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^ 237. 12. Oktober 1909. Nichtamtlicher Teil. 11981 schaffenden Künstler, der selbst ganz momentane Stimmungen zu nachhaltigem Ausdruck zu bringen weiß. Nicht minder bedeutend außergewöhnlichen Menschenkenner charakterisieren, z. B. in einer Serie Krokis, die Miß Booth von der Heilsarmee als Rednerin darstellen, sowie in drei verschiedenen Auffassungen des bekannten Verteidigers Labori. Die Beredsamkeit und die Persönlichkeit Laboris kommen hier in überzeugender Lebenswahrheit, nicht ohne einen Beigeschmack feiner Ironie, die auf das überreiche Pathos des Redners abzielt, zum Ausdruck. In Del Veccchios graphischem Kabinett (Leipzig) hat eine Reihe Arbeiten deutscher und französischer Graphiker Auf stellung gefunden. Schnitzer glänzt durch einige bewundernswerte größere Blätter, von denen namentlich die mit köstlichen Volks typen ausgestattete Speisehausszene hervorgehoben sei. — Franz Hecker bietet eine Kollektion herrlicher Landschaftsschilderungen, die durch wahres und tiefes Naturgefühl sich zu reizvollen Stimmungs bildern verdichten. Nirgend ist bei ihm eine leere, äußerliche Darstellung zu finden, vielmehr zeugt jedes einzelne Motiv von seinem sich liebevoll in die Natur versenkenden Schauen, von seiner tiefen Empfindung für die deutsche Landschaft, die er uns im Sommersonnenglanz, im herbstlichen Vergehen, im Winterkleide vor Augen führt. Waldbilder wechseln mit einsam gelegenen, von Baumgruppen umrahmten Gehöften, über die der Sturmwind dahinfegt, auch in liebliche Auen und idyllische Bergstädtchen läßt er uns blicken. — So reich an Innerlichkeit sich die Schilderungen Heckers erweisen, so rein auf die Mache und Bravour hin sind die Arbeiten von Emil Nolde berechnet. Temperament ist gewiß nicht zu unterschätzen; aber in der Kunst jeden Vorwurf auf den Bluff zuspitzeu wollen, erscheint doch be denklich. — Auch einige Mitglieder des Karlsruher Künstlerbundes haben sich mit Radierungen und Steinzeichnungen eingefunden. Conz, Braumüller, Hoch, Kampmann, Lührig, Fikentscher, Nogge und auch Cornelia Paczka sind mit feinfühligen Land schaften und lebensvollen Figurenbildern vertreten, die aufs neue von den ernsten und zielbewußten Bestrebungen dieser Künstler gruppe Zeugnis geben. — Die französischen Graphiker, die sich zur zeit hier eingefunden haben, bieten besonders farbenschöne Radierungen, die virtuos behandelt sind. In dieser Gruppe finden sich vortreffliche Arbeiten vor von Chahine, Berndeley, Leheutre, Lunois, Verton, Lepöre und Villon. Ernst Kiesling. * Das Schicksal des >Tech,,olexlko,is«. (Vergl. 1908 Nr. 7, 135, 151; 1909 Nr. 216 d. Bl.) — In der »Frankfurter Zeitung« beklagt Professor Ludwig Fränkel (Planegg bei München) das Schicksal des vom Verein Deutscher Ingenieure unternommenen »Technolexikons«, dessen Herausgabe nach jahrelangen kostspieligen Vorarbeiten bekanntlich endgültig auf gegeben worden ist: »So wäre denn all die jahrelange Mühe umsonst gewesen. Statt daß wir ein Werk bekommen hätten, das dem Namen deutscher Wissenschaft hohe Ehre gemacht Hütte — der Lexiko graphie und der Technologie natürlich in erster Linie —, muß man sich jetzt mit dem traurigen Ruhm behelfen, Zeit, Kraft, Mittel in umfänglichem Maße an ein für nötig erachtetes, vor züglich entworfenes Unternehmen erfolglosverschwendetzu haben. Der »Verein deutscher Ingenieure« hat seine Initiative und Energie glänzend durch dos Münchner »Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik« bewiesen, und vor zwei Jahren, als es galt, die Gleichberechtigung der realistischen Schulbildung neben der humanistischen durchzu drücken, marschierte er voran. Gewichtige Ursachen sprechen also zweifellos mit, wenn jetzt der verantwortliche Ausschuß dieser schaffensfreudigen Gesellschaft maßgebliche Ratschläge ein holt, kopfscheu wird und kategorisch erklärt: »Bis hierher und nicht weiter!« Beabsichtige ich auch keineswegs, hier irgend welche Vorwürfe oder gar Anklagen zu erheben, als sei früher etwas verfehlt oder jetzt voreilig verfügt worden, so dürfen doch schmerzlichstes Bedauern und beweglichste Klage ertönen und sollen auf keinen Fall unterdrückt werden. »Schon das bisher Geforderte verdient Lob echt deutschen Fleißes. Rangieren wir Deutschen ja doch seit den Anfängen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. wahrhafter Lexikographie in der ersten Reihe dieses mühseligen Faches, das wie kaum eines den Gelehrten zur Entsagung zwingt. Unsere lateinischen Lexika, von der Georges-Familie bis zum ge waltigen ^Ü68auru8 Katiuitati3 der deutschen Akademien, regieren im Bezirke des alten Idioms. Die Franzosen beneiden uns um die unter Karl Sachs, dem unlängst verblichenen Veteranen, ent standenen Wörterbücher ihrer eigenen Sprache. England und Anglo-Amerika wetteifern vergeblich in der Aufzeichnung des Wortschatzes ihrer meistgesprochenen Kultursprache mit uns. Und wenn die Riesengründung der Brüder Grimm, die unser geliebtes Deutsch unter Dach bringt, einmal fertig vorliegt, wird kein Volk der Erde ein Seitenstück dazu besitzen. Und da, so frage ich, sollte man sich bei einem Speziallexikon, und sei es auch dem eines weitausgebreiteten, vielverästelten Gebietes wie der Technik, schlagen lassen und fast nach einem Jahrzehnt opferwilliger Hingabe die Hände in den Schoß legen?« »Ist nun auch diese Arbeitseinstellung unter den jetzigen Umständen nicht rückgängig zu machen, so verwahre man jeden falls die Stöße reifer und halbreifer Unterlagen nicht nur an sicherem, sondern auch an augenfälligem Orte (am besten gewiß im Münchener »Deutschen Museum«), wo stets die Blätter und Notizen den Blick an eine Ehrenpflicht gemahnen, die doch über lang oder kurz eingelöst werden muß: der modernsten, zugleich der am engsten mit dem Leben verknüpften Wissenschaft ihr Wörterbuch zu schenken, der deutschen Technik das Techno lexikon.« Ein englischer Musikkatalog. — Wohl die bedeutendste musikalische Bibliothek auf englischem Boden ist die Büchersamm lung des Londoner »ko^ul Oolls^s ok IVlu8ic«. Sie entstand durch die Vereinigung mehrerer wertvollen Musik-Bibliotheken, von denen die 1883 um 3000 Pfund von Sir Augustus Adderley und einer Anzahl anderer Spender erworbene Sammlung der »Zaereck Harmonie Society« die bedeutendste war; Königin Viktoria machte der Bibliothek gleichfalls Zuwendungen, der Vorstand des Britischen Museums gab eine Reihe wertvoller Doppelstücke, das Victoria- and Albert-Mnseum spendete die Bibliothek der Nameal Onicm, ebenso wurden der Bibliothek von einzelnen Musikfreunden, wie Sir George Grove, Mr. S. W. Waley, Mr. I. W. Windsor, Herrn Eduard Dannreuther, Sir Arthur Sullivan und anderen, teils ganze Bibliotheken zugewiesen, teils beträchtliche Einzel zuwendungen gemacht. Das Ergebnis dieser Käufe und Schenkungen ist die heutige Bibliothek des ko^al LoIIs^s ok Nu8ie, deren Vorstand, Mr. Barclay Squire, soeben den ersten Katalog derselben herausgegeben hat (OataloSUS ot printeä mu-üo in tds kibrar^ ok tbe ko^al Lolle^o d/ l^ovollo L 6o. ancl Ilroitlropk anck LaortsI). Das Studium dieses Katalogs ergibt, wie wir einem Bericht der »1'im68« entnehmen, daß diese Sammlung zwar keineswegs frei von Lücken ist so ist namentlich ältere französische Musik nur spärlich, auch mancher neuere Komponist nur wenig oder selbst gar nicht vertreten —, daß aber anderseits reiche Schätze in dieser Bibliothek vorhanden sind, die sie zu einer der hervor- So ist z. B. die Sammlung von Madrigalen ganz hervor ragend und enthält fast lückenlos die großen englischen Kompo nisten des 16. und 17. Jahrhunderts, ebenso die Sammlung eng lischer Opern; ferner ist eine sehr große Anzahl von Liedern und Liedersammlungen vorhanden, die von der Zeit des Common wealth bis zu Georg I. von John Playford und seinen Nach folgern gesammelt und veröffentlicht wurden. Auch kirchliche Musik ist, wie selbstverständlich, sehr reichlich vertreten, so Orlando di Lasso, Adrian Willaert und andere ältere vlämische und italie nische Tonsetzer; auch ist ein ungewöhnlich gut erhaltenes Exem plar von Barnards 1641 veröffentlichter Oollsetion ok Odureti Nubie vorhanden, der ersten Sammlung englischer Kirchenmusik, von der sich leider kein einziges vollständiges Exemplar er halten hat. Ferner sind zahlreiche seltene Bücher über die Laute vor handen, so William Barleys »öoolro ok ladliture«, London 1596, Gasparo Fiorinos »klobilitä. äi Koma,«, Venedig 1573, und das Lautten Buch von Wolf Heckel, Straßburg 1562, womit drei 1656