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Inhalts, daß der Marineminister erkrankt sei und demnächst auf Urlaub gehen werde, daß er aber nicht daran denke, zu demissiouiren. — Die Pariser Nadicalen habe» beschlossen, um ihrer Entrüstung über die Verurtheilnng der Louise Michel Ausdruck zu verleihen, am 14. Juli, dem französischen Nationalfesttage, schwarze Fahnen auszuhängen, auch scheinen sie sür diesen Tag verschiedene kleine Putsche in petto zu haben, so daß die französische Negierung gut thun wird, auf ihrer Hut zu sein. England. In England herrscht zur Zeit politische Windstille, obwohl das Parlament noch versammelt ist, doch in beiden Häusern schleppen sich die Verhandlungen über wenig bedeutende Vorlage» so langsam hin, daß dieselben absolut kein Interesse erregen. Was Irland anbetrifft, so herrscht hier ebenfalls Ruhe und hat es in der That den Anschein, als ob endlich in dem unglücklichen Lande ge ordnete Zustände zurückkehren wollen, wozu man dem Cabinet Glad stone nur Glück wünschen könnte. Rußland. Die russische Regierung hat ein Communiqö er lassen, welches die Verhandlungen mit dem Vatican für beendigt erklärt und die wesentlichsten Punkte der erzielten Vereinbarung enthält. Das Communiquö betont ferner die große Friedensliebe und Aufrichtigkeit des gegenwärtigen Papstes, wodurch hauptsächlich das befriedigende Resultat der Verhandlungen erreicht worden sei. Schließlich wird die Beseitigung der sogenannten exceptionellen Maß regel in Aussicht gestellt, welche in den 60er Jahren gegen die römisch-katholische Geistlichkeit Rußlands ergriffen worden seien; zugleich versichert aber die Note, daß die russische Negierung der Hierarchie nie gestatten werde, sich in Fragen zu mischen, welche ausschließlich die weltliche Gewalt angehen. Rumänien. Aus Rumänien meldet man einen eigenthüm- lichen Vorfall. Anläßlich der jüngst in Jassy erfolgten Einweihung des Denkmales Stephans des Großen fand in dieser Stadt ein Banket statt, auf welchem Senator Gradisteano einen Trinkspruch auf die baldige Vereinigung des Banats, der Bukowina und Sieben bürgens mit Rumänien ausgebracht hat. Hinzugefügt wird noch, daß König Karl, welcher ebenfalls auf dem Banket anwesend war, sogar mit dem Redner angestoßen und ihm verständnißstimmig die Hand gedrückt habe. In Wien hat dieser Vorfall begreiflicherweise böses Blut gemacht und die österreichische Negierung verlangt daher von dem Bukarester Cabinet ein officiöses Dementi des Vorganges. Egypten. In Unter-Egypten tritt die Cholera mit großer Heftigkeit auf und hat auch schon in Port Said am Suez - Canal ihre Opfer gefordert. Der Pariser „Temps" behauptet, daß das Auftreten der Cholera schon am 12. Mai von Bombay signalisirt wurde und daß der internationale Gesundhcitsrath in Constantinopel strenge Maßregeln angeordnet habe. Diese seien aber von dem eng lischen Delegirten vereitelt worden, indem derselbe geltend gemacht habe, daß den Handelsinteressen ebenso Rechnung getragen werden müsse, wie den Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege. — Hoffentlich legen die Mächte gegen eine derartige egoistische An schauung angesichts einer so eminenten Europa bedrohenden Gefahr energischen Protest ein. Anzuerkennen ist, daß die türkische Ne gierung sofort für alle in türkischen Häfen aus Egypten ankommenden Provenienzen eine 10tägige Quarantaine angeordnet hat. Sächsische Kachrichien. — Ihre Majestät die Königin begab sich am Montag über Hof Nürnberg, München, Tirol rc. nach Tarasp in der Schweiz. Ihre Majestät reist incognito unter dem Namen einer Gräfin von Plauen und hat jedwede Begrüßung auf den verschiedenen Stationen im voraus dankend abgelehnt. — Nach 25 Jahren wird die silberne Hochzeit gefeiert, nach 50 Jahren die goldene, nach 60 Jahren die diamantene — wie aber soll man es nennen, wenn ein Ehepaar 70 Jahre verbunden bleiben darf! Das ist ein wahrhaftiges Gotteswunder und diese so seltene Feier vollzog sich am 24. Juni bei dem Gutsbesitzer Herrn Nünchritz und seiner Ehefrau in Frohberge bei Riesa. Am 24. Juni 1813 war ihre Trauung. In den für unser Vaterland so denkwürdigen Tagen der Dresdener und Leipziger Schlacht begründeten sie bereits ihren Hausstand. — Zwickau, 25. Juni. Anhänger der socialdemocratischen Lehren hatten sich gestern Nachmittag im Waldeseinsamkeit im Hart holze hinter Helmsdorf und Oberrothenbach ein Stelldichein gegeben, es waren dabei aus Glauchau, Meerane, Crimmitschau, Werdau, Zwickau und Umgegend gegen ca. 200 Personen erschienen und wurden dabei die üblichen Reden gehalten, wobei die Versammlung jedoch von einem Obergendarm und einem Schutzmann, beide aus Zwickau, überrascht wurde. Die Versammlung wurde durch den Hinzutritt dirser Beamten allerdings gestört und die Theilnehmer mußten sich entschließen, den Platz zu verlassen, wobei es ohne an zügliche Redensarten nicht abgegangen zu sein scheint. — Königstein, 24. Juni. Auf der Festung ist man mit Um änderung der Umfassungslinie beschäftigt und wurden zu diesem Zwecke am 21. d. M. großartige Sprengungen mit Dynamit vor genommen. Eine Kassematte, die bedenkliche Nisse in vertikaler Richtung zeigte, mußte zu diesem Zwecke gesprengt werden und wnrde hierzu eine Gesammtladung von 81 Pfund Dynamit verwendet. In 9 Minen war der Dynamit vertheilt und wurde die ganze Lad ung mit Hilfe einer elektrischen Batterie, die in einer Kaserne auf gestellt war, entzündet. Alle Sicherheitsmaßregeln waren getroffen, denn die Sprengung mar voraussichtlich von furchtbarer Gewalt. Kurz auf das Signal „Feuern" gab es einen gewaltigen Knall. Die Kassematte war nicht mehr, der Dynamit hatte seine Schuldigkeit ge- thau. Der Luftdruck mar so colossal, daß die Festster in nächster Nähe (50 Schritt), trotzdem sie geöffnet waren, in unzählige Stücke zersprangen. Bis Königsbrunn mar der Druck zu verspüren. Die Staubwolke verfinsterte momentan die Sonne. Quadern von Meter länge und Meter Höhe und Breite wurden 20 Schritt weit in hohem Nogen durch die Luft geschleudert. Das Zerstörungswerk mar vollständig gelungen. — Einen recht schmerzlichen Verlust hat in Dresden der Aepfelweinhändler Petsch dadurch erlitten, daß dessen erst 3 Monate altes Kind am Donnerstag von einer Fliege gestochen wurde nud am Sonntag an Blutvergiftung »ach schweren Leiden gestorben ist. Das Jnsect war vermuthlich vorher »nt eineni Thierkadaver in Be rührung gekommen und hat dann den Giftstoff weitergetragen. — Der für Schandau schon bei Lebzeiten vielfach als Wohl- thäter aufgetretene, kürzlich aber daselbst verstorbene Kurgast, der seit Dezennien nach dem von ihm geliebten Orte aus Berlin kam, der vielgenannte Rentier Schultz, hat der Stadt zum Bau eines neuen und größeren Krankenhauses das stattliche Legat von 75000 Mark ausgesetzt. — Eine gewiß seltene Abnormität findet sich seit einigen Tagen im Hofe eines Gutsbesitzers in Räcknitz: ein junges munteres Hühnchen mit vier Beinen. Die beiden überzähligen, vollständig entwickelte», wenn auch schwächeren Glieder stehen unmittelbar hinter de» zwei in Gebrauch befindlichen Beine» u»d werde» beim Laufen nach oben gezogen, sind also in Wirklichkeit Neservebeine. Auf Irrwegen. Novelle von L. Calm. 1. Capitel. Und eine Lust ist's, wie er Alles weckt Und stärkt und neu belebt um sich herum. Das kleine Dorf B. prangte im Festesschmuck und unter seinen Bewohnern herrschte freudige Aufregung. Der Gutsherr, Baron von Buchfeld, sollte ja heute nach längerem Aufenthalt in der Resi denz zurückkehren und für solch einen Herrn verlohnte es sich schon der Mühe, die Sonntagskleider anzuziehen und die Plätze vor den Thüren ausnahmsweise einmal zu fegen. Buchfeld war ein popu lärer Mann im schönsten Sinne des Wortes, ein wahrer Vater seiner Untergebenen und Nebenmenjchen. Zwar hatten sie von seiner politischen Thätigkeit zu ihren Gunsten als Abgeordneter im Land tage nur eine sehr unklare Vorstellung, auch rechneten sie es ihm nicht als sonderliches Verdienst an, daß er ihnen eine Schule erbaut und mit tüchtigen Lehrern versehen hatte. Aber sie wußte», daß kein Nothleidender ungetröstet von ihm ging und daß der gemeine Mann ihm nicht zu niedrig dünkte, ein paar freundliche Worte zu empfangen. Gegen Mittag langte der Baron an, gut gelaunt, wohlwollend leutselig wie immer. Er hörte mit musterhafter Aufmerksamkeit den Willkommengesang der Schulkinder an, lud die Lehrer zum Essen ein, kniff hier einen Jungen in die rothe Wange und hob dort ein kleines Mädchen empor, es herzlich zu küssen. „Wie er die Kinder liebt," flüsterte eine der umstehenden Frauen, „und sein eigenes Kind hat er begraben müssen!" Vielleicht hatte der Gutsherr die letzten Worte gehört, seine Lippen zuckten, als er jetzt elastischen Schrittes die Stiege seines Hauses hinaneilte. Es war kaum zwei Jahre, seit seine Gemahlin gestorben und vor drei Monaten hatte sich die Erde über dem Sarge seines ein zigen Töchterchens geschlossen. Der Varon hatte bei dem letzten Todesfall viel Schmerz an den Tag gelegt und obwohl man bei seiner Vermählung viel von einer Convenienzheirath gesprochen, niußte doch die Hartnäckigkeit, mit welcher er bisher allen Jntriguen töchterreicher Mütter ausgewiche» war, wohl auf die Unwahrheit jener Vermuthung schließen lassen. Wer den Baron sah, mußte übrigens gestehen, daß es sich um ihn der Jntriguen verlohnte. Seine hohe, schlanke Figur,sein regelmäßiges Antlitz machten ihn zu einem schönen Mann und das milde, wohlwollende Lächeln, das seinen Zügen einen Ausdruck ge winnender Herzlichkeit verliehen hatte, deutete auf dest Menschenfreund. Liebenswürdig nahm er im Hausflur die Grüße seiner Leute und versammelten Dienerschaft entgegen. Er schüttelte dem braven Förster die Hand, bewunderte die blendende Haube der Wirth- schafterin, nickte dem hübschen Stubenmädchen zu, brach in einen Ausruf des Entzückens aus über den Blumenstrauß, welchen der Gärtner ihm präsentirte, nannte dessen halberwachsenen Sohn ein Prachtexemplar von einem Jungen und versicherte dem Pfarrer, der eben aus dem Zimmer trat, seine gewohnte Schachparthie lasse er sich heute, so pressirt er auch sei, nicht nehmen. Hierbei jedoch unterbrach sich der Baron plötzlich und trat wie erstaunt einen Schritt zurück. Hinter dem Geistlichen war am Arm des jungen Oberverwalters Harden eine Dame erschienen, deren Anblick wohl die große Bewunderung rechtfertigte, welche der Baron augen scheinlich empfand. Die Dame war von einer Schönheit, die im ersten Moment blendet, in: zweiten fesselt, einer Schönheit, die um so unwiderstehlicher wirkte, je weniger die fast kindliche Schüchtern heit ihrer Besitzerin sich derselben bewußt schien. „Erlauben Sie mir, Herr Baron, Ihnen meine Braut, Fräulein Luise Egbert, die Nichte unseres lieben Pfarrers, vorzustellen", sagte der junge Mann zu seinem Vorgesetzten. „Also das ist Ihre Braut!" rief der Baron nach einer augen blicklichen Pause. „O Sie Glücklicher, welche Perle ist Ihnen zu-