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stimmig zum Präsidentschastscandidaten der Republikaner ernannt; Longa wurde zum Vicepräsidentschaftscandidaten noniinirt. . Vermischtes. * Ganz unerwartet hatte der Kaiser am Dienstag zu 2^/z Uhr Nachmittags seinen Besuch im Sedan Panorama ansagen lasten, um das in der Vollendung begriffene Diorama: „Kaiser Wilhelm auf der Höhe von Frenois, in dem Augenblick, wo General Reille ihm den Brief Napoleons überreicht", zu besichtigen. Neber diesen Be such wird der „Voss. Ztg." Folgendes mitgetheilt: „Das Diorama — von A. von Weber gemalt, Landschaft von E. Bracht — ver anlaßte den Kaiser, sich zu seiner Umgebung in Erinnerungen an jenen merkwürdigen Moment, auszuspreche». Er orientirte sich so fort vollkommen in der Umgebung von Sedan bis in die kleinsten Einzelheiten. Selbst den Stuhl im hohen Grase erkannte der Kaiser als denjenigen wieder, auf dem er den Brief an Napoleon geschrieben. Der Ausführung zollte er seinen vollen Beifall. Nach fast einer halben Stunde äußerte der Kaiser den Wunsch, noch ein mal das Hauptpanorama zu sehen, und auch hier recapitulirte er, indem er auf dem sich drehenden Podium das Schlachtfeld übersah, die Ereignisse des Tages, namentlich soweit sie ihn persönlich be trafen. Im Vestibül angekommen, blickte der Kaiser durch die große Scheibe in das Restaurant, und als ihm mitgetheilt wurde, daß da selbst das Soldatenleben im Frieden, im Gegensatz zu dem Ernste oben, bildlichen Ausdruck gefunden habe, erklärte er, eintreten zu wollen. Es mar keine Kleinigkeit, in dem am 3. Feiertag besonders von Provinzialen stark gefüllten Restaurant die Besichtigung möglich zu machen, obgleich sofort alle Zugänge gesperrt wurden, um weiteren Zudrang zu verhindern. Dank der würdigen Haltung der Gäste gelang es dennoch ziemlich gut. Die reizenden Bilder der Maler G. Koch und Röchling, Schüler vün A. von Werner, inleressiren den Kaiser augenscheinlich und nöthige» ihm mehrmals ein herzliches Lachen ab. Am Ausgange hatten sich die beiden Buffetdamen, eine Elsässerin und eine Lothringerin, in ihren Nationalcostümen vostirt, um dem Kaiser einen Pokal des dort geführten Münchener Bieres der Berliner Unionsbrauerei zu credenzen, den der Kaiser mit Freundlichkeit annahm. Die zahlreiche Volksmenge auf der Straße begrüßte den Kaiser sowohl bei seiner Ankunft wie bei seiner Ab fahrt mit gewohnter lauter Herzlichkeit". * (Militärisches.) Schon wiederholt ist für die Abschaffung der Küraß-Bekleidung der Kürassiere eingetreten worden, weil sie Mann und Pferd ohne hervorragende Vortheile zu gewähren, übermäßig belasten — der Küraß wiegt etwa 7,5 Kilogramm — und die Aus rüstung vertheuern. Mag der Küraß auch gegen blanke Waffen Schutz gewähre», so behindert er andererseits am Fußgefecht und die Gefährlichkeit von Schußwunden ist bedeutender. Dazu kommt, daß ein Kürassier-Regiment in seiner heutigen Verfassung zum Vor posten- und Avantgarden-Dienst nicht in demselben Maße geeignet ist, wie ein leichtes Cavallerie-Regiment, daß die schweren, großen Pferde weit weniger widerstandsfähig, weniger ausdauernd und da bei schwerer ernährungsfähig sind, als kleinere leichte und gedrungene Pferde, und mancher andere mit dem Wesen der Kürassier-Truppe zusammenhängende Nachtheil. Nunmehr sollen versuchsweise per Schwadron 25 Reiter mit einem Karabiner ausgerüstet werden, und dieser Umstand dürste vielleicht Veranlassung gebe», in der Frage der Küraß-Ausrüstung Wandel zu schaffen. Die Einheitlichkeit der Ausrüstung wird gefördert, es treten Ersparnisse ein und die Ver wendungsfähigkeit wird erhöht. Gerade des Kürasses wegen ist bei der genannten Waffengattung der deutsche Sattel bisher in Ver wendung gewesen. Uebrigens hat es auch in unserer Armee eine Zeit gegeben, in welcher die Kürassiere keinen Harnisch trugen. Beim Regierungsantritt Friedrich des Großen bestanden 12 Regi menter Kürassire mit in Summa 60 Schwadronen; zu ihnen traf später das Regiment Gardes du Corps. Letzteres trug einen blanken, erstere einen schwarzen Küraß. Nach dem siebenjährigen Kriege verschwand der Küraß allmälig und hörte 1790 gänzlich auf zu existiren. Erst nach den Befreiungskriegen legten die Kürassiere aus der Kriegsbeute den jetzigen Doppel-Küraß an. Daß einzelne Staaten den Küraß bereits wirklich abgeschafft, dürfte bekannt sein. * Circa 15 „ehrliche Finder". Einer in Berl in in derSchützen- straße wohnenden Dame war am vorletzten Mittwoch ein Kanarien vogel entflogen. Die Herrin desselben hatte darauf in einer Zeitung 10 M. Belohnung für die Wiederbringung ihres Vogels geboten. Bis zum Sonntag sind nun wenigstens 15 Personen bei ihr gewesen, welche „den davongeflogenen Kanarienvogel wiederbrachten". Da aber die Dame den ihr lieb gewordenen Sänger in all'diesen Kanarien vögeln nicht wiederzuerkennen vermochte, mußten die „glücklichen Finder" unverrichteter Sache wieder abziehen. Offenbar hatten hier mehrere Besitzer von Kanarienvögeln eine günstige Gelegenheit ver- muthet, ihren Vogel für den acceptirten Preis von 10 M. loszuschlagen. * Echternach, 3. Juni. Der dritte Pfingstfeiertag bringt in das kleine, an der Sauer gelegene luxemburgische Städtchen Echternach ein äußerst bewegtes Leben, indem von Nah und Fern Theilnehmcr und Zuschauer zu der in der ganzen Christenheit einzig dastehenden Prozession der-springenden Heiligen herbeieilen. Die luxemburgischen Bahnen können den Verkehr kaum bewältigen, da zu den über 10000 zählenden Theilnehmern noch fast ebenso viele Zuschauer kommen; nur mit den größten Schwierigkeiten und bei langer Vorausbestellung gelingt es, für den Prozessionstag ein Nachtquartier zu erhalten. Am Morgen zwischen 8 und 9 Uhr sammelte sich die zahllose Menge an der Sauerbrücke, welche nach dem preußischen Städtchen Echter nacherbrück hinüberführt, und nahm in Reihen zu vier oder fünf Aufstellung. Da schwächliche und kranke Personen nicht zu springen brauchen, so bieten sich bei dieser ersten Aufstellung freiwillige Springer mit den Worten an: „Wollet Ihr mich dange (dingen) für zu spränge (springen)?" Der Preis eines solchen freiwilligen Springers variirt zwischen 1 und 2 Francs, aber auch während der Wallfahrt finden sich solche Ersatzspringer für kürzere Strecken für wenige Sous. Die Musikkorps, von denen wohl über 20 in dem von Geistlichen (die übrigens nicht mitspringen) geleiteten Zuge einhergingen, spielten fortwährend die Weise: „Adam hatte sieben Söhne", nach welcher sich der Zug in springender, hüpfender Vor- und Rückwärtsbewegung der Gnadenstätte zuwälzte, welche in der Pfarrkirche des heiligen Willibrod sich am Hochaltar befindet. Mit gerötheten, schlagfluß artigen Gesichtern naht sich der Zug der Kirche, um die zu derselben hinaufführende, etwa 60 Stufen zählende Treppe ebenfalls hinauf zuspringe» : dann wird noch m der Kirche uni ein großes Holzkreuz herumgesprungen und die Pilger sinken erschöpft und ermattet in's Gras. Erst gegen Mittag langen die letzten Pilger an, welche zu dem etwa IV2 kilometer langen Weg durch das Vor- und Zurück hüpfen gegen 2 Stunden gebrauchen; schwach werdende Personen werden während des Springens mit Wein gestärkt und hie und da sieht mau wohl ein durch Anstrengung arg verzerrtes Gesicht. Der Nachmittag und Abend wird dann in den Restaurationen zugebracht, in denen sich ein höchst interessantes Volksfest abspielt, zu welchem sich Zuschauer aus allen Kreisen und allen Ländern einfinden; ein erheblicher Antheil entfällt dabei auf die Engländer, welche mit be sonderer Vorliebe der Echteruacher Springprozession beiwohnen. Zu bemerken ist noch, daß man den Musikern die Mundstücke zu ihren Blasinstrumenten versteckt hatte und nur schwer Ersatz fand. * Ueber einen furchtbaren Unglücksfall, welcher sich am 1. dss. Nachmittags in Lilli zugetrageu hat, werden dem „Dr. I." folgende Details berichtet: Auf der Esplanade der Festung, von welcher man einen weiten Ausblick auf die Gegend genießt, war in einem 40 Mtr. hohen Gerüste ein großer Fahrstuhl angebracht worden, in welchem man gegen eine kleine Gebühr bis zur Spitze des Gerüstes empor fahren konnte. Während unten auf dem Platze die Bezirkspferde ausstellung zahlreiche Menschen angesammelt hatte, riß sich plötzlich oben der überladene Fahrstuhl los und stürzte mit 20 Insassen herab. Man kann sich das Geschrei und Entsetzen der eben noch vergnügten Menge denken. Noch erhöht wurde die Schauerlichkeit der Scene dadurch, daß oben auf dem Gerüste in dem um dasselbe herumlaufen den festen Balkon noch gegen 20 Personen waren, die theils An gehörige der Verunglückten, nun nicht herabfahren konnten, und während die Aerzte unten mit den Opfern der Katastrophe beschäftigt waren, von der Feuerwehr einzeln an Stricken Herabgelaffen werden mußten. Der Fahrstuhl, welcher aus schwindelnder Höhe nieder gestürzt, war nur für 10 Personen eingerichtet und hatte die doppelte Zahl ausgenommen. Einer der Verunglückten, der Rentier Tauche aus Roubaix, war auf der Stelle todt; 6 oder 7 der Verwundeten werden nicht mit dem Leben davon kommen; die meisten übrigen sind schrecklich verstümmelt. Hierzu berichtet man weiter: Das Fahr stuhl-Unglück in Lille, über welches telegraphisch berichtet wurde, ist leider sehr ernst. Fast sämmtliche Verletzungen sind sehr schwer. Auf der Stelle wurde allerdings nur eine Person getödtet, aber von den 18 Personen, die auf dem Aufzuge sich befanden, sind mehrere in verzweifelter Lage. Der Aufzug, von Eisen konstruirt ist 48 Mtr. hoch, hat auf halber Höhe und an der Spitze eine Plattform, auf welcher man eine Rundschau über ganz Lille genießt. Der Aufzug, der nur für 8 Personen eingerichtet ist, war'mit 18 beladen, und säst gleich nach der Abfahrt von oben riß das Tau, und die Bremsen versagten den Dienst. So stürzte der Fahrstuhl die volle Höhe hinab, schlug unten auf und flog wieder ein Stück in die Höhe. Die um hergeschleuderten Trümmer ließen schon die Schwere des Unglücks ahnen. Als man den Fahrstuhl öffnete, waren die Menschen drinnen zuerst vollständig betäubt. Erst nach einigen Minuten kamen sie zu sich und nun erfüllte ein herzzerreißendes Wehklagen die Luft. Die Verletzungen bestanden hauptsächlich in Beinbrüchen. Als man sämmt liche Personen aus dein Fahrstuhle herausgenommen und in das nächste Cafä gebracht hatte, fand man noch einen Damenstiefel mit dem Fuße darin, der über dem Enkel stumpf abgebrochen war. * Die russische Kriegseutschädigungsfrage ist in einer der Pforte von dem russischen Botschafter überreichten Note aufs Neue angeregt worden. Der gegenwärtige Stand der Lage ist kurz folgender: Die Pforte, welche sich verpflichtete jährlich 350,000 Pfd. Sterl, zu zahlen, verpfändet gewisse Einkünfte, die, wie berechnet wird, 25 pCt. über diesen Betrag liefern. Voriges Jahr ergaben diese Einkünfte in Folge eines neuen Einziehungssystems, der niedrigen Getreidepreise und anderer Ursachen nur etwa ein Drittel des berechneten Einkommens. Der russische Botschafter lenkt jetzt die Aufmerksamkeit auf diesen Umstand und ersucht um Ueberweisung weiterer Einkünfte behufs Deckung der Rückstände und Vermeidung neuer Defizite. * Der schwere Psingstfeiertagsdienst der Schaffner derjenigen Eisenbahnen, welche in Berlin ihren Ausgangspunkt haben, hat auf der Strecke Berlin - Magdeburg beklagensmerthe Opfer gefordert. Bei Babelsberg ist der in Steglitz wohnhafte Schaffner Schlanske vor Ermüdung vom Trittbret gefallen und todt gefahren worden. Desgleichen haben vor Magdeburg 2 andere dienstthuendeSchaffner durch Herabgleiten von den Trittbretern ihren Tod gefunden. * Chicago, 6. Juni. Die Nationalconvention ernannte nach 4 Wahlgängen schließlich Blaine einstimmig zum PrasiocntschaftS- candidaten und Logan zum VicepräsidentschastScandidate». * (Aus der Tyroler Dorfschule.) Lehrer: „Wer weiß, was addiren ist?" — Schüler: „A' Dirn' is a Viehmagd!"