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RegienmgSlath gehrirathet halte. Das Gericht in Kemden hat jetzt meinen Mann als Ihren Vormund hergeschickt und da habe ich ihn begleitet, weil ich in Ihnen das Vermächtniß einer theuren Todten sehe. Gertrud, ich habe selbst nie Kinder gehabt, wollen Sie, die Sie kaum eine Erinnerung an die Tochter haben werden, meine Tochter sein, so kommen Sie in meine Arme, geliebte Tochter meiner unvergeßlichen Selma." Die Dame breitete ihr liebevoll die Arme entgegen und noch einmal sank Gertrud an einem theuren Sarge an ein liebendes Herz. Die Vaterliebe, welche ihr von dem wilden Grafen entgegengetragen wurde, war ihr verderblich geworden auf ihrem Lebenswege; der Hand, die heute die Locken aus der Stirn der Weinenden strich, hätte die sterbende Mutter sie am liebsten anvertraut, als ihr Herz im Tode erkaltete. Ein Bund fürs Leben ward hier geschlossen am Sarge des Vaters, ein Bund, den der Geist der Blutter im Jenseits weihte. Weniger sympathisch mar das erste Begegnen zwischen dem Negierungsrath und seinem Mündel; schon das Wort „Vormund" hatte Gertrud erschreckt, dennoch wollte sie die Herrschaft weiterführen, die sie bei Lebzeiten des Vaters geführt hatte. Das wollte und konnte ihr der Negierungsrath nicht gestatten, denn es waren An gelegenheiten, von denen sie nichts verstand und in die sie drein redete, nur um ihm zu zeigen, daß sie die Herrin sei. Er kannte die innern Verhältnisse in Steinhausen nicht, wußte nicht, wer schuld war, daß ihm ein Trotzköpfchen gegenüberstand; so trat er ihr sehr entschieden entgegen und ließ sie mehr als fühlen, daß er jetzt die Herrschaft habe. Gertruds Stolz bäumte sich auf, als sich ihr ein Fremder nicht so fügen wollte, wie es der eigene Vater gethan hatte und es kam zu manchen Scenen, wo die Regierungsräthin vermittelnd eingreifen mußte, um beide Theile zu beschwichtigen und äußerlich zu versöhnen. Daher lehnte auch Gertrud entschieden das Anerbieten der Dame ab, sie nach Keniden zu begleiten und eine Zeitlang in ihrem Hause zu leben. Frau Ludmilla hatte gehofft, die Veränderung der Um gebung werde wohlthuend auf Gertruds Schmerz wirken; hier, wo sie bei jedem Schritt Alles an den Vater erinnerte, mußte sie fort während der schmerzlichen Erinnerung nachhängen, während sie es in der glücklichen Sorglosigkeit der Jugend am fremden Orte leichter überwand. Aber der Gedanke, in das Haus des Vormunds zu gehen, wo sie dann ganz und gar seiner Herrschaft, seinem Willen unterthan wcw, wie sie meinte, der war ihr unerträglich, und da hier der Vormund nicht befahl, blieben alle Bitten der Negierungs- räthin nutzlos gegenüber ihrem festen, unerschütterlichen Willen. In der Vormittagsstunde eines sonnigen Frühlingstages hatte sich der Hügel über Graf Kuniberts Grab geschlossen, an dem die Leidtragende, aber nur eine Trauernde, Schmerzerfüllte gestanden hatte. Von der Gruft des Vaters kehrte die weinende Tochter heim in ihr Schloß, an der Hand der Frau, die ihr mit Mutterliebe zur Seite stand, und in Gertruds Zimmer ansselangt, die Weinende durch liebevolle Worte zu trösten versuchte. Schon schwebte das Schwert des Verhängnisses über Schloß Steinhausen, um im nächsten Moment herabzustürzen, aber noch ahnte es keine der beiden Damen. Da trat der Negierungsrath ins Zimmer. Festigkeit und Ent schiedenheit waren stets der Ausdruck seines Gesichts gewesen, wenn er bisher mit Gertrud gesprochen, aber schon hatte ihn der alte Pfarrer milder gestimmt gegen sein Mündel durch offene Darlegung der Verhältnisse in Steinhausen. Hatte er also schon das jugendliche Wesen bemitleidet, dessen Trotzkopf der Vater nicht gebeugt, so fühlte er jetzt erst recht Theilnahme und Sympathie für die Ver waiste, an die das Schicksal heut erbarmungslos herantrat, denn er brachte ihr eine Nachricht, die nicht geeignet war, ihre Thränen zu trocknen. „Comtesse", begann er, „Sie sind nicht mehr die Herrin und alleinige Erbin in Steinhausen, bereiten Sie sich vor, einen Vetter zu empfangen, der der ältern Linie angehört, demnach hier größere Rechte hat, als Sie." Sie kannte es wohl, dies Gesetz ihrer Familie, das adelige Recht der Erstgeburt, aber noch erschrak sie nicht, dasselbe einem fremden Männe einräumen zu sollen und fragte ruhig: „Wo ist der Fremde? Ist es ein Sohn meines Onkels Eugen?" „Graf Eugens Sohn ist er allerdings, aber ganz frenid dürfte er Ihnen wohl nicht sein, denn er soll, wie ich höre, hier in Stein hausen zweiundzwanzig Jahre unter dem Namen Reginald Leithner gelebt haben." Da verließ sie ihre Kraft. „Reginald Leithner Onkel Eugens Sohn!" schrie sie erregt, ,)das känn nicht sein, das ist unmöglich!" „Nicht unmöglich, Comtesse. Er ist hier in Begleitung des Justizraths Lichtwer, den ihm das Gericht als Sachwalter mitgegeben hat, um seine Rechte Ihnen gegenüber festzustellen. Die Papiere, dis seine Identität beweisen, sind echt und vollgültig, so daß ihn das Gericht in Kemden anerkannt hat, und ich als Ihr Vormund, ihn anerkennen mnß. Er ist augenblicklich mit dem Justizrath in das Familienarchiv gegangen, das Familiengesetz Derer von Stein hausen hervorzusuchen, da die Erbschaftsangelegenheit durch sein Auftreten hier verwickelter wird. Dort kommen die Herren." In das Nebenzimmer, dessen Thür offen geblieben war, traten eben Reginald, der nunmehrige Graf von Steinhausen und der Justizrath Lichtwer; der Negierungsrath ging ihnen bis zur Schwelle des Zimmers entgegen, um sie einzuführen. Gertrud kämpfte einen schweren Kampf. Daß sie zurücktreten und ihm die Herrschaft lassen mußte, das wußte sie; sie kannte den Inhalt jener Schriften, die der Justizrath in den Händen hielt, noch ehe die Herren Einsicht in die Papiere genommen hatten, aber daß'er es war, der Tief- gehaßte, dem sie weichen sollte, das war es, was ihr das Zurück- weichen noch schwerer machte. In ihrer Brust lebten heute nicht milde, versöhnende Gefühle, keine liebende Mutter hatte je zarte, edle Negungen im jungfräulichen Herzen geweckt, keine Mutter den Hochmuth der jungen Grafentochter gebeugt, sondern der Vater hatte denselben genährt. Sie trocknete schnell die letzten Thränen und stand in fester Haltung da, als er die Schwelle des Zimmers überschritt. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Bei Schluß der Donnerstags-Neichstagssitzung — die Abge ordneten waren eben im Begriffe sich zu entfernen — rief, wie der „B. B. C." meldet, ein Mann von der Zuschauertribüne hinunter: „Ihr seid Alle Kohlrabiköpfe!" Der Nufer wurde von den Galerie- dieneru sistirt — es war eine dem Namen nach den Mitgliedern der Petitionscoinmission sehr wohl bekannte Persönlichkeit, ein ehe maliger Feldwebel, der zeitweilig Geistesstörungen unterworfen ist, der Dutzende von Petitionen erfolglos an den Reichstag geschickt hat und der seit einem Jahrzehnt auch die Zeitungsredactionen mit seinen Beschwerden und Bittgesuchen unsicher machte. * (Für zwei und eine halbe Million und sünfzigtausend Mark Diamanten.) Und wo ist der Schatz zu finden? Auf der Amster damer Ausstellung, die im Mai eröffnet wird, in einigen gläsernen Spindchen des „Diamanten-Häuschens." Die Amsterdamer Diamanten schleifer sind weltberühmt, und ihrer zweiundfünfzig haben sich zu- sammengethan, um diesen Zweig einer hochentwickelten KunsUJndustrie den Besuchern in allen Einzelheiten vor Augen zu führen. Natürlich wird der Schatz Tag und Nacht bewacht werden. Auch ist die Ein richtung getroffen, daß bei dem geringsten Druck gegen die gläsernen Wände, welche die Diamanten umschließen, die begehrten Schätze in einer eisernen feuer- und diebessicheren Versenkung verschwinden. * Großartiger Unterschleise hat sich ein Rechtsanwalt und Notar in Hildburghausen im dortigen Spar- und Vorschußverein schuldig gemacht und dadurch seine Familie zu Grunde gerichtet. Die Be trügereien belaufen sich auf die Summe von ca. 108,000 Mark, wovon allerdings nachträglich ein Theil gedeckt wurde. Der unge treue Beamte ist verhaftet worden. * Trier, 31. März. Die Dienstmagd Hilsamer, welche von der Zuchtpolizeikammer zu Trier im Jahre 1877 wegen Diebstahls zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt wurde und ihre Strafe auch verbüßte, ist heute nach Wiederaufnahme des Prozesses von derselben Strafkammer als des Diebstahls nichtschuldig freigesprochen worden. * Das Internationale Reisebureau in München (Inhaber Max Seemann) läßt anläßlich der Pfingstfeiertage am 11. Mat Abends 10 Uhr einen Separatvergnügungszug von München nach Venedig (Ankunft am 12. Abends 6 Uhr) mit außergewöhnlich er mäßigten Fahrpreisen abgehen. Die Billets kosten für Hin- und Rückfahrt II. El. 48,90 M., III. El. 34, 50 M-, haben eine Giltig keitsdauer von 30 Tagen und berechtigen zur Einzelrückreise, die auf allen Hauptstationen unterbrochen werden kann. Den Theilnehmern ist dadurch die günstigste Gelegenheit geboten, unter außerordentlichen Vortheilen die schöne Brennerbahn und die interessante Lagunenstadt Venedig zu besichtigen. * (Neue Petroleumquellen in Deutschland.) In PommerS- felden (Oberfranken) ist seit 14 Tagen Petroleum zum Vorschein gekommen. Das Petroleum soll an Echtheit und Qualität keinem anderen nachstehen. * Wien, 3. April. Der große Kassen-Fabrikant Baron Franz Wertheim ist heute gestorben. Wertheim, niederer Abkunft, erreichte durch eigenen Fleiß enormen Neichthum, hervorragende soziale Stell ung und zahlreiche hohe Auszeichnungen. Wertheim starb kinderlps;, er ist von seiner Frau geschieden und hat seine vielen Millionen theils Schulen, theils wohlthätigen Anstalten vermacht. * Privatnachrichten aus Paris zufolge hat sich der dortige erste Makler an der Productenbörse, Theodor Biedermann, durch einen Pistolenschuß das Leben genommen. Der Verstorbene befand sich in glänzender finanzieller Position und stand an der Spitze der in Varis und in Berlin eingeleiteten großen Hausseoperation in Rüböl. Die Oelpreise erlitten daher an der hiesigen Börse eine colossale Einbuße. Rüböl wurde schließlich in naher Sicht volle 14 Mark unter dem gestrigen Schlußpreis gehandelt. * Noch raucht die Brandstätte in Berlin und schon wieder kommt die Meldung von einem neuen Theaterbrand. Das Star- Theater von Stockton-on-Tees in der Grafschaft Durham (England), einein Flecken von etwa 14,000 Einwohnern, ist am 3. d. M. voll ständig ein Raub der Flammen geworden und auch vom Inventar konnte nichts gerettet werden. Auch hierbei ist kein Menschenverlust zu beklagen. * Aus Neapel kommen wieder Klagen über das Wetter. Es herrscht ein kalter Wind mit Regen. Auf dem Vesuv liegt Schnee. * New-Jork. Aktien-Gesellschaft für Leichenverbrennung. In Chicago wurde eine Leichenverbrennungs-Aktiengesellschaft mit einem Kapital von D. 100000 gegründet. * Aus Moskau wird der „N. Fr. Pr." vom Sonntag tele- graphirt: Der im vorigen Jahre vom österreichischen Architecten August Weber am Blumen-Boulevard erbaute Circus Salamonski ist heute Nachmittag ein Raub der Flammen geworden. Menschen sind dabei nicht verunglückt. Alle Pferde wurden gerettet.