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Cultusminister gelungen, für Professor Or. Koch eine andere, diesem zusagende Stellung zu finden. Seit einiger Zeit, und besonders nach den großen Erfolgen der vorjährigen Hygieine-Ausstellung ist in dem genannten Ministerium die Errichtung eines „Hygieinischen Instituts" geplant worden, einer Anstalt, welche, als eine Abzweigung der Berliner Universität und analog den bereits bestehenden physio logischen rc. Instituten zur Ausbildung der jungen Mediciner als dringend nothwendig erkannt worden ist. Dem Prof. Koch ist nun das Directorat dieses neu zu errichtende» hygieinischen Instituts an getragen worden und derselbe hat dieses Anerbieten bereitwillig acceptirt. Oesterreich-Ungarn. Alle bedeutenden Blätter Oesterreichs und Ungarns feierten die Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Kaiser Franz Josef in Ischl als ein bedeutsames Ereigniß für das Wohl Oesterreich-Ungarns und Deutschlands, ja ganz Europas. Das offiziöse Wiener „Fremdenblatt" schrieb, das deutsch-österreichische Bündniß sei nicht nur ein Product der politischen Interessen, sondern auch der Gesinnung und Ueberzeugung, und die „Neue Fr. Presse" betonte, daß sich der Geist der Gemeinsamkeit zwischen Oesterreich und Deutschland immer enger knüpfe und jedes Jahr in der Kaiser begegnung in Ischl einen herzlicheren Ausdruck finde. — In Ischl, das während der Anwesenheit Kaiser Wilhelm's einer einzigen Triumph straße glich, fanden während der Kaiserbegegnung ain Mittwoch die Festlichkeiten wie früher statt. Nachmittags war große Galatasel, zu welcher Kaiser Josef den Kaiser Wilhelm persönlich abholte, und Abends war Galavorstellung im Theater, wohin sich beide Kaiser wiederum gemeinschaftlich begaben. Die Einwohnerschaft und die Badegäste in Ischl begrüßten die beiden Monarchen bei jeder Ge legenheit enthusiastisch, und bildeten die Kaisertage in Ischl ein wahres Freudenfest. Frankreich. In den Sitzungen der Nationalversammlung zu Versailles, die sich mit der Berathung der Verfassungsrevision beschäftigt, haben sich die tumultarischen Scenen seitens der Opposition nicht wiederholt und konnte die Plenarberathung am Donnerstage begonnen werden. Von den in der Commissionsberalhnng gestellten Aenderungsanträgen wurde nur derjenige von Andrieux angenommen, wonach bestimmt wird, daß kein Mitglied eines früheren französischen Herrscherhauses zum Präsidenten der französischen Republik erwählt werden darf. — In der Kriegsentschädigungsfrage ist Frankreich mit China noch immer zu keiner Einigung gelangt und sollen eventuell Zwangsmaßregeln gegen China in Anwendung kommen. — Der französische Resident in Hue ist angewiesen worden, den neuen Kaiser von Annam nur dann anzuerkennen, wenn derselbe alle Bestimmungen des mit dem Gesandten Patenotre abgeschlossenen Vertrages acceptirt. England. Außer den beruhigenden Erklärungen der eng lischen Minister über den weiteren Verlauf der egyptischeu Frage ist es in derselben bis jetzt zu keiner weiteren Action gekommen. Die englischen Zeitungen betonten, daß nun England entweder Egypten anfgeben oder die unverhüllte Verantwortung für die epyptische Negierung übernehmen müsse. Das bedeutet wohl, daß die Annexion Egyptens durch England bevorsteht. Wie es heißt, wird der erste Lord der Admiralität Northbrook seine Informations reise nach Egyplen Ende August unteruehmen. Rußland. Die russische Regierung scheint die Ausschreitungen gegen jüdische Staatsangehörige jetzt sehr streng ahnden zu wollen, denn in Folge der Judenkrawalle in Kunawino sind dem Gerichte zu Nischny-Novgorod 46 Ruhestörer überwiesen worden. Italien. Es ist wunderbar, aber nun doch unzweifelhaft wahr, daß gerade derjenige Staat, der mit der größten Strenge Sperrmaßregeln gegen die Cholera einführte, nämlich Italien, diese Seuche nun doch auf seinem Gebiete hat. Nach Mittheilungen der italienischen Negierung sollen in Grenzorten des nordwestlichen Italiens allerdings nur einzelne Fälle und nur bei solchen Personen eingetreten sein, die aus Frankreich gekommen waren. Es tritt aber durch diese Mittheilung nur noch mehr die Thatsache hervor, daß die fünftägige Quarantäne, die Italien gegen alle die Grenze passirenden Reisenden üben ließ, nichts genutzt hat. Das Cholera- Gist ist entweder viel längere Zeit im Stillen haftbar, ehe es zum Ausbruche der Krankheit kommt, oder es wird überhaupt noch auf eine andere Art verbreitet, als die Aerzte annehmen. Erlebnisse in einem alten Kastell. Absonderliche Geschichten. Erzählt von Maurus Jokay. (Fortsetzung.) Das Männchen erwiderte gar nichts auf diese meine Frage, sah mich blos von oben bis unten mit den dunkeln Augen an, faltete die Hände auf dem Rücken und ging weiter. Hm, sonderbare Menschen das! Welch kuriosen Manieren sie haben! Ich weiß nicht, ob ich mich daran werde gewöhnen können. Hierauf nahte sich mir aber sofort was mit heiterem Gelächter. Es war der Kammerdiener. Ein flügger, hüpfender Bursche von über vierzig Jahren, mit komischem Gesichte, das vom vielen Lachen völlig runzelig war. „Hahaha! Küß die Hand, gnädiger Herr, Gott hat Sie gebracht. Wir harrten Ihrer bereits; hahaha! warme Stube; .belieben Sie einzutreten. Daß Sie nur so glücklich ankamen, hahaha, hahaha! Ich bin Euer Gnaden unterthäuigster Kammerdiener, hahaha!" „Nun, Gott sei Dank, daß ich nur wenigstens auf einen lachenden Menschen treffe in diesem Hause." Und bei mir dachte ich, der kann > es nicht verhehlen, daß er sich meines Kommens freut, der gute i Bursche! Dann setzte ich wieder laut hiuzu: „Ich befürchtete schon, ich sei nicht an gutem Orte; mein Kutscher weinte und seufzte auf dem ganzen Wege." „Ach, ich bitte unterthänigst, der ist ein Narr, ganz und gar verrückt. Auf den belieben Sie nicht zu hören, denn der ist in der That irrsinnig." So? Das hatte ich nicht gewußt. „Dann dieser Thorwart, oder was er ist? Der vor mir endlos ins Gewehr rief auf offener Straße?" „Der? Hahaha! Der ist noch ein größerer Narr. Das ist ei» Narr in Folio. Aber trotz alledem ei» sehr treuer Mensch. Nachts schließt er kein Auge, so bewacht er die Herrschaft, hahaha!" „Schöne Gesellschaft!" dachte ich. „Und sodann der kleine stolze Gnom, der mich vorher so verächt lich maß, was ist das für ein Geschöpf?" „Ach, ich bitte unterthänigst: das ist der allergrößte Narr. Jetzt hat er gewiß wieder seinen Monat, und er bildet sich ein, daß er der König von Lappland sei! Hahaha! „Ei, die sind in der That gut zusammengewählt; drei Narren auf einen Haufen! Ist der Amtmann zu Hause?" „Jawohl, der ist daheim, bitte unetrthänigst, hahaha! Soll ich ihn herüberrufen? Hahaha!" „Nein, ich werde selbst zu ihm hinübergehen." „Hahaha!" Nun hätte ichs allmählich gern gesehen, würde der Kammerdiener zur Abwechslung einmal etwas das Lachen gelassen haben. „Wie heißt man Sie, Gevatter?" „Louis, gnädiger Herr, hahaha!" „Nun, Sie Louis, pflegen Sie stets zu lachen?" „Nein, ich bitte unterthänigst, ich lache niemals, hahaha!" Eine schöne Geschichte; das war offenbar der vierte Narr! „Nun, mein lieber Louis, lächeln Sie sich nur nach voller Lust aus, dann führen Sie mich hinüber zum Amtmann." Der Bursche half mir mit gewandtester Dienstfertigkeit meine Reisckleidung in Ordnung zu bringen; er war die Zuvorkommenheit selber, nur daß er stets, ob ich ihm etwas sagte oder er mir etwas, so hellauf lachte, als hätten wir uns gegenseitig die köstlichsten Dinge erzählt. Potztausend! Wir werden also hier ein recht lustiges Leben führen! Ich ließ mich durch ihn zum Amtmann geleiten und dann schickte ich ihn zurück. Der Amtmann mochte ein Mann in den Dreißigern sein, von feinem, herrenhaftem Aussehen. Sein Antlitz war mit Ausnahme des schwarzen Schnurrbartes und des schmalen Seitenbartes glatt rasiert. Seine Stirn wies sich hoch und bereits gehörig kahl. Er hatte starke Augenbraunen. Sein Wuchs war hager, geschmeidig und seine Haltung glich mehr einem Ministerialen Bureauchef, als einem ländlichen Amtmann. Als der Amtmann erfuhr, daß ich der gegenwärtige Besitzer der Herrschaft sei, gratulierte er mir. Er betheuerte mir, daß ich ein sehr rentables Gut übernommen hätte; der verstorbene Graf sei leidenschaftlicher Landwirth gewesen und habe jede Vervollkommnung auf seinem Grundbesitze eingesührt. Der Amtmann sprach mir vom Howardpflug, von der Claytonschen Dreschmaschine für vier Ochsen, von drainierten Waldwasserstellen, von der Esparsette und vom Steinklee, von englischen Ferkeln und Nombouilletböcken, von horn losen Kühen, die zehn halbe Milch geben, von Wiesenberieselung, der Vergypsuug und allerlei sonstigen angenehmen Dingen, in die auch ich wie vernarrt bin. All das sei schon auf meiner Herrschaft in Ausführung, stehe bereits in Flor, werde gezüchtet, befindet sich in guten Händen. Dienstleute und Herrschaftsbeamte seien schon einstudiert. Ich hatte wirklich Ursache mit dem Ankäufe zufrieden zu sein. Gerade ein solches war ja stets mein Ideal. In meiner Freude wollte ich mir eine Cigarre anstecken. Herr Melzer, das mar der Name des Amtmanns, der bemerkte, daß ich ein Zündhölzchen anstecken wollte, bat mich äußerst höflich, ich möge ihm zu lieb das Opfer bringen und in seiner Gegenwart Nichtrauchen. Ich steckte das Cigarrenetui wieder itt die Rocktasche, der Arme war wahrscheinlich brustkrank und Tabakrauch war ihm verboten. Man kann ohne das leben. Ich will warten, bis ich bei mir zu Hause bin. „Aber eine Sache finde ich sonderbar", sagte ich dem Amtmann. Welch ein Zauber schlug denn das hiesige Dienstpersonal? Ist das Wasser daran schuld, oder die Luft? Jeder hat seinen eigenen Sparren. Mein Kutscher weinte während des ganzen Weges und bekannte sich zuletzt zu einem Morde; der Thorwart ritt auf einem Steckenpferde vor mir her; der Jäger behandelte mich, als wäre er mein Herr, meinen Kammerdiener kann ich aber durch keinerlei Versprechen dazu bringen, daß er auch nur auf eine Sekunde sein Lachen stille." Der Amtmann sah mich erstaunt an. „Sie bekamen von dem Advokaten darüber keine Aufklärung?" „Was für welche Aufklärung? Worüber?" „Welcher Art dies Dienstpersonal sei und auch über anderes? Darüber wundere ich mich sehr. Das ist ja mit der Verkaufsbe dingung verbunden. Nun, es war nicht in Ordnung, wenn man das vor Ihnen verschwieg. Jetzt freilich ists schon zu spät. Diese Menschen, mein Herr, sind insgesammt Verrückte. Der selige Graf hatte die eigenthümliche Leidenschaft, daß er die verschiedenartigsten Irrsinnigen um sich versammelte, die er selbst zu heilen strebte, sie studierte und in Wirklichkeit mit großem Erfolge. Er wußte alle