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hervorragender Tagesblälter Italiens Besprechungen des kconprinz- lichen Erlasses, die alle von dem ticswurzelndtn Eindruck zeugen, welchen derselbe in der italienischen Nation hervorgerufen hat. Dem schau so breit einherfluthendcn Strom der Conjecturen und Combinationen über den Ansenlhalt des Cardinals Howard in Kissingen und dessen angebliche Audienz beim Fürsten Bismarck wird durch ein trockenes Dementi der „Nordd. Allg. Ztg." ein plötzlicher Damm gesetzt. Das officiöse Blatt schreibt, bah der Reichskanzler gesundheitlich nicht einmal in der Lage sei, Besuche demselben nahe stehender Personen zu empfangen, geschweige denn politische Geschäfte zu machen oder Verhandlungen zu führen. Die Mittheiluiig, daß Cardinal Howard vom Fürsten Bismarck empfangen worden sei und bei demselben gespeist habe, war in so positiver Form aus Kissingen gemeldet worden und in eine so große Anzahl Blätter übergegangen, daß man an der Wahrheit derselben füglich kaum mehr zweifeln konnte und nun ist's doch nichts damit. — Schade um eine» so in teressanten Stoff! Die Ersatzwahl, welche sich im 19. Hannoverschen Reichstags wahlkreise für Herrn von Bennigsen nothwendig macht, hat hier einen äußerst lebhaften Wahlkampf hervorgerufen, dessen Ausgang man mit Interesse erwarten darf. Während hier die nationalliberale Partei sonst nur mit der Welfenpartei in die Schranken zu treten hatte, greifen diesmal auch die Fortschrittspartei und die Social- democratie in den Wahlkampf ein, so daß es voraussichtlich zu einer Stichwahl kommen wird. Auf nationalliberaler Seite ist man be greiflicher Weise wenig erbaut über das Bestreben der Fortschrittler, dem Nationalliberalismus einen so alten Wahlkreis streitig zu machen und es müssen sich daher jene von den nationalliberalen Blättern gar herbe Worte gefallen lassen. Candidat der nationalliberalen Partei ist Hofbesitzer Hottendorf. General-Lieutenant Karl Freiherr von Horn, General-Adjutant des Königs von Bayern und commandirender General des ersten bayrischen Armeecorps, beging am 18. August sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Die Geistesfrische und körperliche Rüstigkeit, deren sich der im 65. Lebensjahre stehende Jubilar erfreut, berechtigt zu der Hoffnung, diesen vielseitig bewährten und in der ganzen deutschen Armee hochverehrten Führer zum Ruhme der bayrischen Armee und zum Vvrtheile des großen Vaterlandes noch lange erhalten zu sehen. Oesterreich-Ungarn. In den großen Städten Oesterreichs scheinen die Straßenemeuten in voller Blüthe zn stehen. An die Unruhen in Preßburg, Pest und Wien haben sich nun auch Excesse in Agram, der Hauptstadt Croatiens, und in Prag angeschlossen. Die Tumulte in Agram, bei denen die mit ungarischer Aufschrift versehenen Schilder von mehreren Amtsgebäuden heruntergerissen wurden, characterisiren sich als eine gegen das Magyarenthum ge- richtete Demonstration der Croaten und sind ein bedenkliches Zeichen für die zwischen Ungarn und Croaten sich immer bemerklicher machende Abneigung. Die Erregung in Agram soll noch immer groß sein und wird die Wiederholung der Unruhen befürchtet. Was den in Prag am Mittwoch Abend stattgefundenen Tumult anbelangt, so trug derselbe einen antisemitischen Character, doch gelang es hier der Polizei, die Tumultuanten in kurzer Frist zu zerstreuen und war die Sache mit einigen Verhaftungen abgethan. — In Wien hat am Donnerstag die feierliche Eröffnung der electrischen Ausstellung durch den Kronprinzen Rudolf stattgefunden. Frankreich. Auf dem tonkinesischen Kriegsschauplätze steht endlich eine größere militärische Action der Franzosen bevor, die bestimmt ist, den Feldzug gegen die „Schwarzen Flaggen" womöglich zu einem raschen Ende zu führen. Es soll in diesen Tagen der Sturm auf Hue erfolgen und hoffen die Franzosen von der Ein nahme der anamitischen Hauptstadt eine nachhaltige Wirkung auf den Kaiser Phüdac und die „Schwarzen Flaggen". Indessen ist die Einnahme von Hue gerade kein leichtes Unternehmen, denn die un weit der Meeresküste liegende Stadl ist theils von dem Flusse Hue, theils von breiten Canälen und Stadtgräben umgeben und überdies von französischen Ingenieuren seinerzeit auf europäische Weise stark befestigt worden. Außerdem wird der Fluß vor seiner Mündung in das Meer durch eine natürliche Varrn vertheidigt, welche die Franzosen mit ihren Kanonenbooten erst forciren müssen, ehe sie mit denselben an Hue selbst herankommen und die Stadt bombardiren können. Ob aber selbst mit der Einnahme von Hue der tonkinesische Feldzug der Hauptsache nach zu Ende sein wird, ist noch zweifelhaft, um so mehr, als China jetzt Miene macht, die den „Schwarzen Flaggen" bisher gewährte heimliche Unterstützung in eine offene zu verwandeln. Der Commandant vom Nam Diah, Oberst Badens, soll einen neuen Ausfall gemacht und hierbei abermals dem Feinde schwere Verluste beigesügt haben. — Aus Frohsdorf wird eine leichte Besserung in dem Befinden des Grafen Chambord gemeldet, doch ist der Zustand des Prätendenten trotzdem noch äußerst besorgniß erregend. England. In England sieht man dem Schluß des Parla ments für Ende dieser Woche entgegen, da mit der am Donnerstag vom Oberhause definitiv angenommenen Cholerabill und der schottischen Pachtbill fast alle Vorlagen ihre Erledigung gefunden haben. Ob das Parlament vor seinem Auseinandergehen noch definitive Be schlüsse bezüglich der Verwaltung Egyptens und der Zurückziehung der englischen Truppen aus Egypten fassen wird, ist nicht sehr wahr scheinlich; einstweilen wird die englische Regierung den Dingen in Egypten wohl ihren Lauf lassen. Spanien. König Alfonso von Spanien gedenkt sich, wie nunmehr feststeht, am 3. September in Coruna (Nordspanien) nach Havre einzuschiffen, um dann über Paris seine Reise nach Wien und Berlin fortzusetzen. Die leitenden Kreise in Madrid scheinen dem ¬ nach den Aufstand für vollständig unterdrückt zu halten, denn sonst würde sich der spanische Herrscher nicht auf längere Zeit außerhalb des Landes begeben. Was den angekündiglen Wechsel im spanischen Ministerium aubetrifft, so scheint derselbe vorläufig ausgeschoben zu sein. Man meldet wenigstens in dieser Beziehung ans Madrid, daß vor der Rückkehr des Königs keinerlei Veränderungen innerhblb des Ministeriums zu erwarten seien, und auch erst nach diesem Zeitpunkt die konstitutionellen Garantien miederhergestellt würden. Türkei. Die türkische Hauptstadt beherbergt gegenwärtig in der Person des Fürsten Nikita von Montenegro einen interessanten Gast. Zum ersten Mule weilt ein montenegrinischer Herrscher in der Hauptstadt des Erbfeindes der Czernagorzen und die Beziehungen zwischen Cettinje und Constantinopel müssen in der That freundliche, um nicht zu sagen, intime, geworden sein, um diesen Besuch zu er möglichen. Mau will es offenbar in Cettinje wie in Constantinopel zu vergessen suchen, daß i» den wilden Bergschluchten Montenegro's viele Tausende von türkischen Schädeln bleichen und das ist unter den heutigen Verhältnissen auf der Balkanhalbinsel auch das Beste. Egypten. Mit dem offenbaren Niedergange der Cholera in Egypten gewinnt das unter dem Einflüsse der Epidemie fast ganz erstarrte politische Leben im Pharaonenlande wieder an Regsamkeit. Als ein Beweis hierfür ist die Meldung des „Reuterschen Bureaus" aus Alexandrien aufzufassen, wonach in Kairo eine Ministercrisis ausgebrochen sein soll. Niaz Pascha soll mit der Bildung eines neuen Cabinets beauftragt sein, worin man wohl einen Uebergang aus den anarchischen Zuständen, in denen sich Egypten trotz der An wesenheit der Engländer gegenwärtig befindet, zu geordneteren Ver hältnissen zu erblicken hat. Auf Irrwegen. Novelle von L. Calm. (Fortsetzung.) Der Varon hatte sich direct auf sein Zimmer begeben. Er fühlte sich jetzt, wo die Entscheidung vorüber war, weniger niederge drückt und beklommen, als diese letzten Tage. „Es war immer mein Grundsatz," sprach er bei sich — „ange nehm leben, so lange es geht, und ist das nicht mehr möglich, dann gar nicht leben. Ah, ich werde eben so gut den rechten Fleck zu treffen wissen, wie Saremba!" — Der Kammerdiener des Barons trat ein und fragte nach seinen Befehlen für die Nacht. „Ich bedarf nichts, Franz, ich bin müde und werde schlafen. — Aber Du siehst traurig aus — ist Dein Schatz Dir untreu?" „Ach, Herr Baron!" „Nun, heraus damit! Kennst Du mich nicht mehr? Ist mit Geld zu helfen?" „O gnädiger Herr, aber es ist eine so große Summe — der Vater meiner Helene —" „Still, still, Du hörst ja, daß ich müde bin. Hier —" er öffnete seinen Secretair — „nimm Dir, soviel Du brauchst. Wenn Du später mit Deiner Helene bei mir in Buchfeld wohnst, werdet Ihr das schon abarbeiten. Nur vorwärts!" Er schob den Freudestrahlenden, der sein Glück noch nicht fassen konnte, aus dem Zimmer und sprach lächelnd, indem er das Pistolen - kästchen auf den Tisch setzte: „Das ist nunmehr ein Mensch, der sein Lebenlang meinen Ruhm singen wird, was auch die Andern sagen mögen. Ich hoffe, es wird nicht der einzige sein. Wenn Herr v. Ferrandez sich die Mühe geben wollte, dem Leichenzuge beizuwohnen, wenn ich nach Buchfeld über geführt werde, vielleicht scheint es ihm daun, als sei ich nicht ganz der notorische Bösewicht gewesen, für den er mich hält. Es fragt sich überhaupt, ob er das Werk, das er jetzt mit so vielem Eifer veranstaltet, nicht noch einmal bereut. Er ist ein Mensch mit Ge wissen und hat, wie mir manchmal schien, ein weiches Herz. — Doch nun fehlt noch, an Saremba zu schreiben — da kann ich ihm doch mit guter Manier das Geld zurückstellen. Es hat mir Glück ge bracht, Luise kann die verhältnißmäßig kleine Summe wohl entbehren." Er setzte sich hin und begann zu schreiben. — „Sie wird sich schon zu trösten wissen," fuhr er fort, „wenn ich nicht irre, wird Herr v. Ferrandez sich dies angelegen sein lassen. War er nicht bleich wie der Tod, als er mir das Flacon reichte? Und — aber mein Gott, wo mar ich denn?" — Der Baron schlug sich vor die Stirn und sprang empor. „Es ist Walter — Walter und kein Anderer! Haha, Walter, wer hätte damals, als du dein Abiturienten examen bestanden hattest und jubelnd heimkehrtest, als ich ungeduldig die Treppe hinabeilte dich zu umarmen, als du mir lachend und weinend zugleich um den Hals flogst, wer hätte damals geglaubt, daß mir uns einst so gegenttberstehen würden! Und er ist reich und mächtig geworden, während mich die Neue um ihn manche schlaflose Nacht gekostet — man sage nicht mehr, daß die Folgen über den Werth unserer Thaten entscheiden. — Solche Gedanken könnten mir ordentlich die Lust zum Leben miedergeben, wenn ich es in diesen letzten Tagen nicht so herzlich überdrüssig gemorden wäre. — Valeska, du bleibst die Einzige, der ich meine Schuld nicht quittiren kann, um deinetwillen habe ich die Strafe verdient, und doch habe ich dich einst geliebt. Bah, es ist mir alles überdrüssig hier, ich sehne mich förmlich nach dem Ende! Jenes Jahr, das mir meine Tochter raubte, das Valeska und Walter als drohende Schreckbilder in meinem Horizont zurückließ, hat den Grund zu diesem Lebensüberdruß gelegt — es war eiue ekle Existenz seitdem." Er nahm ein Päckchen Briefe aus seinem Bureau, die, von einer