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Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag-. Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Ps pr»n>iw«r»»Un. Metzer für Inserate werden di» spätestens Mittag- de- vorhergehenden Tages de- Erscheinen» erbeten und dir CorpuSspaltrnzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stabtgemeinderalh, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Nedacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Donnerstag, den IS. Mai 1883. 8. Jahrg. politische Aundschau. Deutschland. Prinz Wilhelm von Preußen hat sich dem Vernehmen nach mit hoher Befriedigung über seinen jüngsten Besuch in Wien und Prag ausgesprochen. Obwohl dieser Besuch nur aus persönlich-freundschaftlichem Anlasse hervorgegangen war, so gewann er durch das herzliche Entgegenkommen von Seiten der österreichischen Kaiserfamilie, wie durch die sympathische Haltung der Bevölkerung beider Städte einen Character, welcher weit über den ursprünglichen Anlaß hinausging und sich fast zu politischer Bedeutung erhob. Prinz Wilhelm soll sich auch namentlich mit rückhaltsloser Aner kennung über den Zustand der österreichischen Armee, sowohl was die Haltung als auch das Ausschneiden der schneidigen Compag nien und das Exerciren anbelangt, ausgesprochen haben. Die Nähe der hohen Feste pflegt sich gewöhnlich auf parla mentarischem Gebiete zuerst bemerklich zu machen und so ist es auch mit dem diesjährigen Pfingstfeste der Fall, denn das preußische Ab geordnetenhaus ist bereits am Montag in die Pfingstferien gegangen, während ihm der Reichstag erst am Donnerstag folgen wird. Noch in der vorletzten Sitzung, also am Sonnabend, kam es indessen im ersteren Parlamente zu ärgerlichen Auftritten, indem die Fortschritts partei, da ihre Anträge auf Vertagung der Debatte über die Ver waltungsgesetze wiederholt abgelehut wurden, in demonstrativer Weise den Sitzungssaal verließ, wobei sich ihr ein Theil der Secessionisten anschloß. Trotz dieses Zwischenfalles wurde die Verwaltungsvorlage vom Hause noch erledigt; am Montag fand auch die Secundärbahn- vorlage in dritter Lesung die Zustimmung des Hanfes. Die nächste Sitzung setzte Präsident von Köller auf Freitag, den 25. Mai, fest. Im Reichstage hat am Sonnabend die erste Berathung des Etats pro 1884/85 begonnen. Die Redner der Liberalen beklagten die Einbringung desselben, doch sagte der nationalliberale Führer, Herr von Bennigsen, eine gewissenhafte Prüfung der Vorlage in der Commission zu. Von den übrigen an diesem Tage gehaltenen Reden verdient besonders diejenige des preußischen Finanzministers Scholz hervorgehoben zu werden, mit welcher der Minister den ab fälligen Aeußerungen des Abg. Bamberger über unsere gegenwärtige innerpolitische und parlamentarische Lage entgegentrat und in der Herr Scholz namentlich das Verlangen der Opposition nach einer parlamentarischen Negierung in scharfen Worten verurtheilte. In der am Montag fortgesetzten Generaldiscussion über den Etat pro 1884/85 hielt Abg. Eugen Richter eine sehr lange Rede, in welcher der fortschrittliche Führer an die Mittwochsdebatte über seinen be kannten Antrag an die Militärverwaltung anknüpfte und den Rep tilienfonds, die exceptionelle Stellung Bismarck's, unsere parlamen tarischen Verhältnisse und noch tausend andere Dinge in den Kreis seiner Betrachtungen zog und schließlich die Verweisung des Etats an die Commission beantragte. Herrn Richter antwortete Finanz minister Scholz, wobei letzterer die von genanntem Abgeordneten gegen den Reichskanzler gerichteten Angriffe mit großer Entschieden heit zurückwies, worauf Abg. von Kardorff eine Widerlegung der Bamberger'schen und Nichter'schen staatsrechtlichen Lehren über Mo narchismus und Parlamentarismus versuchte. Nachdem noch von Seiten des Centrums Herr Windthorst für die Berathung des Etats im Plenum plaidirt, wurde der Antrag Richter infolge der stärkeren Besetzung der linken Seite des Hauses mit 105 gegen 97 Stimmen angenommen. Am Dienstag trat der Reichstag in die 3. Lesung der Holzzollvorlage ein. Der preußische Eisenbahn-Minister, Herr Maybach, tritt, nach seiner eigenen Erklärung im Abgeordnetenhause, zur Stärkung seiner geschwächten Gesundheit in diesen Tagen eine längere Urlaubsreise an. Hoffentlich kehrt er von derselben auf seinen Ministerposten zurück. Während der Abschluß des deutsch-italienischen Handelsvertrages nunmehr perfect geworden ist, schwinden die Aussichten auf das Zu standekommen des deutsch - spanischen Handelsvertrages immer mehr und der Abbruch der bisher noch zwischen Berlin und Madrid ge führten Verhandlungen würde daher auf keiner Seite mehr überraschen. Die Polen treten jetzt mit immer kühneren Forderungen auf. Am Sonntag wurde in einer zu Posen stattgefundenen polnischen Volksversammlung beschlossen, eine Petition an den Cultusminister v. Goßler zu richten, in welcher um gänzlicke Aufhebung der Ver fügung von, 7. April d. I., betreffend die ausschließliche Anwendung der deutschen Sprache bei Ertheilung des katholischen Religions unterrichtes gebeten wird. Einem solchen Verlangen dürfte die preußische Negierung doch schwerlich nachgeben. — Berlin, 8. Mai. Im neuen See im Thiergarten fand man heute früh den Häuseradministrator Luhn, mit einem Knebel im Munde, ertränkt auf. Die Geldtasche desselben, in welcher sich 28,000 Mark befunden haben sollen, wurde leer auf dem Spandauer Bock aufgefunden. .. , Oesterreich-Ungarn. Die in Wien tagende sogenannte Conferenz ü guntre hat ihre Verhandlungen in diesen Tagen be endigt. Die Conferenz, auf welcher Oesterreich, Serbien-, die Türkei und Bulgarien durch je einen Bevollmächtigten vertreten waren, sollte bezüglich der Orientbahnen eine Einigung herbeisühren und ist dieselbe auch erfolgt, da der Wortlaut der Eisenbahnconvention mit Einstimmigkeit genehmigt wurde; die Unterzeichnung der Convention soll noch im Laufe dieser Woche vor sich gehen. Frankreich. Die Wahlen in der französischen Deputirten- kamnier zur Budget-Commission haben immer eine gewisse Bedeutung gehabt, da sie das Stärkeverhältniß der Parteien stets in besonderer Weise zum Ausdruck bringen. Auch die diesjährige Wahl der Mit glieder der Budget Commission, welche am vergangenen Sonnabend stattgefunden hat, brachte das Stärkeverhältniß der Hauptparteien der französischen Deputirtenkammer in recht bezeichnender Weise zum Ausdruck, indem die Rechte von der Vertretung in der Commission vollständig ausgeschlossen wurde. In der Zusammensetzung des Budgetausschusses erscheint aber auch der Umstand bemerkenswerth, daß in ihm die Gambe listen, im Gegensatz zu früher, jetzt am zahl reichsten geworden sind. Da das Cabinet Ferry einen im Wesent lichen gambettistischen Character trägt, so kann man den Ausfall dieser Wahlen als einen bedeutenden Erfolg des Ministeriums be trachten. Bei der Wichtigkeit des Budgetausschusses, der auf die Entschließungen der Kammer einen maßgebenden Einfluß ausübt, ist der jüngste Erfolg der Gambettisten ein beachtenswerthes Symptom. Auch bei der Wahl des Präsidenten der Budget-Commission siegten die letzteren, indem nach zweimaligem Wahlgange Sidi Carnot, Finanzminister unter Gambetta, mit 17 gegen 31 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt wurde England. Herr Gladstone macht noch immer keine Miene, trotz seiner entschiedenen Niederlage in der Angelegenheit der Eides- bill, einem conservativen Ministerium das Feld zu räumen. Still schweigend schreitet er über die erlittene Schlappe hinweg und all gemach legt sich auch die im Lande durch die Verwerfung der Eides- bill hervorgerufene Erregung. Daß der von den Conservativen ent fachte Sturm nur mit künstlichen Mitteln bewerkstelligt worden ist, beweist übrigens der Umstand, daß die Unterschriften unter der Massenpetition gegen die Eidesbill zum größten Theile fingirt ge wesen sind und wird diese Affaire wohl noch zu einem Nachspiele im Gerichtshöfe führen. Türkei. Die Pforte hat endlich einen neuen Candidaten für den Gouverneurposten des Libanon gefunden. Es ist dies Wassa Effendi, der bisherige Gouverneur von Adrianopel und haben die Mächte bereits ihre Zustimmung zu seiner Ernennung gegeben. Das Protokoll über die Ernennung Wassa Effendi sollte in der Dienstags- Sitzung der Libanon Conferenz unterzeichnet werden. Ueber die Be fähigung und bisherige Thätigkeit Wassa Effendi's ist noch wenig bekannt, doch muß die Pforte eine hohe Meinung, daß sie ihn zur Uebernahme eines so schwierigen Postens, wie es derjenige eines Gouverneurs des Libanon ist, beruft. Scandinavien. Dem Präsidenten des norwegischen Staats ministeriums, Selmer, sind wegen der vom Odelsthing beschlossenen Anklage gegen das Ministerium zahlreiche Zustimmungsadressen aus allen Theilen des Landes zugegangen. Ferner bereitet man, außer in Christiania selbst, in verschiedenen größeren Städten Norwegens Versammlungen der conservativen Wähler vor. Es soll auf den selben der Entrüstung über den Beschluß der Volksvertretung Aus druck verliehen und gegen das Verfahren des Odelsthing, als un vereinbar mit dem Grundgesetze und gefährlich für den Frieden des Landes, Protest eingelegt werden.