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Schmidt und Eugen Richter. Letzterer griff die Nationalliberalen wegen ihres Vorgehens gegen die Deutschsreisinnigen scharf an und vertheidigte die Fusion der Fortschrittspartei mit den Secessionisteu als eine weise That. Wahlparolen seien die Getrcidezölle und Steuer- freiheitssragen; im weiteren Verlause seiner Rede rechtfertigte Richter die ablehnende Haltung seiner Partei gegenüber dem Unfallvcrsichcr- ungsgesetz und der DampfcrsnbventionSvorlage und erklärte bezüglich letzterer, bah die Deutschfreisinnigen den Vorwürfen wegen Ablehn ung der Vorlage gern Trotz bieten könnten; wenn übrigens die Co lonialpolitik nichts koste, könne man mit ihr ja einverstanden sein. Schließlich sprach der Führer der Deutschfreisinnigen die Ueberzeug- ung aus, daß seine Partei siegreich aus dem Wahlkampfe hervor gehen werde. Die irdische Hülle des Generalfeldmarschalls Herwarth v. Bit tenfeld ist am Sonnabend unter großen Feierlichkeiten per Bahn van Bonn nach Coblenz ttbergeführt worden, wo die eigentliche Be erdigungsfeier stattfindet. Der Kaiser war bei der Ueberführung der Leiche nach dem Bahnhose durch einen besonderen Abgesandten vertreten, den Obersten Fink von Finckenstein. Die bevorstehende Kaiserbegegnung auf polnischen Boden ist seit der am Montag erfolgten Ankunft des russischen Kaiserpaares in Warschau wieder ein Hauptthema der politischen Discussion gewor den. Nur ist es noch immer nicht ganz gewiß, ob auch Kaiser Wil helm au der Zusammenkunft theilnimmt, welche zwischen Czar Alexander und Kaiser Franz Josef entweder noch in dieser oder wenigstens Anfang nächster Woche stattfindet und zwar, wie jetzt von verschiedenen Seiten übereinstimmend versichert wird, zu Skier- niewice an der Warschau-Wiener Bahn. Es ist schon früher von Berlin aus darauf hingewiesen worden, daß die bevorstehenden Manöver-Anstrengungen die immerhin beschwerliche Reise nach Rus sisch-Polen als nicht räthlich für unsern Kaiser erscheinen ließen, anderseits wird aber jetzt behauptet, daß Kaiser Wilhelin doch gleich falls nach Skierniewice reisen werde, wahrscheinlich begleitet vom Fürsten Bismarck. Vorläufig ist demnach in dieser Beziehung das Weitere abzuwarten. Jedenfalls wird aber der Monarchen-Entrevue in dem russischen Städtchen, mag sie nun schließlich als eine Zwei oder eine Drei-Kaiserzusammenkunft herausstellen, eine große poli tische Tragweite nicht abzusprechen sein, die sich schon daraus ergiebt, daß der Czar fast von allen seinen Ministern, unter ihnen auch Herr v. Giers, der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Rußlands, be gleitet ist. Vor allem dürfte aber die Monarchen - Begegnung in Skierniewice eine Abgrenzung der widerstreitenden Interessen Ruß lands und Oesterreichs auf der Balkan-Halbinsel herbeiführen, soweit sich dies im Nahmen der Bestimmungen des Berliner Vertrages durchführen läßt, und hiermit wäre für die weitere Erhaltung des friedlichen Zustandes in Europa schon viel gewonnen. Frankreich. Aus China liegt heute wenig Neues vor, aber auch dieses Wenige zeugt von dem Vorherrschen der kriegerischen Stimmung in den leitenden Pekinger Kr°isen. Dafür spricht z. B. die Absetzung von sechs Mitgliedern des Departements der auswär tigen Angelegenheiten, weil sie zum Frieden mit Frankreich gerathen haben und weiter bedroht die chinesische Negierung alle Diejenigen, welche die Zahlung der Entschädigung anempfehlen, mit harten Strafen. Ferner sollen die chinesischen Behörden Shanghai für neutral, Woosung dagegen, mit Ausnahme eines Canals, für blokirt erklärt haben. Ein bedenkliches Zeichen für den wachsenden Fana tismus der Chinesen ist die Plünderung der Häuser der Fremden in Foutchou, und zwar ohne Unterschied der Nationalität, durch chi nesische Soldaten. Da die Engländer doch schon vor einiger Zeit ein starkes Detachement Marinetruppen in Foutchou gelandet hatten, so läßt sich eigentlich nicht begreifen, weshalb sie nicht die Plünder ung des Fremdenviertels verhindert haben. Als definitiven Nach folger des Generals Millot im Ober < Commando des französischen Expeditionscorps in Tonkin nennt man jetzt den General Briöre de l'Kle. Eine rasche Wiederbesetzung dieses wichtigen Postens empfiehlt sich auch um so mehr, als in der That eine chinesische Armee sich in drei Colonnen in Bewegung gesetzt haben soll, um zunächst die französischen Stellungen in Honghoa und Bacninh anzugreifen. Italien. Die sanitären Zustände Italiens stellen sich noch immer als wenig erquickliche dar. König Humbert selbst hat sich nach Neapel begeben, welche Stadt zur Zeit als der Hauptcholera herd der Apenninenhalbinsel betrachtet werden muß, um durch seine Anwesenheit den gesunkenen moralischen Muth der Bevölkerung zu heben. Das edle Beispiel selbstvergessener Aufopferung, welches der italienische Herrscher seinem Volke in schweren Tagen giebt, wird von dem intelligenteren Theile der Nation seiner vollen Tragweite nach gewürdigt. Sogar engragirte Republikaner längnen nicht den mächtigen Eindruck, den das ebenso ritterliche wie menschenfreundliche Verhalten des Königs auf die öffentliche Meinung hervorgebracht habe. Von der wenig nutzbringenden Quarantaine an der öster reichischen und schweizerischen Grenze scheint man sich nun maßgeben den Orts in Rom überzeugt zu haben, denn der Gesundheitsrath Hut beschlossen, die Quarantaine an den bezeichneten Grenzen auf zuheben. Schweiz. In Bern ist am Montag die von den meisten euro päischen Staaten beschickte internationale Conferenz zum Schutze des literarischen unv künstlerischen Eigenthums durch den Bundespräsi denten Droz eröffnet worden. Letzterer wurde auch zum ständigen Vorsitzenden der Conferenz gewählt. England. Die englische Negierung scheint sich nun doch end lich zu Concessionen a» die durch das Bombardement von Alexan drien Geschädigten entschließen zu wollen. Sie will demnächst den Mächten einen bezüglichen Entwurf vorlegen; nach demselben soll den betheiligten Personen entweder eine sofortige Zahlung der ihnen zugesprochenen Summen abzüglich 25 pCt. angeboten, oder die Zahl ung der ganzen Summe in Äcontozahlungen, die auf 10 Jahre er- theilt, offerirt werden. Japan. Die japanesische Gesandtschaft in London bezeichnet die Nachricht, daß Japan die Souverainetät über die Loochoo-Jnseln beanspruche, als unbegründet. Ein Franenttbe». Noma» aus den baltischen Provinzen Rußlands. Von Milly Pabst. (Fortsetzung.) Voll von Lob und Bewunderung über die prachtvolle Einrichtung und rationelle Bewirthschaftung des Gutes kehrte er heim. So entstand nach und nach ein reger Verkehr, der zn einem innigen freundschaftlichen Verhältnis) zwischen dem Greise und dem Jüngling führte, und ehe noch drei volle Monde in's Land gezogen waren, da bat der junge Mann den väterlichen Freund um die Hand seiner lieblichen Pflegetochter. Im ersten Augenblicke war Herr Falkenstein auf's freudigste überrascht. Er liebte den edlen gemüthvollen Jüngling von ganzem Herzen, wie er seinen Sohn geliebt; es kamen ihm aber schwerere Bedenken über die Ungleichheit der Verhältnisse und er fragte kopf schüttelnd: „Mein theurer junger Freund, haben Sie bei dieser Wahl auch an Ihre Mutter gedacht ? Ich bin überzeugt, sie wird ihre Einwilligung zu dieser Verbindung nie geben!" Die Stirn des pingen Mannes umwöllte sich. Düster vor sich hinblickend sprach er: „Ich habe nie, seit ich erwachsen bin und selbstständig zu denken angefangen, mit meiner Blutter in meinen Ansichten harmonirt, ich habe es daher unterlassen, sie von meiner Wahl schon jetzt in Kenntniß zu setzen, bin überhaupt entschlossen, sie erst mit der vollen deten Thatsache zu überraschen. Bäte ich sie jetzt um ihre Einwillig ung, so würde ihr herrischer, stolzer Sinn mir dieselbe unbedingt verweigern, und mir bliebe dann nur offener Trotz, wollte ich dennoch mein Lebensglück nicht der Chimäre der Standesvornrtheile zum Opfer bringen. Mit der vollendeten Thatsache wird sie sich eher aussöhnen, und dann hoffe ich auch, daß Lina's kindlicher Liebreiz ihr Herz nicht unberührt lassen wird. Oh," rief er bittend mit erhobenen Händen, als der Greis noch immer bedenklich vor sich hin sah, „vertrauen Sie meinen Händen dieses liebliche Kind an, ich werde es vor jedem rauhen Windhauch zu schützen wissen. Legen Sie mir nicht auch noch Hindernisse in den Weg! Ich fühle es, nur Lina kann mir dieses hohe identische Glück bereiten, von dem jeher meine Seele träumte, und als ich sie zum ersten Mal im Walde sah, so hold und schön, da erschien sie mir wie der lichte Seraph, den Gott mir gesandt, an dessen Hand ich den lichten Höhen des Lebens und Glückes zustreben sollte!" Und der junge Mann ließ nicht nach mit Bitten und Betheuern bis der zögernde Greis überwunden dem jungen Brautpaare gerührt seinen Segen gab. Der Sommer verging, und der Herbst mit seinen rauhen Winden, kalten Regenschauern, dichten Nebel und trüben Dämmertagen hielt eilig seinen Einzug. Dem Auge, welches jetzt über Feld und Wald schweifte, bot sich kein erquickender Nuhepunkt mehr. Alles grau, trübe, öde! Um so schneller kehrte der Blick zurück in die inneren nun doppelt behaglichen Räume des Hauses. Und wahrlich! das Bild, das sich heute im schönsten Gemach des Waldschlößchens dem Auge des Beschauers bot, ließ ihn schnell das trübe Aussehen der Natur vergessen. An der festlich geschmückten Tafel saß die liebliche junge Braut im Hochzeitsgewande. Obgleich der Kreis der Hochzeitsgäste sehr klein war und nur aus den nächsten Familiengliedern bestand, herrschte doch ungezwungenste Heiterkeit und hellster Frohsinn. Der übersprudelnde Humor des Bräutigams riß Alle mit sich fort, und Glas auf Glas wurde auf das künftige Glück des neuvermählten Paares geleert. Neckereien flogen von allen Seiten besonders dem lustigen jungen Ehemanns zu, der wußte aber alle vorzüglich zu pariren und zahlte mit gleicher Münze wieder. Selbst der Pflegevater Lina's, der anfangs recht ernst und sinnend auf den jungen Mann geschaut hatte, stimmten nun auch in den allgemeinen Jubel mit ein und rief, sein Glas gegen die alte, seit vielen Jahren halbgelähmte Großmutter Lina's erhebend: „Stoßen Sie mit mir an, Tante, Sie haben's sich doch nicht träumen lassen, daß unsere kleine Lina noch einen so reichen Guts herrn zum Manne bekommt! Drum wünschen wir ihnen ein recht — recht langes, ungetrübtes Glück!" — Mit ernster, fast sorgenvoller Miene stieß die Greisin, die mit Herrn Falkenstein weitläufig verwandt war, an. Ihre bleichen, leidenden Züge trugen den Schiminer inneren Seelenfriedens, wie er nur dauernd dem Antlitz verbleibt, wenn der Mensch durch schmerz liche Seelenkämpfe sich siegreich zum Frieden mit Gott, der Welt und sich selbst durchgerungen hat. Langsam und feierlich sprach sie: „Wünschen wollen wir es ihnen von Herzen, ob aber unsere Wünsche auch in Erfüllung gehen, das kann nur der Allwissende wissen!" Daun, den Blick wie geistesabwesend in die Ferne richtend, fügte sie leise noch hinzu: