Volltext Seite (XML)
Donnerstag, den 6. September 1883. 8. Jchrg. 104 Inserate werden bis spätestens MittagS des vorhergehenden Tage- des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit l» Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich I Mark 20 Ps Oesfentliche Sitzung des Stadtgemeinderaths zn Zwönitz Donnerstag den tt. September a. c. Abends tt Uhr. Die Tagesordnung ist am Verhandlungstage in der Hausflur des Nathhauses ausgehängt. Der Mensch in seinem Wahn! Das furchtbare Eisenbahnunglück ans dem Steglitzer Bahnhofe bei Berlin, wo 41 Menschen einen gräßlichen Tod fanden, das haar sträubende Unglück auf Ischia, wo mehr als 6000 Menschen jammer voll vernichtet wurden und der vor anderthalb Jahren stattgefundene Ningtheaterbrand in Wien, bei welchem gegen. 1100 Menschen (ge nau hat man es nicht ermitteln können) verbrannten und erstickten, rufen uns eine sehr dunkele Seite im menschlichen Geiste mahnend vor die Augen. So schmierig bei dem lebhaften Verkehr bei dem Eisenbahnunglück in Steglitz die Verhältnisse auch lagen, so ist das schreckliche Unglück doch in erster und letzter Linie dadurch herbeige führt worden, daß die Menschenmenge nicht auf die Anordnungen der Eisenbahnbeamten achtete, daß man über die Barriären gestiegen war, eine sogar eigenmächtig geöffnet hatte und außerdem zum Theil von der falschen Seite sich dem noch nicht einmal vollständig zum Stillstehen gebrachten Personenzuge näherte, während der Schnellzug daher brauste, den trotz des Nothsignals nun keine Alenscheumacht mehr halten konnte. Leichtsinn, Fahrlässigkeit und Tollkühnheit gegen über einer Ungeheuern Gefahr hat also das Steglitzer Eisenbahnun glück herbeigesührt und alle anderen dabei obwaltenden Verhältnisse haben nur eine nebensächliche Bedeutung. Und blicken wir auf das Unglück von Ischia und auf jenes Massenelend des Wiener Ning- theaterbrandes, so kommt man fast zu gleichen Resultaten. Hinsicht lich der Insel Ischia hatte die wissenschaftliche Untersuchung schon vor Jahr und Tag dargelhan, daß diese Insel durch und durch vul- canisch mar und direct mit dem Vesuv in Verbindung stehe, außer dem wußte man, daß die Insel aus sehr wenig haltbarem Erdreiche, vorwiegend Kreide und trockenem Mergel bestand, zudem hatte auch bereits im vorigen Jahre gleichsam als Warnung auf Ischia ein Erdbeben stattgefunden, wobei mehrere Häuser einstürzten, dann wird auch behauptet, daß zwei Tage vor Eintritt des großen Unglücks viele Brunnen auf Ischia plötzlich verstecht mären,' daß man diese Vorboten eines Erdbebens oder eines Ausbruchs des nahen Vesuvs aber deshalb nicht weiter beachtet hätte, um die zahlreichen Badegäste auf Ischia von einer plötzlichen Abreise abzuhalten. Trotz mancher Bedenken und drohender Warnungen wollte man also auf Ischia die furchtbare Gefahr nicht sehen und genoß in Leichtsinn die ver führerischen Reize der Insel bis das Massenunglück hereiubrach. Und ganz ähnlich mar es im Wiener Ringtheater, wo allen Eingeweihten die Gefährlichkeit und die Unzulänglichkeit der Ausgänge bekannt war. Dazu kam aber noch eine verbrecherische Leichtfertigkeit und Besinnungslosigkeit. In den Gängen und auf den Treppen gab es keine Oellampen, aber ein vor Schreck halb verrückt gewordener Unterbeamter drehte viel zu früh den Gashahn ab und die ent setzte, besinnungslose Menge erwürgte sich drängend und wüthend in den Ausgängen. Sieht man da nicht, daß niedrige Eigenschaften, sei es nun frevelhafter Leichtsinn, Vergnügungssucht, Eigennutz, Mangel an Ruhe und Besonnenheit, jene grausigen Unglücksfälle verursacht und vergrößert haben und bleibt da nicht der schrecklichste der Schrecken der Mensch in seinem Wahn, in diesem Wahne, der die Gebote der Klugheit, der Vorsicht, ja selbst der Ehre und Näch stenliebe wegen zweifelhafter Genüsse und Vortheile vergessen läßt. Sächsische Nachrichten. — 22 Selbstmorde in einer Woche! Das ist die neueste Er rungenschaft Sachsens. Vom 14. bis 20. Angust haben 22 Personen — vom 13 jährigen Kinde bis zum 73 jährigen Greise — Hand an sich gelegt. Es ist das eine gar zu traurige Berühmtheit unseres Königreichs dem Reiche gegenüber, und umfassende Untersuchungen über die Gründe, die jährlich so Vielen in Sachsen die Mordwaffe in die Hand drücken, dürften mehr als je angezeigt sein. — Ein von Chemnitz nach Leipzig gezogener Agent hatte durch Annoncen in dasigen Localblättern cautionsfähige junge Leute zu verlockenden Stellungen gejucht und waren, wie man zu sagen pflegt, auch hier Gimpel auf den Leim gegangen. So hatte sich der Agent einem jungen Maune gegenüber für einen Versicherungsinspector aus gegeben, den Stellesuchenden als Contoristen engagirt und von dem selben eine Caution in Höhe von 400 Mark verlangt, welche der Betreffende auch leistete. Der junge Mann mußte aber bald ein sehen, daß es mit der geträumten Herrlichkeit sehr windig war, wes halb er den vermeintlichen Principal drängte, ihm die erlegte Caution zurückzugeben. Natürlich blieb dieses Verlangen erfolglos und wurde der neue Contorist in Gnaden seines Dienstes entlassen. Auf ge schehene Anzeige nahm die Criminal-Polizei jedoch den angeblichen Versicherungs-Jnspector in Haft und soll derselbe auch unumwunden eingeräumt haben, daß er nicht allein die erwähnte Caution von 400 Mark, sondern auch ein Sparbuch über eine Einzahlung von 80 Mark, welches er von einem andern jungen Manne, den er als Markthelfer engagirt, als Sicherheit erhalten, versilbert und den Er lös in seinem Nutzen verwendet hat. Der saubere Patron, welcher ohnehin schon zu einer mehrmonatlichen Gefängnißstrafe wegen eines ander» Vergehens verurtheilt ist und diese Strafe noch nicht verbüßt hat, wurde der königl. Staatsanwaltschaft zugeführt. — Die „Leipziger Nachrichten" schreiben: „Ist es wohl mög lich?" fragt man sich verwundert und kopfschüttelnd, wenn man fol gendes Geschichtchen hört, das, wie wir aus sicherer Quelle erfahren, kürzlich genau so, wie wir es hier erzählen, passirt ist. Vor einigen Wochen trat hier ein Mann im Alter von circa 35 Jahren aus, ein Conditor aus der Gegend von Borna. Derselbe zog hin und wieder einzelne seiner neu gewonnenen Bekannten geheimnißvoll auf die Seite, um ihnen etwas Wichtiges unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit mitzutheilen. Das Geheimniß, das er ihnen anver traute, war folgendes: Er erzählte, er habe im Jahre 1870 den Feldzug nach Frankreich mitgemacht und habe während der Belager ung von Paris in eurem Garten unter einem alten Baume vergraben zwei Casetten vorgefunden, die eine mit 150,000 Francs in Hundert francnoten, die andere mit einer Menge Gold- und Brillantschmuck. Die beiden Cassetten habe er seinem Schwager, einem Lehrer in der Gegend von Zwickau, zur Aufbewahrung übergeben, wolle sich nun dieselben jetzt wieder aushäudigen lassen und dann eine längere Ver gnügungsreise nach Italien unternehmen. Diese Reise wolle er gern n Begleitung eines jungen Mannes machen, den er selbstverständlich in allem freihalten werde. Nachdem der Conditor diesen Roman verschiedenen seiner Freunde erzählt hatte, ohne daß diese seinem Wunsche, sich ihm als Reisegefährten anzuschließen, entsprochen hätten, and er den Rechten, einen jungen Kellner, der auch über ein kleines Kapital von 400 Mark, womit man die ersten Ausgaben bestreiten onnte, verfügte. Der Kellner war bereit, den Nabob auf seiner Reise nach Italien zu begleiten, equpirte ihn, da dieser vorläufig noch ganz mittellos war, zunächst seinem Vermögen entsprechend (der Conditor versprach ihm ja, alles doppelt und dreifach zurück zu er statten) und machte sich dann mit ihm auf die Reise. Unterwegs lebten die jungen Leute natürlich sehr nobel, es warteten ihrer ja unermeßliche Neichthümer. In Altenburg wurde ein kurzer Aufent halt genommen und dabei mußte die Casse des Kellners bereits stark bluten. Sodann fuhr man nach Zwickau, kehrte in einem feinen Restaurant ein, erholte sich von den Anstrengungen der Reise, und nun sprach der Conditor die Absicht aus, sich zu seinem Schwager zu begeben und die Cassetten zu holen. Damit aber der Kellner inzwischen nicht etwa das Geheimniß verrathe oder gar der Polizei mittheile, schlug er diesem vor, die Portemonnaies gegenseitig zu tauschen, bis er mit dem Schatze wieder zurückkomme. Der Kellner war damit einverstanden, gab seinem Freunde vertrauensvoll sein Portemonnaie mit 182 Mark (dem Reste seiner Baarschaft) und er- für Zwönitz und Umgegend Organ für den Ltadtgememderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Ncdac'.cur: Bernhard Ott in Zwönitz.