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11978 Börsenblatts. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. Jk 237. 12. Oktober 1909. die keine Schranken kenn! und dabei außerordentlich mächtig ist. Die betreffenden Vereine haben wiederholt versucht, diese Firmen, die ganz nach den Vereinsbestimmungen handeln, zu beeinflussen, doch stets vergebens. Um ihnen erfolgreich entgegenzulreten, müßten die Maschen des Vereinsgesetzes viel enger gezogen werden, so daß kein findiger Kopf dem Sinne desselben mehr entgegenhandeln kann. Der französische Buchhandel ist seit langen Jahren be müht. den Kundenrabatt einzuschränken und womöglich ganz abzuschaffen; doch hält letzteres äußerst schwer, da einerseits das Publikum nicht von alten Gewohnheiten abgehen will und anderseits mehrere große Pariser Sortimenter absolute Gegner einer solchen Reform sind. Für den Provinz- buchhändler wäre die vollständige Abschaffung des Rabatts nur zu wünschen; denn obschon er sehr hohe Spesen hat, ist er jetzt gezwungen, zum gleichen Preise wie seine Pariser Kollegen zu verkaufen. Aus alle 3 Frcs. SO Cts. - Bände, den weitaus größten Teil der Produktion des französischen Buchhandels, muß er 14.3°/„ Rabatt geben, obwohl er selbst nur 25 bis 33sb"/o erhält. Zum Lebensunterhalt und zur gedeihlichen Entwickelung seines Geschäfts verbleibt ihm also ein zu geringer Nutzen. Dieser wird bei wissenschaftlichen Werken ganz in Frage gestellt; denn fast alle wissenschaft lichen Werke werden nur mit 20 Prozent vom Verleger geliefert und müssen, laut den Bestimmungen der Vereins-Rabatt- Skala, mit mindestens 10 Prozent, in einigen Fällen selbst mit einem Rabatt bis 14.3 Prozent ans Publikum ver kauft werden. Den Provinzbuchhändlern wird nun noch von seiten der Pariser Häuser eine außerordentlich empfindliche Kon kurrenz gemacht. Diese suchen nicht nur die Pcivat- kunden. sondern besonders die großen Lieferungen an Staats-, Stadt- und Schulbehörden an sich zu reißen. Bei den Sub missionen für die Lieferungen werden ganz unglaubliche Rabatte angeboten. So z. B. wurde einer großen Pariser Firma D. die Lieferung sämtlicher Bücher aller Pariser städtischen Volksbibliotheken, gegen Zusicherung eines Rabatts von 32'/» Prozent auf alle schöngeistige und von 15 Prozent auf wissenschaftliche Literatur, übertragen. Fast alle Bibliotheken, seien es Militär-, Stadt-, Volks- oder Schulbibliotheken, ver langen jetzt einen Rabatt von 25 bis 30 Prozent auf Romanliteratur, und leider gibt es nur zu viele Buchhändler, in der Provinz sowohl wie in Paris, die zu diesen Be dingungen liefern. Bei diesen Bibliotheks-Lieferungen hat ein Buchhändler mit der Konkurrenz seines Kollegen zu kämpfen; doch das ist in andern Ländern ebenso; bei den Schulbüchern aber hat er nicht nur diesen Kampf zu bestehen, sondern auch den Eingriff der Lehrer und Schuldiener in sein Bereich abzuwehren. Die Volksschulbücher werden fast stets von den Ge meinden mit höchstem Rabatt bei den Verlegern direkt ge kauft und an die Schüler verschenkt. Nur ganz arme Ge meinden machen hierin eine Ausnahme, und da greift der Staat ein. indem er den unbemittelten Schülern die nötigen Bücher. Hefte, Federn usw. gibt. In den höheren Schulen, wo viele Bücher gebraucht werden, nehmen Lehrer und Schuldiener leider nur allzu häufig den Sortimentern die Arbeit und den Verdienst ab. Den Verlegern ist es meist recht gleichgültig, an wen sie die Bücher absetze,l; sie führen die Bestellungen von Lehrern mit demselben Rabatt aus wie für Buchhändler. Es wäre nun ein großer Irrtum, zu glauben, daß die Schüler die Bücher von ihrem Lehrer billiger oder doch zum selben Preise erhalten wie beim Buchhändler. Der Lehrer verkauft in vielen Fällen — und einige Briefe, die die Buchhändler zeitung »l-L lnbrairiö« veröffentlicht, beweisen es — zum vollen Ordinärpreise und macht ein leichtes und eindring liches Geschäft ohne jedes Risiko Obschon der Handels minister Cruppi noch im letzten Dezember seine Minister kollegen bat. allen Beamten die Bestimmungen vom 30. Juli 1904 ins Gedächtnis zu rufen, wonach diesen jeder Handel untersagt ist. betreiben die Lehrer und besonders auch die Schuldiencr den Buchhandel ruhig weiter. Unter letzteren sind einige sogar als wirkliche Buchhändler patentiert, haben also vollkommene Beiechtigung. unter dem Dache der Schule und mit Unterstützung des Direktors und der Lehrer eine Buch- und Papierhandlung zu betreiben. Es wäre für den französischen Buchhandel wirklich an der Zeit, mit diesen Auchbuchhändlern durch energische Sperrung aufzuräumen, um dem Sortiment, besonders dem in der Provinz, alte Absatzgebiete wieder zu eröffnen. Aber nicht nur die eigentlichen Schulbücher werden unter Umgehung des Sortiments direkt vom Verlag an die Schulbehörden geliefert, nein, auch die zu den Preis verteilungen am Ende des Schuljahres nötigen Bücher werden zum allergrößten Teile mit sehr hohen Rabatten — bis zu SO Prozent — vom Verleger direkt angeboten und verlaust. Da die besseren Schüler und Schülerinnen heute häufig K bis 10 Bücher als Prämien bekommen und fast kein Kind ganz leer ausgeht, so kann man sich eine Vor stellung davon machen, welch großes Kapital die Verleger dem regulären Sortiment durch den direkten Vertrieb und besonders durch das Anbieten von so hohem Rabatt ent ziehen. Zugegeben muß ja werden, daß die Schulen die vielen und schönen Preise nur infolge des großen Entgegen kommens der Verleger geben können — sie haben ja nur eine bestimmte Summe jährlich für die Prämienverteilung zur Verfügung —. und daß die Anzahl der zur Verteilung kommenden Bücher bedeutend verringert werden müßte, wenn die Sortimenter als Zwischenhändler die vom »Syndikat» festgesetzten Tarifpreise berechnen würden. Die Freude vieler Kinder und Eltern würde dadurch gewiß beeinträchtigt, aber manchem Sortiment würde neue Lebens kraft gegeben werden, wenn eine gründliche Reform des Vereinsgesetzes den direkten Vertrieb mit höherem Rabatt abschaffen könnte. Eine andere Mißwirtschaft besteht darin, daß die meisten Verleger an alle Personen, die sich als »wewbro äv l'enseignowsat« ausgeben, mit höherem Rabatt, meistens 25 Prozent, liefern. Ein richtiger Ausweis über den Stand wird selten verlangt, und daher versucht jede Person, die jemals unterrichtet hat. sei es als Privat- oder Musiklehrer. Professor oder Landschullehrer, aber auch viele andere, die erfahren haben, wie leicht man Bücher mit hohem Rabatt erhalten kann, alle Bücher, wissenschaftliche oder schöngeistige, zum Vorzugspreise zu erhalten, und es ist selten, daß ein Verleger diesen verweigert. Häufig wenden sich diese Leute auch an den Sortimenter und machen ihm Vorwürse, wenn er nicht mehr als den vom Syndikat festgesetzten Rabatt geben will. Sie können oder wollen nicht einsehen, daß ein Sortimenter nicht zu be sonderen Preisen an »Lehrpersonen, liefern kann. Die ganz natürliche Folge ist die, daß alle diese Personen ihren Bücher- bedars direkt beim Verleger kaufen. Aus diese Weise werden besonders dem Provinzbuch händler Tausende guter Bücheikäufer als Kunden entzogen, und da dieser die hohen Kosten für Porto der Neuigkeiten nicht mehr zahlen will, weil der Absatz zu gering ist. so sieht man bald nur noch das Firmenschild »I-ibr»iris« außen prangen, jedoch keine Bücher im Schaufenster. Diese haben Zeitungen. Zeitschriften und den so beliebten Schauerromanen, wie Buffalo Bill. Texas Jack. Nick Carter usw., den Platz räumen müssen, und da auch diese die Kasse allein nicht