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Oesterreich-Ungarn. Die kroatische Angelegenheit ist in Oesterreich in der „Erscheinungen Flucht" etwas zurückgetrete». Man darf aber deshalb nicht glauben, daß die ungarnfeindliche Bewegung in Croatien nunmehr verschwunden ist, dagegen spricht der ablehnende Beschluß der Agramer Handelskanuner bezüglich der Beschickung der Landesausstellung in Pest und überhaupt die ganze Agitation gegen die Betheiligung der Croaten an dieser Ausdehnung. Es wird des halb dem Banus Grasen Khuen-Hedervary noch manche schwierige Aufgabe zu lösen übrig bleiben, wenngleich durch die Ernennung der neuen Sectionschefs Stankovic und Klein die in der kroatischen Landesregierung entstandenen Vakanzen wieder auSgesüllt sind. Frankreich. Bonapartistische und Arbeiterdemonstrationen wechseln in Frankreich wieder einmal ab. Bekanntlich hat in voriger Woche Prinz Jerome Napoleon, der „rothe Prinz", an die Dele gieren der bonapaNistischen ComiteeS eine Ansprache gerichtet, in welcher er die Bonaparlisten aufforderte, ihre Bestrebungen auf Her beiführung einer Nevision der Verfassung von 1875 zu concentriren. Recht schlecht kommt der bekannte bonapartistische Schnapphahn Paul de Cassaguac in der Ansprache weg, dessen Politik Prinz Napoleon als eine prahlerische, ohnmächtige und aufrührerische bezeichnete. Cassagnac ist in seinem Organ „Le Pays" nichts schuldig geblieben, er spottet über die Ansprache des „rothen Prinzen" an die Dele- girten der Nevisionistencomiteeö und erklärt, daß derartige Comitees nicht existirten, sie seien nur Marionetten. Neben diesem häuslichen Zwist im Lager der Bonapartisten erregt besonders der große Strike unter den Kohlenarbeitern im Norden Frankreichs, in den Gruben der Distrikte Lille, Denain u. s. w. Aufmerksamkeit. Ruhestörungen sind zwar noch nicht vorgekomme», aber die Anzahl der nach Tau senden zählenden Sinkenden ist geeignet, Besorgnisse einzuflößen, nm so mehr, als die Kohlengrubeugesellschast in Anzin ihrerseits plötzlich 600 Arbeiter entlassen hat. Auch in St. Etienne sind ca. 3000 Ar beiter beschäftigungslos, welche am Sonnabend ein Meeting veran stalteten, das aber resultatlos verlief. England. In den leitenden Londoner Kreisen scheinen die neuesten Vorgänge im Sudan eine völlige Kopflosigkeit erzeugt zu haben. Es zeigt sich dies an den einander geradezu entgegengesetzten Befehlen, welche von Loudon der englischen Militärleitung in Egypten zugehen. Unter dem 24. Februar wurde auf Befehl des Kriegsmi nisters Marquis Hartington der Marsch des englischen Expeditions korps gegen Tokar sistirt, aber schon am nächsten Tag befahl Har tington den Weitermarsch. Anscheinend gedenkt die englische Heeres leitung, dem immer unbequemer werdenden Osman Digma endlich eine ernste Lektion zu ertheilen, doch kommt vielleicht der Rebellen general dieser Absicht durch einen Angriff auf Suakim zuvor. Der meuterische Geist, welcher unter den eingeborenen Truppen der dor tigen Besatzung herrscht, wie die den Engländern feindliche Haltung der Bevölkerung würde» wenigsten einen solchen Versuch begünstigen. In einem strikten Gegensatz zu dem militärischen Vorgehen der Eng länder im Ostsudan steht aber die friedliche Mission General Gordon im Westsudan, hier will sich England mit dein Mahdi in friedlicher Weise auseinandersetzen, dort wollen die Engländer seinem Unterbe- fehlöhaber Osman Digma zu Leibe — oder sollte Osman Digma ganz auf eigene Faust operireu? Jedenfalls decken sich die englischen Operationen bei Suakim nicht mit dem Charakter der Mission Gordon's. Spanien. In den spanischen Parteiverhältnifsen bereitet sich eine überraschende Wendung vor. Emilio Castelar, der Führer der spanischen Intransigenten, hatte kürzlich auf einen, Spaziergänge eine halbstündige Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Castillo lind erschien am Sonntag auf einem Rout bei der Herzogin von Medina- Celi, wo auch der König zugegen war. Man schließt hieraus auf eine Annäherung der radikalen Partei an das gegenwärtige konser vative Cabinet, was für letzteres nur von Vortheil sein könnte. Norwegen. Noch in dieser Woche soll das norwegische Reichs gericht zu Christiani« sein erstes Urtheil, und zwar über den Präsi denten des Staaisrathes, Sellmer, fällen. Man glaubt, daß das Verdikt für Sellmer und sieben seiner College» auf Amtsentsetzung lauten wird, dagegen dürfte der Nest des norwegische» Ministercol legiums mit Geldstrafe» davonkommen. Es läßt sich noch gar nicht absehen, welches die Folgen der Verurtheilung des Cabinets sein würden, da König Oscar entschlossen sein soll, keine neuen Nathe- geber anzmiehmen, von denen sich voraussetze» ließe, daß sie i» eine weitere Beschränkung der königlichen Rechte willige» würden. Der falsche Erbe. Von Eduard Wagner. (Fortsetzung.) „Wir wünschen einige Zimmer für diese Nacht, Signora," sagte Nelly. „Wir haben Ihren Gasthof der ruhigen Lage wegen aufge sucht, und werden morgen früh unsere Reise fortsetzen." „Sie können die gewünschten Zimmer erhalten, Mylady," er widerte Guiditta, welche, obwohl die Reisenden wenig Gepäck bei sich fühlten, aus der ganzen Erscheinung der jungen Dame folgerte, daß sie reich und aus aristokratischer Familie war. Sie bat die junge Dame und ihre Begleiter, ihr zu folgen und geleitete sie hinauf in das obere Stockwerk, wo sie eine Thure öffnete und die Fremden in ein geräumiges Zimmer nöthigte, mit dem eine ganze Reihe kleinere Kabinete in Verbindung stand. Die Zimmer ließen nichts zu wün schen übrig. Nelly sprach ihre Zufriedenheit aus und bestellte daS Abendessen. Die Wirthin entfernte sich und eilte hinab in die Küche, um das Bestellte zu bereiten. Hier siel es ihr ein, daß sie die Gäste nicht nach dem Namen gefragt halte. „Ich will das Versäumte nachholen, wenn ich das Essen hinauf bringe," dachte sie. „Ich bin neugierig, ob sie wirklich bereits meiter- gehen und welche Route sie nehmen werden." Bei den letzten Worten blitzte es in ihren Augen, als sei ihr plötzlich ein guter Gedanke gekommen. „Wo mag Jakopo eigentlich stecken?" begann sie nach einer Zeit wieder, während sie in der Bereitung des Nachtmahls sür die Gäste fvrlsuhr. „Der Spitzbube —" „Hier ist er, meine Liebe," unterbrach sie Palestro, indem er aus einem Kämmerchen in die Küche trat. „Sind Vie Gäste in ihren Zimmern?" „Natürlich," erwiderte Guiditta. „Hast Du sie vielleicht einmal bestohlen, daß Du so vor ihnen wegläusst?" „Nein, das nicht, aber höre mein Schätzchen. Die junge Dame, mit dem Anstand und der Würde einer Prinzessin, ist diejenige, von der ich einige Minuten vor ihrer Ankunft noch mit Dir sprach — Signora Wilkins!" „Ah!" rief Guiditta verwundert; „ist es möglich?" „Ja, es ist so. Und der junge Engländer, der Gentleman mit den blauen Augen und dem blonde» Haar ist kein anderer als Signor — Brander, auf dessen Rechnung ich mein schönes Einkom men beziehe. Sie mttffen ihn Theresa abgelvckt haben." Guiditta sah ihren Mann mit steigender Verwundernng an. „Ist es möglich!" rief sie endlich. „Kaum haben wir den Wunsch ausgesprochen, ihn hier zu haben, so kommt er auch schon von selbst, ohne unser Zuthun: Die junge Engländerin sagt, daß sie morgen früh Weiterreisen wollten." „Dazu werde» wir ei» Wort zu sagen haben," sprach Palestro mit bedeutsamen Kopfnicken. „Das Schicksal hat mir jetzt den armen Engländer in die Hände gespielt, und ich müßte ein Narr sein, wenn ich ihn wieder laufen ließe. Von dieser Stunde an kommt der Eng länder nicht aus meinem Bereich; ich werde ihn von der Signora trenne» und in ein sicheres Versteck bringen." Guiditta nickte zustimmend, und beide flüsterten »och eine Weile zusammen, während dessen die Frau ihre Arbeit fortsetzte, bis end lich das Essen fertig war und sie dann dasselbe zu ihren Gästen hinanfbringen mußte. 21. Kapitel. Gelungene List. Der erste Gedanke Ferdinand Branders, als er seine Hinter gangene Frau sah und erkannte, war zu fliehen. Aber der Schreck, den ihre Begegnung hier zu Harrington Hall in der Stunde seines höchste» Triumphes brachte, schien alle seine Glieder gelähmt zu habe»; er hielt sich a» der offene» Thür des Parkes fest und starrte mit Entsetze» auf die Ankommende. Die junge Fra» hatte ihn jetzt erreicht, schloß ihn in ihrer über mäßige» Freude in die Arme und hielt ihn so fest, als fürchte sie, er möchte ihr wieder entrissen werden. „O, Ferdinand!" rief sie mit vor Freude Halberstickler Stimme. „Ich habe Dich endlich wiedergefunden! Sie sagten mir, Du seist todt! Und nun lebst Du! Sieh', ich trage bereits Trauerkleider um Dich, Ferdinand, mein lieber, guter Mann!" Brander konnte sich nicht wieder fassen; er war nicht ini Stande, sich aus den Arme» seiner Frau zu winden; er starrte sie nur mit drohenden Augen an. Endlich milderte sich das ungestüme ihrer Freude und löste sich in ein leises Schluchzen und Weinen auf. Sie umschlang seinen Nacken und legte dann noch ihren Kopf an seine Brust. Da sprang Ferdinand plötzlich zurück. Er sah die einzige Mög lichkeit seiner Rettung vor dem drohenden Verderben nur noch darin, seine Frau zu täuschen, wie er Sir Hany und Ella getäuscht hatte. „Sie scheinen sich zu irren, Madame," stammelte er, indem er versuchte, ein möglichst verwundertes Gesicht zu zeigen. „Ich habe nicht die Ehre, Sie zu keunen und habe Sie nie zuvor gesehen. Mein Name ist Guido Harrington." Bestürzt trat die arme Frau einige Schritte zurück und betrach tete ihren Mann niit ängstlichen, furchtsamen Blicken. „O, Ferdinand," rief sie. „O, mein lieber Mann, kennst Du mich — kennst Du Deine Fanny, Dein Weib nicht mehr?" Brander lehnte sich fest an die Parkthüre. „Das ist ein einfacher Jrrthum," sagte er möglichst ruhig und kalt. Ich verstehe Sie nicht. Wahrscheinlich hallen Sie mich für Ferdinand Brander? Wir waren einander so ähnlich wie Brüder. Sind Sie etwa die Dame, an welche ich von Marseille aus schrieb? Sind Sie Fanny Brander?" Die arme Frau war wie vernichtet von diesen Worten und blickte ängstlich aber forschend empor. Ferdinand glaubte, daß er sie wankend gemacht hatte und daß sie anfing zu zweifeln und unsicher zu werden. Er verstand die Liebe eines reinen, treuen Weibes nicht; wie konnte er, leichtfertig und schwach wie er war, auch nur eine Ahnung habe» vo» der Tiefe einer Natur, wie die ihrige. Fanny zwang sich zu einem schwachen Lächeln; sie trat ihm einen Schritt näher und sagte in mitleidigem Tone: „Armer Ferdinand, Du hast eine schwere Verletzung erhalten bel dem schrecklichen Schiffbruch! Kennst Du mich wirklich nicht mehr, mein Liebling?"