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drängte; ob er diesen Schritt nicht in etwas anderer Form hätte Ihun können, mag eine andere Frage sein. — Der Stadtrath zu Annaberg hat seit Kurzem beschlossen, die so gefährlichen Kreuzottern am Pöhlbörge, die dort in ausnehmend großer Zahl vorhanden sind, durch Aussehen von Igeln auszurotten oder doch zu vermindern. Der Wärter des dortigen Stadtwäldchens ist deshalb angewiesen worden, Igel zu dem erwähnten Zweck in Empfang zu nehmen; für jeden Igel soll aus der Stadtcasse ein Preis von 50 Pf. bis 1 Mark bezahlt werde». — Mülsen St. Jacob, 13. Septbr. In der Nacht vom 11. zum 12. d. M. wurde in der Restauration zun: Deutschen Haus all- hier ein Einbruchsdiebstahl verübt. Derselbe schien allein auf den eisernen Geldschrank des hiesigen Vorschußvereins abgesehen zu sein, denn man war in das dazu bestimmte Zimmer nach Beseitigung des Ladens durch's Fenster eingestiegen und es sand sich allda eine Fuß- winde vor, init welcher die Diebe, wie Spuren zeigen, die Thüre des Schrankes einzudrücken oder zu sprengen versucht hatten, aber ohne Erfolg. Im Ganzen waren 20 Mark baares Geld, 8 Brat würste, I Schrot Fleisch, 1 Taschenuhr und 2 Kopfkissen gestohlen. Spuren zur Entdeckung der Diebe sind noch nicht vorhanden. — Crimmitschau, 13. Septbr. Dem Vernehmen nach ist eine nicht geringe Anzahl von Kindern aus den untersten Classen der einfachen Mädchenschule allhier an den Masern erkrankt. In einer achten Classe allein soll die Hälfte der Kinver in der Schule fehlen. — Aus dem benachbarten Leitelshain wird uns geschrieben: Gestern war man Zeuge eines Austrittes im Garten des Gutsbes. Hoffmann hier, worüber jedem rechtlich denkenden Menschen das Herz mit Zorn und Schrecken erfüllt werden muß. Drei junge rohe Burschen waren am Hellen Tage in den Garten des gen. Besitzers eingetreten, um sich eines Theiles des darin befindlichen Obstes'zu bemächtigen. Als der Besitzer mit zwei Begleitern die Obsträuber vertreiben wollte, wurde er nicht nur hohnlachend mit drohenden Worten, sondern sogar mit Steinwürfen empfangen. Man kann sich denken, was geworden wäre, wenn der Eigenthümer sich allein in den Garten begeben und nicht noch andere rechtlich denkende Leute von der Straße aus ihm Beistand geleistet hätten. Wo hinaus soll das noch führen? Wenn solche Ausschreitungen in hiesiger Gegend am Hellen Tage vorkommen, was geschieht da erst in der Nacht? Welcher Gartenbesitzer soll noch einen Obstbaum anpflanzen, wenn er im eigenen Garten seines Eigenthums und Lebens nicht mehr sicher ist? Wenn solche Vorkommnisse nicht äußerst streng bestraft werden, so wird man gar bald auch von unbeaufsichtigten Kindern, deren Begierde und Rohheit ebenfalls immer mehr zunimmt, in seinem Eigenthum nicht mehr sicher sein. — Plauen, 12. Septbr. Der hiesige Stadtrath hat be schlossen, bei der Polizei ein öffentliches Beschwerdebuch auszulegen, in welches Jedermann begründete Beschwerden über öffentliche Uebel stände eintragen und so auf kürzestem Wege zur Kenntniß der Be hörde bringen kann. Die Absicht, welche dieser Einrichtung zu Grunde liegt, mag wohl eine ganz gute sein, daß aber von letzterer ein großer Gebrauch gemacht wird, möchten wir bezweifeln. Man wird auch fürderhin am Biertisch über etwaige Uebelstände raisonniren und ab und zu wohl dem gepreßten Herzen durch ein „Eingesandt" in der Localpresse Luft machen, wobei übrigens der Name oes Be schwerdeführers, der ja auch mit der Sache nichts zu thun hat, nicht zur öffentlichen Kenntniß gelangt — ein Umstand, der von Vielen in Betracht gezogen werden dürfte. — Das in voriger Woche zu Plauen i. V. verstorbene zum Scelett abgemagerte Kind, von welchem man annahm, daß es am Hungertods verstorben sei, ist nach dem Ergebniß der ärztliche» Unter suchung an Gehirnhaut-Entzündung gestorben. — Bei einer in Külitz sch bei Kirchberg stattgefundenen Rauferei kam ein junger Mann beim Handgemenge zu Fall und wurde dabei so getreten, daß er mehrere innere schwere Verletzungen davontrug und der Tod, trotz der schnell herbeigerufenen ärztlichen Hilfe nahe bevorsteht. — Leipzig, 13. Sept. Am heutigen Morgen verbreitete sich niit Windeseile die Nachricht in unserer Stadt, daß im Nosenthale am gestrigen Spätabend, in der 11. Stunde, ein grauenvolles Ver brechen, ein versuchter Kindermord und die Ermordung eines hiesigen Bürgers, welcher zur Rettung des Kindes herbeigeeilt, stattgefunden habe. Das „L. T." meldet hierüber noch Folgendes: Carl Walther aus Tranroda, geboren am 30. August 1850, ein in seinen Verhält nissen herabgekommener Kaufmann, mit unsteter Wohnung, hat ein uneheliches Kind, ein Mädchen von 5 Jahren, das sich bei der Mutter, einer jetzt hier verheiratheten Expedientenssrau, aufhält. Walther hatte gelegentlich seiner Anwesenheit hier schon wiederholt das Kind zu einem Spaziergang abgeholt, es auch einmal mit nach Berlin genommen und stets ungefährdet der Mutter zurückgebracht. Einen solchen Spaziergang unternahm er auch am gestrigen Nach mittag und führte schließlich noch am Spätabend sein Töchterchen nach dem Rosenthal. Dort ain Rosenthalteiche entkleidete er das Kind gröhtentheils und stieß es plötzlich an geeigneter Stelle in das Wasser hinein, um sich desselben durch Tödtung zu entledigen. In diesem Augenblicke befand sich der hiesige Bürger und Kohlenhändler Gruhne, wohnhaft am Ranstädter Steinweg, in Begleitung seiner Frau zufällig auf dem Wege um den Nosenthalteich. Dieser hörte das Hilfsgeschrei des Kindes und eilte sofort zur Rettung herbei. Aber bevor er noch zur Stelle gekommen, trat hinter einem Baume Walther hervor und feuerte aus einem Revolver mehrere Schüsse auf ihn ab, von denen einer Gruhne mitten ins Herz traf und ihn auf der Stelle tödtete. Darauf ergriff der Mörder die Flucht, ver folgt von einem Unterofsicier Namens Weser der 12. Compagnie des ! 106. Regiments, auf den Walther, zum Glück ohne zu treffen, noch einen Schuß abfeuerte. Gleich darauf wurde er von Weser und einem dazu gekommenen Herrendiener Namens Höhne aus Gohlis festgenommen und unschädlich gemacht. Seine Waffe, ein sechsläufiger Revolver, war noch zum Theil geladen. Das arme Kindchen, dessen Kleider man später in einem Strauchwerk vorfand, war inmittelst aus dem Wasser noch lebend herausgeholt und gerettet morden. Walther hat sich seit etwa drei Wochen in Leipzig aufgehaltcn, be findet sich seit längerer Zeit außer Stellung und hat früher mehrere Jahre hindurch seinen Aufenthalt in Berlin gehabt; es ist ein kräf tiger, starker Mann von 33 Jahren, der bis jetzt Bestrafungen nicht erlitten und Neue über sein Verbrechen zu fühlen scheint. Er hat auch nach seiner Festnahme keinerlei Widerstand geleistet, vielmehr ruhig durch die erschienenen Schlitzleute sich abführen lassen. Durch wen das Kind aus dem Wasser gezogen worden, konnte noch nicht festgestellt werden, es scheint zum Theil sich selbst geholfen und aus dem seichten Wasser herausgearbeitet zu haben. An seiner eigenen Existenz verzweifelnd, hat er nach seiner Erklärung den Entschluß gefaßt, mit sich zugleich sei» schuldloses Kind aus der Welt zu bringe». Nur zu diesem Zwecke, »icht zur Anwendung gegen Dritte, habe er die Schußwaffe zu sich gesteckt. Als er das Kindchen hilflos und schreiend im Wasser gesehen, will ihm der Gedanke der Erhaltung desselben beigekommen sein. Er glaubt, daß er sogar selbst versucht, das Kind wieder herauszuziehen, weiß es aber nicht und hierbei habe er vergesse», die Waffe gegen sich zu richten und sich zu erschießen. Die plötzliche Dazwischenkunft des Zeugen seiner That habe ihn aufgeschreckt und in höchster Erregung will er nur seinen Revolver abgeschosse» haben, ohne sich in seiner Handlungs weise recht bewußt zu sein. Hinzugekommene Leute nahmen sich des Kindes an und brachten es zunächst nach dem „Schweizerhäus chen", wo es die liebevollste Aufnahme und Behandlung fand, bis es nach mehreren Stunden seiner Mutter, welche von dem schreck liche» Vorfälle eiligst in Kenntniß gesetzt worden war, wieder über geben werden konnte. — Mügeln bei Dresden, 13. Septbr. Die „Deutsche Jm- prägmrungsanstalt" (Fr. Konrad) hierselbst ist auf dem 12. deutschen Feuerwehrtage in Salzburg niit dem ersten Diplom für vorzügliche Leistungen auf dem Gebiete der Jmprägnirung wie für unsere Feuer löschmittel ausgezeichnet worden. — Schandau. Ein in den 60er Jahren stehender Mann fuhr am 12. September mit einem kleinen 4 Jahre alten Mädchen, das er nach Greiz zu seinen Eltern führen sollte, von Sebnitz nach Schandau und schlief scheinbar unterwegs ein. Das kleine Mädchen suchte den Großvater zu wecken, auch zwei milfahrende Herren unter stützten das Kind darin, jedoch ohne Erfolg. Auf dem Bahnhof in Schandau konnte nur constatirt werden, daß ein Herzschlag den Mann (Restaurateur Richter aus Sebnitz) getroffen hatte und derselbe sofort verschieden war. Das Kind, welches unter freundlicher Obhut einer hier wohnenden Dame warten wollte, bis der Großvater ausge schlafen, wurde mit dem nächsten Zuge zu seiner Großmutter nach Sebnitz zurückgebracht. — Zittau, 12. Septbr. Zu dem Unfall, der den General major v. Hollebe», gen. v. Normann, betroffen hat, schreiben die „Zitt. Nachr." Folgendes: Generalmajor v. Holleben hatte sich heute Vormittag ^11 Uhr westlich von Wittgendorf von dem 103. Re giment verabschiedet und sprengte über eine Wiese zu dem Ulanen- regimente, um auch diesem Lebewohl zu sagen, als plötzlich sein Fuchs sich nach vorn überschlug und den Reiter unter sich warf. Das Pferd mar bald wieder auf den Beinen, jedoch blieb der Generalmajor lange bewegungslos liegen. Als einige Aerzte und Heildiener ihn näher untersuchten, stellte sich heraus, daß beide Schlüsselbeine und eine Nippe gebrochen waren. Die Stirn zeigte Contusionen und die Brust war mit Blut unterlaufen. Es dauerte lange, ehe der Veklagenswerthe wieder zu sich kam. Man brachte einen Wagen herbei und suchte ihn nach der Stadt zu fahren. — Der seit Februar beini Altenberger Postamt beschäftigt gewesene Postgehilfe Pfaffe ist der Unterschlagung von Postgeldern dringend verdächtig und seit dem 4. September flüchtig. politische Aundschau. Deutschland. Zu zwei bedeutungsvollen Kundgebungen hat das am Donnerstag in Wittenberg gefeierte Lutherfest geführt, Kund gebungen, die um so bemerkenswerther erscheinen, als sie von unserem Kaiserhause ausgehen. Durch Erlaß vom 25. August hatte Kaiser Wilhelm den deutschen Kronprinz mit seiner Vertretung bei jener erhebenden Feier beauftragt und in markigen Worten gedenkt Kaiser Wilhelm in diesem Erlaß des gewaltigen »nd gottgesegneten Wirken Luthers, wobei der greise Kaiser zugleich in ergreifender Weise seine ächt evangelische Gesinnung ausspricht. Mit einer zu Herzen gehenden Zusammenfassung dessen, was die Lutherfeste fördern sollen — die Weckung und Vertiefung evangelischer Frömmigkeit, die Wahrung guter Sitte und die Befestigung des Friedens in der evangelischen Kirche —- schließt diese wichtige Kundgebung unseres Kaisers. Den in ihr enthaltenen Gedanken nimmt die Rede, welche Kronprinz Friedrich Wilhelm am Donnerstag bei der Einweihung der Witten berger Lutherhalle gehalten hat, auf; an den Geist und das Wirken des großen Reformators, das sich auf mehr als einem Gebiete deutsch nationalen Lebens bethätigt hat, erinnerten die Worte des fürstlichen Sprechers und mit besonderem Nachdruck wies derselbe darauf hin, was die That Luthers nicht nur den Protestanten, sondern der ganzen Welt gewonnen hat — Gewissensfreiheit und Duldung mit der eindringlichen Mahnung, stets dessen eingedenk zu bleiben, daß