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8856 Börsenblatt f, d. Dischn. Buchh-md-l. Nichtamtlicher Teil. oV 177. 3. August 1SI0 Nichtamtlicher Teil Die VII. Tagung des internationalen Verlegerkongresses in Amsterdam. <18.-22. Juli 1910.) Vorläufiger Bericht. Wie die Kongreßstadt Amsterdam in zwei scharf ge trennte. wenn auch oft iiberbrückts Elemente. Festland und Kanäle, zerfällt, so schied sich das Kongreßprogramm in zwei sich koloristisch sehr voneinander abhebende Teile. Arbeiten und Vergnügungen, zwischen denen allerdings brückenartig einzelne Veranstaltungen, wie Konzerts. Bibliophilie und Ausstellungen, die Vermittlung übernahmen. Dank der Promptheit der Geschäftsleitung durch die Sektionsvorsitzenden hielten die Sektionen L (Urheber- und Verlagsrecht) und L (Buchhandel) nur je zwei und die Sektion 0 (Musikalienhandel) nur eine Sitzung ab. Die dort gefaßten Beschlüsse wurden in den zu der Eröffnungs sitzung hinzukommenden zwei Plenarsitzungen, an deren zweite sich gleich die Schlußsitzung anschloß, ohne lange Dis kussion genehmigt, so daß die effektive Arbeitszeit in diesen acht Sitzungen keine übermäßig lange war; die Sitzungen erstellten sich dafür eines ordentlichen Besuches seitens der ungefähr 3VV Kongreßteilnehmer. Das Hauptereignis bildete naturgemäß die erste Mit teilung des verdienten Kongretzprästdenten. Herrn W. P. van Stockum jr.. der gleich zu Beginn seiner Eröffnungsrede, die übrigens einen bemerkenswerten Abriß über die Geschichte des holländischen Buchhandels enthielt, verkündete, daß die holländische Regierung den Generalstaaten einen Gesetzes- cntwurf behufs Ermöglichung des Beitritts zur Berner Kon vention unterbreiten werde. Man hoffte sogar, den Wort laut dieses Entwurfes noch während der Tagung im Amts blatt veröffentlichen zu können, allein es mußte noch die letzte Feile an ihn angelegt werden. Nicht weniger als drei Minister, diejenigen des Auswärtigen, des Innern und des Handels, hielten an den Banketten Reden, worin sie dieses Ereignis bestätigten und erklärten, daß sie mit aller Energie namens der Regierung diesen Beitritt vor den Kammern zu verfechten gewillt seien. Immerhin darf nicht verschwiegen werden, daß vereinzelte Stimmen von Holländern ans die Möglichkeit schwerer Kämpfe und Hindernisse aufmerksam machten, ja daß in der Sektion 0 sogar von der Möglichkeit, den Weg der Sonderabkommen, namentlich zum Schutze der Werke der Tonkunst, statt des Eintrittes in die Union beschreiten zu müssen, gesprochen wurde. Allein im ganzen und großen zeigte man sich hin sichtlich des Endergebnisses, d. h. des Anschlusses an die Welt literaturunion. voll Zuversicht. Eine Rtickwärtsbewegung auf der nun einmal betretenen Bahn scheint auch uns durch aus nicht wahrscheinlich. Sektion L (Urheber- und Verlagsrecht). Diese Sektion beschäftigte sich zuerst mit dem Bericht des Herrn W. Heinemann (London) über die literarischen Agenten, die als Mittelpersonen zwischen Autoren und Buch verlegern ihre Geschäfte machen. Die interessanten Aus führungen fanden lebhafte Zustimmung, besonders bei den Teilnehmern aus denjenigen Ländern, wo überhaupt solche Agenten existieren oder wo sie ihre Tätigkeit zu entfalten beginnen. Jedoch llberwog die Ansicht, daß nicht durch allzu heftige Bekämpfung dieser Institution das Mißtrauen der Autoren geweckt werden dürfe, daß im Gegenteil die Anbahnung eines auf gegenseitiges Vertrauen sich gründenden Verhältnisses, ja sogar eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Autoren und Verlegern die beste Lösung der durch das Schmarotzertum dieser Agenten entstehenden Gefahren oder Unzukömmlichkeiten bilde. Ganz besonders wurde be tont. daß man nicht etwa die Autorengesellschaften, wie z. B. die soeiötö äss gsvs äs Isttrss, die die geschäftsmäßige Wiedergabe von Werken ihrer Mitglieder besorgen, mit den Agenten auf gleiche Linie stellen dürfe; es wurden daher in der durch eine besondere Kommission ausgearbeiteten, die Heinemannschen Schlußanträge*) bedeutend abschwächenden Resolution diese von und für Autoren gegründeten Gesellschaften und Syndikate ausdrücklich ausgenommen. Auf die Einzelagenten aber soll ein wachsames Auge ge halten und deren Geschäftspraktiken, die namentlich darauf Hinzielen, beim Autor einen Verleger gegen den anderen auszuspielen, überwacht und dadurch eingeschränkt werden. Der folgende Bericht, die Veröffentlichungen billiger Ausgaben von urheberrechtlich noch geschützten Büchern be treffend, oder vielmehr deren vorzeitige Ausgabe zu niedrigen Preisen bis zu einem gewissen Grade kritisierend, stieß, weil er spezifisch englische Verhältnisse im Auge hatte, auf den Widerspruch der deutschen**), österreichischen und belgischen Delegierten und führte, da die Frage keinen internationalen Charakter besaß, auch zu keinem Beschluß. Immerhin bleibt für die Beleuchtung der besonderen Bedingungen des englischen Marktes der lehrreiche Bericht des Herrn Arthur Spurgeon (London) übrig; wohin dieser hinauswollte, das zeigt der am Schluffe formulierte Antrag, der folgenden Wortlaut hatte: -Der Kongreß bittet die hier vertretenen Vereine, die jenigen Maßregeln zu ergreifen, welche ihnen nützlich oder notwendig erscheinen sollten, um zu verhindern, daß vor zeitig zu niedrigen Preisen Bücher herausgegeben werden, an denen noch Autorrecht (oopz-rigiit) besteht, und einen bestimmten Zeitraum festzusetzen, innerhalb deren eine billige Ausgabe dieser Bücher nicht erscheinen soll.« Dieser Antrag fiel also dahin. Dagegen trug die Frage der schiedsgerichtlichen Rege lung von Differenzen zwischen Verlegern verschiedener Länder ein entschieden internationales Gepräge; sie wurde in einem Bericht des Herrn L. H. Robbers (Amsterdam) dargelegt und begegnete großem Verständnis, da alle Mittel, langwierige und kostspielige Prozesse in anderen Staaten zu vermeiden, dem Buchhandel willkommen erscheinen müssen. Man begegnete zwar auch hier den gewöhnlichen Einwürfen hinsichtlich der Nicht ausführbarkeit der Schiedssprüche und der Schwierigkeiten in der Zusammensetzung eines Gerichts, das rasch und sicher funktionieren könnte. Andererseits waren aber auch Praktiker *) Diese Anträge am Schlüsse des Berichts des Herrn Heine mann lauteten zuerst folgendermaßen: 1. Der Kongreß bedauert, das Eindringen gewisser literarischer Agenten in die Unterhandlungen zwischen Schriftstellern und Ver legern bestätigen zu müssen, und in der Überzeugung, daß diese Art der Vermittlung den Geschäftsgang hindern und das Ver hältnis zwischen Schriftstellern und Verlegern stören könnte, bittet er die auf diesem Kongresse vertretenen Gesellschaften, ihren Ein fluß bei ihren Mitgliedern und den anderen Gesellschaften zur Überwachung des Treibens besagter Agenten geltend zu machen und sich, wo nötig, deren Vermittlung zu widersetzen. 2. Der Kongreß spricht Weiler den Wunsch aus, daß der Inter nationale Vorstand mit der Sammlung sämtlicher Mitteilungen beauftragt werde, die ihm über diesen Gegenstand gemacht werden sollten, und bittet die Mitglieder, die Art und Weise des Ver fahrens dieser Zwischenpersonen bekannt zu geben, damit sie wo möglich den Interessenten mitgeteilt werden könne. **> Die deutsche Delegation machte besonders aus die Aus gaben Haeckels aufmerksam.