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früh zur Begrüßung und Beglückwünschung seines kaiserlichen Groß vaters in Berlin eingetrosfen. Als ein bemerkenswerthes Ereigniß auf dem Gebiete der inneren Politik ist die am Sonntag erfolgte definitive Verschmelzung der Fortschrittspartei nnd der Liberalen Vereinigung zu der „deutschen freisinnigen Partei" zu verzeichnen. Im Reichstage ist die nene Partei durch 99 Mitglieder vertreten, so daß sie hier als die zweit stärkste erscheint; in den FractionSvorstand sind die Abgeordneten v. Forckenbeck, Freiherr v. Stauffenberg, Rickert, Bamberger, Hänel, Virchow, Richter-Hagen und Klotz gewählt worden. Nicht beigetreten sind der deutschen freisinnigen Partei von der Fortschrittspartei die Abgeordneten Lenzmann, Dr. Philipps und Dr. Wendt, von den Secessionisten die Abgeordneten Paasche, Freiherr v. Löw und Dr. Schröder (Friedberg). Die Reichstagsverhandlungen vom Montag und Dienstag boten keinerlei interessante Momente dar. Am Montag wurde die Novelle zum Hilfscassengesetz nach einer durchaus sachlichen Debatte an die Unfallcoinmission verwiesen und am nächsten Tage verwies das Haus den Nachtrag zum Marine-Etat in erster Lesung an die Budgetcom- mission; außerdem beschäftigte sich das Haus noch mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfes über die Anfertigung und Verzollung von Zündhölzchen. In der nächsten Sitzung am Donnerstag trat der Reichstag in die erste Berathung der Vorlage über die Verlängerung des Socialistengesetzes ein. Die dazwischen liegende eintägige Pause vom Mittwoch benutzte das preußische Abgeordnetenhaus zu einer Sitzung, in welcher zunächst Präsident v. Köller ermächtigt wurde, dem Kaiser anläßlich seines Geburtsfestes die Glückwünsche des Hauses darzubringen. Im Weiteren beschäftigte sich das Haus mit einer Reihe von Petitionen, welche durchaus von keinem allgemeineren In teresse waren. Schließlich wurde noch der Antrag Drawe, betr. Er- theilung des Unterrichts in den Elementarschulen lediglich in den Vormittagsstunden durch eine motivirte Tagesordnung erledigt. Im 2. meiningen'schen Neichstagswahlkreise ivird es nun doch zu einer Stichwahl kommen. Den neuesten Nachrichten zufolge hat der liberale Candidat Dr. Witte 5352, Lotz (conservativ) 2452 und der Socialist Viereck 3257 Stimmen erhalten. Es wird also zu einer engeren Wahl zwischen Dr. Witte und Viereck kommen. Oesterreich-Ungarn. Das österreichische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich in der abgelaufenen Woche vorwiegend mit der Spe- cialdiscussion des Budgets, welche im Gegensatz zu der erregten Generaldebatte einen unerivartet glatten Verlauf nimint. In den czechischen und deutschböhmischen Blättern wird wieder einmal das Project der nationalen Zweitheilung Böhmens erörtert, bis jetzt scheint es indessen noch nicht, als ob die Vereinigte Linke wirklich einen hieraufbezüglichen Antrag im Abgeordnetenhause einbringen wird. Frankreich. Fast jeder Tag bringt den französischen Waffen in Tonkin neue Erfolge und daß dieselben nur zur Be festigung des Cabinets Ferry beitragen, bedarf keiner besonderen Versicherung. Das französische Expeditionscorps treibt die chinesischen Truppen ohne sonderliche Mühe vor sich her und General Millot meldet, daß er einen weiteren Vormarsch für unnütze erachte und nur das Fort Phulang als eine Art Vorposten besetzt halten werde. Vorläufig deutet indessen noch nichts darauf hin, daß das schmäh liche FiaSco ihrer Truppen di« chinesische Negierung zur Nachgiebig keit sn der Tonkinfrage bestimmen wird. Was die innern Angelegen heiten Frankreichs anbelangt, so ist vor allem hervorzuheben, daß der 18. März, der Jahrestag derEommune-Erhebung, ohne irgend welche Störung vorübergegangen ist, und daß sich die anarchistischen Demonstrationen auf Schmückung der Gräber der fusilirten Communards, sowie auf einige „Gedächtnißpunsche" und Bankers beschränkten. Als ein wesentlicher Erfolg des Cabinets Ferry in der inneren Politik ist die am Dienstag in der Deputirtenkammer mit 396 gegen 109 Stimmen erfolgte Annahme des Gesetzes über den Elementarunterricht zu betrachten. England. Die Dinge im Westsudan haben in der letzten Zeit eine für die Mission General Gordon's mißliche Wendung ge nommen. Die telegraphischen Verbindungen südlich von Berler sind noch immer unterbrochen und Beduinenschwärme sammeln sich an den Nilufern, den Verkehr auf dem Flusse hindernd, außerdem hat sich eiuer der einflußreichsten Scheiks südlich den Chartum, El Obeid, offen für den Mahdi erklärt. Von General Gordon sind zwar inzwischen wieder Nachrichten eingegangen, dieselben lauten aber auch nicht sehr tröstlich. Vor Allem fehlt es ihm an Geld, denn die ihm yntgegebenen 40,000 Pfd. Sterling sind ihm nach eigener Angabe unterwegs verloren gegangen und verlangt er daher die weitere Flüssigmachung eines Geldbetrages. In England werden diese Nachrichten sehr unangenehm berühren und die Opposition jeden falls zu neuen Angriffen auf die egyptische Politik der Negierung im Parlamente veranlassen; für letztere selbst ist die Situation um so kritischer, als Mr. Gladstone durch seine Erkrankung den Ge schäften für die nächsten Tage noch fern bleiben muß. Italien. Dem italienischen Kabinet Depretis ist von der Deputirtenkammer wieder ein Vertrauensbeweis zu Theil geworden. Durch die Amtsniederlegung des Kammerpräsidenten Farini hatte sich hie Neuwahl des Präsidenten nöthig gemacht und wurde diese Angelegenheit zu einer Parteifrage ersten Ranges gemacht. Die Ministerielle Partei stellte den Abgeordneten Coppino als Candidaten auf, dessen Wahl Ministerpräsident Depretis als eine Kabinetsfrage bezeichnet, mährend die Gegner des Ministeriums den früheren Ministerpräsidenten Cairoli canditirten. Bei der am Mittwoch stattgefundenen Wahl wurde nun Coppino mit 228 von 434 ab gegebenen Stimmen zum Präsidenten gewählt und ist demnach die Weiterexistenz des Cabinets Depretis gesichert. Scandinavien. Der schwedische Kronprinz, Eugen, ist vom König Oscar zum Vicekönig von Norwegen ernannt worden. Man kann hierin wohl einen neuen Versuch der schwedischen Krone er blicken, einen gütlichen Ausgleich in dem zwischen ihr und dem nor wegischen Parlamente herrschenden Versassnngsconflict herbeiznführcn. Egypten. Arabische Spione berichten, daß die Armee Osman Digma's demoralisirt sei und daß er nur noch wenig Anhänger habe. Es sei nicht wahrscheinlich, daß er de» Kampf wieder ansnehmen werde. Die Bestätigung dieser Meldungen muß allerdings abgewartet werden. Sächsische Nachrichten. — Das sächsische Königshaus ist durch die plötzliche Erkrankung deS Prinzen Georg abermals in liefe Besorgniß versetzt worden. Der Prinz - Thronfolger ist genan unter denselben Krankheitser- scheinungen wie seine verewigte Gemahlin erkrankt und lassen private Meldungen ans Dresden an dem Ernste der Situation nicht zweifeln. Unter diesen Umständen dürfte die beabsichtigte Reise des Königs und des Prinzen Friedrich August nach Berlin, anläßlich des Geburtstages des Kaisers wohl aufgegeben morden sein. — Dresden, 20. März. Das heute früh halb 8 Uhr ausge gebene Bulletin über das Befinden des Prinzen Georg besagt: Der Prinz hat die vergangene Nacht unruhig verbracht, das Fieber ist ziemlich hoch, die nervösen Krankheitserscheinungen dauern fort. Seit einigen Stunden hat sich jedoch ein Ausschlag auf Gesicht und Hals angedeutet und ist dadurch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die nervösen Krankheitserscheinungen und das Fieber als Vorläufer einer Hautkrankheit zu betrachten sind. — In Chemnitz fand am Dienstag eine Conferenz der königl. Gendarmerie des Regierungsbezirkes Zwickau statt, an welche sich u. A. auch Herr Gendarmerieoberinspector, Major v. Heygendorfs, betheiligte. — In Zwickau tagte vorigen Sonntag der Centralausschuß für den 10. sächsischen Feuerwehrtag. Nach kurzer Debatte wurde der 10. sächsische Feuerwehrtag einstimmig auf die Tage vom 9. bis 11. August verlegt. Man wandte sich hierauf zur Feststellung des dem Feuerwehrtage zu Grunde zu legenden Programms. Nach einem ausführlichen Bericht des Herrn Branddirektor Becher wurde dasselbe wie folgt festgestellt: 1) Donnerstag, den 7. August, Er öffnung der Ausstellung. 2) Freitag, den 8. August, Prüfung der ausgestellten Spritzen rc. 3) Sonnabend, den 9. August, Nach mittags Concert auf dem Ausstellungsplatze und Abends Conuners. 4) Sonntag, den 10 August, früh von 6—9 Uhr Specialübungen der hiesige» freiwilligen Feuerwehr, der freiwilligen Feuerwehr von Schedewitz, Bockwa und Oberhohndorf und fremder Feuerwehren. — Vormittags 11 Uhr Verhandlung der Delegirten. — Nach mittags 3 Uhr Festzug mit sich darauf anschließender Hauptübung, später an 3 Orten Concert und Abends Feuerwerk und Illumination auf dem Platze vor dem Schwanenschlößchen. 5) Montag, den 11. August Vormittag, Vortrag über Feuerlöschangelegenheiten, Vor führung neuer Erfindungen und Uebungen mit den Schiebeleitern rc.; Nachmittags Excursion nach dem 4. Brückenbergschachte bez. nach der Königin Marienhütte, Abend Abschiedsfeier. Für den von den Theilnehmern zu zahlenden Festbeitrag von 2 Mark erhalten dieselben freien Zutritt zu der Ausstellung und den in Aussicht ge nommenen Vergnügungen, Festkarte und Festzeichen, sowie den Ausstellungscatalog nebst Programm. — In Reichenbach i. V. ist über die Firma Emil Haupt der Concurs ausgebrochen. Die Passiven belaufen sich auf über 1 Mill. Mark. Haupt ist flüchtig. Wegen betrügerischen BankerottS ist seine Verfolgung bereits ins Werk gesetzt. — Leipzig, 19. März. Heute Vormittag 10 Uhr verstarb im hiesigen Johannishospital im Alter von 93 Jahren in Folge von Lungenentzündung der berühmte Seiltänzer Wilhelm Kolter, geboren zu Großwardein in Ungarn, woselbst sich seine Eltern zu fällig befanden. Der Vater, Johann Kolter, war der erste Kunst reiter, welcher sein Geschäft im Großartigen betrieb. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts und zu Anfang des jetzigen durchzog er mit einer Gesellschaft von 30 Personen und 50 Pferden Deutschland, Polen, Rußland und Ungarn. Wilhelm Kolter hatte es schon im Jahre 1807 zu einer bedeutenden Geschicklichkeit als Kunstreiter ge- bracht, da aber sein Vater starb und seine Mutter die Kunstreiter gesellschaft nicht weiter führen wollte, widmete er sich ausschließlich )er Seiltänzerkunst. Ein Lieblingswunsch des alten Kolter mar, mit dem Bewußtsein zu sterben, daß seine müden Augen, die so oft rotzig mancher Gefahr entgegengesehen halten, von seinen noch ebenden Kindern zum ewigen Schlafe geschlossen würden. Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Sein Sterbelager umstanden eine Tochter Minna und deren Mann N. Hegelmann, sowie seine Lnkelin, Welda Neiß, welche dem Leipziger Publikum von ihrem ürzlichen Auftreten im Krystallpalaste her, hinreichend bekannt sind. Von seinen Töchtern lebt auch noch Adelheid, die Wittwe des eben falls sehr bekannten verstorbenen Seiltänzers Weitzmann. -- Dresden. Die neueste Nummer des Gesetz- und Ver ordnungsblattes enthält eine Verordnung über die Herstellung und den Betrieb von Waarenaufzügen und Fahrstuhleinrichtungen in Fabriken und anderen Gewerbeanlagen, Niederlagen, öffentlichen Gebäuden und Gasthäusern. Nach derselben sind derartige Ein richtungen bei der Obrigkeit (Amlshauptmannschaft bez. Stadtrath) spätestens 4 Wochen nach der Inbetriebsetzung anzuzeigen und be reits bestehende Anlagen dieser Art bis zum ersten Mai d. I. an zumelden. Fahrstühle für Güterbeförderung können, wenn sie den