nutzen werden. Characteristisch ist noch der Um stand, daß von den 150,000 eingeschriebenen Wählern der dritten Elaste nur ca. 65,000, also 43 o/^, von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, was aus's Neue den Beweis liefert, daß der Deutsche an öffentlichen Angelegenheiten noch lange nicht den regen persön lichen Antheil nimmt, wie z. B. der Franzose oder Engländer. In Cösli» hat in voriger Woche vor den: dortigen Schwur- gericht der Monstreproceß gegen des Neustettiner Synagogeiibrandes begonnen. Die der böswilligen Brandstiftung Angeklagten, sämmtlich Inden aus Neustettin, leugnen entschieden, und es macht sich daher die Vernehmung aller geladenen Zeugen nothwendig. Da sich deren Zahl auf über 90 beläuft, so dürfte der Proceß noch nicht so bald sein Ende erreichen. Der badische Landtag ist auf den 17. November einberufen worden. Oesterreich-Ungarn. Die österreichische Herrschaft in de» occupirten Provinzen consolidirt sich immer mehr. Ein überzeugender Beweis dafür ist der Umstand, daß die nuiimehr beendigte Necru- tirung in Bosnien und der Herzegowina ohne irgend einen störende» Zwischenfall vor sich gegangen und das festgestellte Contignent von Auszuhebenden vollständig gedeckt worden ist. Während noch bei der letzten Astentirung sich verschiedene Gestellungspflichtige ihrer Stellung durch die Flucht entzogen, ist diesmal kein einziger der artiger Fall vorgekommen, was entschieden für das wachsende Ver trauen der Bevölkerung zu ihrer neuen Negierung spricht. Auch der „Pester Lloyd" erklärt in bestimmtester Weise, daß die Necrutirung in Bosnien und der Herzegowina ohne Zwischenfall verlaufen sei und daß daselbst überhaupt niemals größere Ruhe und Ordnung ge herrscht habe, als gegenwärtig; in dem occupirten Gebiete existire kein einziger Insurgent mehr und selbst gewöhnliche Räubereien kämen nur selten vor. Frankreich. Die französischen Kammern treten am Dienstag den 23. October zu einer neuen Session zusammen, welche über das Schicksal des Cabinets Ferry entscheiden wird. Die Nadicalen, denen der Ministerpräsident Ferry auf seiner Rede - Tournee in der Nor mandie so entschieden den Fehde-Handschuh in's Gesicht geschleudert hat, werden nichts unterlassen, was zum Sturze des ihnen so ver haßten Ministeriums beitragen kann und auch die Monarchisten wer den es an Angriffen gegen dasselbe nicht fehlen lassen. Alles kommt darauf an, wie sich die maßgebenden Parteien, die „republikanische Vereinigung" und das rechte Centrum, zu Herrn Ferry und seinem Ministerium stellen werden, worüber man aber vorläufig noch nichts Gewisses erfahren kann. Wie es heißt, werde Ferry nicht mit einem vollständig neuen Programm vor die Kammern treten, sonder» den selben nur ein Expose über die Lage in Tonkin geben und für seine auswärtige Politik ein Vertrauensvotum verlangen. Was die Lage in Ostasien anbelangt, so hat sich dieselbe in den letzten Wochen so gut wie gar nicht verändert und auch die französisch-chinesischen Ver handlungen scheinen ganz in ein stagnirendes Stadium gekommen zu sein, denn man hört von einem Fortjchreiten derselben auch nicht das Geringste mehr. Wie aus Honkong gemeldet wird, treffen die chinesischen' Behörden alle Vorkehrungen, um den Hafen von Canton zu schließen. Rußland. Nach privaten Mittheilungen aus Polen nimmt daselbst die nihilistische Agitation immer größere Dimensionen an. In Warschau erscheinen fast täglich nihilistische Proclamationen und es haben bereits zahlreiche Verhaftungen nihilistischer Agitatoren, darunter mehrere Studenten, stattgefunden. Gleich nach der Abreise des General-Gouverneurs Gurko von Lodz sind auch in dieser Stadt,