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Der jüngere der Beiden hat den Schuß auf die Frau abgegeben. Nach vollbrachtem Morde haben die Tbäter die Leiche in ein andere- Zimmer geschleppt und letztere« verschlossen. Al« der Hirtenjunge unmittelbar nach der That in- Hau- kam, fragten sie ihn nach der Wirthin. Der Junge konnte Vie Frau natürlich nicht finden und die Mörder entfernten sich. Der Junge ging danach den Wirth suchen, welcher auf der Straße Steine klopfte. Letzterer kehrte darauf nach Hause zurück sprengte mit der Hacke die versperrte Thüre auf und fand, in ihrem Blute schwimmend, seine Frau. Da« etwa 2jährige Lind der Unglücklichen saß bei der Leiche am Boden und spielte mit einem Tuche, das vom Blute der Mutter getränkt war. Glaube und Vertrau. Historische Novelle au« dem Volke von Th. Dr.bisch. (Fortsetzung.) Der alte Clemen zweihundert Gulden? Diese Nachricht lief durch die ganze Stadl und man wußte eigentlich noch nicht, wer der Geber sei, wenn nicht Friedemann Richter in die Worte auSgebrochen wäre: „Diese können nur von dem Johann kommen, »er nach Holland gehen wollte. Du mein Gotti am Ende ist er gar mit einem Schiffe nach Ostindien gegangen und hat sein Glück gemacht!" Vater und Mutter zerbrachen sich fast darüber den Kopf, aber Alles jubelte ob dieses Geschenkes, das so recht al« Hilfe in der Noth onkam, denn Krieg und Theuerung hatten bitter gewaltet und die Tuchmacherei lag fast gänzlich darnieder. Richter, der alle, treue Freund, der unterdessen Familienvater ge worden, hatte richtig prophezeit. Scheu nach wenig Wochen lief ein Brief von Johann Clemen ein, in dem er seinen Lebenslauf und die glückliche Wendung mit inniger Freude meldete und fernere Unter stützung versprach. Welche Freuvenlhränen in der Familie Clemen! Ein Brief aus Surinam, oas war in Döbeln noch nicht dagcwesen. Er wanderte in den RathökeUer, in's SchicßhauS, mau befühlte das Papier» man hielt die Nasen daran, denn Viele glaubten, es müsse durch und durch nach Zimmt und Muskate riechen. — Etliche, die früher den Ausgewanderten einen Lübria» genannt halten, der in der Welt hcrumschweife, kehrten jetzt den Spieß um und sagten: Recht so! Der Hal sich in der Welt etwas versucht! Die größte Freude empfand inkeß die alle Mutter Clemen. Sie meinte: „Ich wußte es ja, daß der Johann noch am Leben sein müsse; denn wenn er gestorben, da hätte es gewiß ein Anzeichen gegeben oder er wäre mir im Traume erschienen." Im nächsten Jahre kamen pünktlich die 260 Gulden an. Sie wurden mehr gebraucht als sonst, renn Muller Clemen lag auf der Bahre und es fehlte im Hause am Nölhigsten. Die Spende des guten Sohnes, ach! er ahme wohl nicht am Maranonstrom, daß da- heim von jenem Gelve der Sarg für seine Muller angekauft werde. Im Küstenlanve am allandischen Ocean ähnle er nicht, daß daheim in dem kleinen Häuschen zu Döbeln die Lhränen seiner Brüder flossen uuv Grabgesang am Todlenhügel seiner Muller erlönte! Eine gleiche Rührung aber sollte bald sein Herz ebenfalls er füllen. Es starb der Besitzer jener Planlage, der schon lange Zeit gekränkelt. Da Clemen als Buchhalter mit allen VermögenSverhält- nissen und Ausständen vertraut war, übergab ihm die Witlwe vor der Hand das ganze Geschäft nebst Corresponvenz an die Handelshäuser nach Amsterdam. Hier bewährte sich die deutsche Ehrlichkeit und Biederkeit so recht in vollem Maße. Eher Halle er einen Finger seiner Hand missen wollen, als einen Piaster zu veruntreuen von all' den Summen, die er im Auftrage der Witlwe zu verwalten Halle. Von Taz zu Tag setzle er sich ui ihrem Berlrauen fester und wußte zuletzt ihr Herz zu gewinnen." Sie reichte ihm die Hand zum Ehebunde, wodurch er nicht nur in den Besitz der vier Kasfeeplanlagen und der vierhundert Sclaven kam, sondern auch noch Eigenthümer großer Capitalien wurde, welche ihm ein jährliches Einkommen von weit über hunderttausend Gulven sicherten. ES war im Jahre 1770, als von dem Geschehenen die Kunde in Döbeln eintraf, wo zu jener Zeit noch der alle greise Vater Clemen, so wie drei Brüder Johann's unv die Tochter einer verstorbene» Schwester lebten. Die Lage all' der Genannten war eine kümmerliche zu nennen, was man bisher dem Bruder in Surinam verschwiegen hatte. Durch das Opfer von jährlich 200 Gulden glaubte man schon das Höchste erreicht zu haben und es war von Seiten der Brüder wohl als eine Art Blödigkeit zu betrachten, daß sie bei nun bewandlen Umständen nicht offen mit der Sprache herauörückten. In besonders mißlichen Verhältnissen lebte der Bruder Christian, der sich mit Frau unv Kindern zu Freiberg niedergelassen Halle. Jener Christian, der beim Abschied Johinn'ö damals sechs Jahre zählte und ihm ven Groschen auö der Sparbüchse als Zehrpfennig mil auf den Weg geben wollte. Düster gestimmt saß er eines Tages an den wurmzernagtcn Tische, als er plötzlich einige alte Güsselfeld'sche und Hommann'sche Landkarten vor sich auSbreitete, die er sich von einem Antiquar verschafft halte. Er tippte mit dem Finger auf der einen Karte herum und sagte dann: Hier Hamburg! Auf der zweiten Karte suchte er den atlandischen Ocean und sagte dann für sich: Es bleibt dabei, was ich mir vorge nommen! Ich — suche den Bruder Johann auf, ich — gehe nach Surinam. — In sechs bis sieben Monaten kann ich, so Gott will, wieder hier sein. — Ich wollte erst einen Brief an den Bruder schreiben, aber Nichts da mit Krikelkrakel! Selber ist der Mann! Als er dies Vorhaben seinem Weibe offenbarte, fiel ihm diese schluchzend um den Hals und suchte ihn davon abzubringen. Christian ließ sich aber durch Nichts festhalten. Ohne seinem Vater und seinen Brüdern Etwas von seinem Plane zu sagen, raffte er ein wenig Geld zusammen, empfahl Frau und Kinder der Fürsorge Gottes und verließ früh um vier Uhr das kleine Häuschen, daö auf „Sorge" lag. DaS Bergglöcklein läutete zur Anfahrt der neuen Schicht, und hin durch den Nebel, welcher das Erzgebirge lange vor Beginn den Herbstes heimsucht, schritt Christian zum Kreuzthore hinaus. Er nahm zuvörderst seinen Weg nach Leipzig, wo er sich bei Frege und Comp. als Bruder des reichen Kaufmanns in Surinam legiti- mirte. Da« große, schon damals geachtete Handelshaus gab ihm einen Empfehlungsbrief an einen SchiffScapitän nach Hamburg mit. In Zeit von vierzehn Tagen befand sich Christian auf dem Wasser. In der schönsten malerischen Lage unter wolkenlosem Himmel streckte sich im Reich der üppigsten Vegetation die Besitzung des reichen Pflanzers Johann Clemen aus. ES war ein Feiertag und in dem herrlichen Lanbhause tummelte sich zahlreicher Besuch, wo man unter den Männern vorzüglich den Gouverneur Paramgribo, den früheren General van Lo^n, sowie den reichen Spanier Don Ramon Ruiz bemerkte. Ihnen schloß sich noch ein Admiral, sowie einige Lieutenants der holländischen Compagnie an. Die Regenzeit, welche in Surinam oft Monate lang anhält, war vorüber. In sonnigem Glanze standen die Palmen und riesigen Cactusstauden an den Grenzen des Gartens, der sich vor dem Hause in voller Pracht auSvehnte. Auf vergoldeten Stäben und in silbernen Käsigen schwärmten Papageien und seltene Vögel aller Art, während in den Zimmern Hyazinthen und Tulpen aus Harlem ihre Düfte entströmleu. Wenn der Blick den Hintergrund dieser reizenden Land schaft überschaute, so wich gar bald die Prosa des Lebens dem Ein drücke einer großartigen Naturscene, denn dort gewahrte man zwei Wasserfälle in seltener Pracht. Wie feindliche Batterien wälzten sie ihre Fluthen gegen die Ufer her, wühlten Breschen in den lockeren Boden und führten die Trümmer des bekämpften Elementes mit sich fort. Johann Clemen und seine Gemahlin, eine geborene Holländerin, ließen ihren Blick sorgsam, aber freundlich umherschweifen, damit es den Gästen an Nichts fehle, was das Leben erheitere. Während zahlreiche Dienerschaft Erfrischungen in Menge credenzte, drückte Clemen irgend einer schönen spanischen Dame eine Guitarre in die Hand, um darauf eine Romanze oder einen Tanz ihrer Heimath zu spielen. Unfern deö Gartens freuten sich die Sclaven ihres Lebens in mitten anderer auf Surinam gelandeter Völkerschaften. Da erkannte man an ihren blauen Hemden die Engländer, an den Thonpfeifen dis Holländer, unv die Emgebornen an vem Pancho, einem Kleidungs-- tücke, das in ganz Südamerika getragen wird. Unter hochstämmigen Olivenbäumen hatten durch die Menscheu- reundlichkeit des Besitzers, Johann Clemen, sämmltiche Sclaven von den Kaffeplantagen Mittags große Mahlzeit gehalten, wo große Schüsseln mit Hammelsuppe aufgctragcn wurden, in deren Mjlle Fleisch, Zwiebeln, Knoblauch und rolhe Psefferschoten hoch aufg> thürmt über einander lagen. — ES herrschte Lust unv Fröhlichkeit in ven schwarzen Gesichtern, und mit Begleitung einer Querpfeife, wie Dudelsacks, wurden Nationaltänze ausgeführt, wcrunter man vorzüglich den Saiubacucea und Sajuriana bemerkte. Als nun einer der herrlichsten Abende nahte und in dem ent fernten grüne» Baumlabyriiilhe die gewaltigen Kronen der Bäume von der scheibenden Sonne ihr röthlicheö Licht empfingen, strömte die glänzende Gesellschaft ans den Zimmern nach der Terrasse des Hauses, wo man sich an den blauen Stufen auf Stühlen von Rohr- und Bambusgeflecht niederließ. Während man in geschliffenen Eryslall- gläsern Limonade reichte und auf silbernen Brettern der Thee in chinesischen Porzellantassen gereicht wurde, setzte sich Clemen nebst seiner Gemahlin in die Nähe des Gouverneurs, der seine hochrolhe Uniform gelüftet unv mil dem Spanier eine der feinsten Cigaretten angezünbel halte. In ihrem Diamantenschmucke glänzten die Damen des Kreises, umgeben von reichen holländischen Kaufleuten unv Manne- offiziren, als plötzlich im Garten ein verworrener Wortwechsel enlstaud. Als Elcineii seinen Blick nach jener Stelle wendete, bemerkte er zwei seiner Diener, welche einem Fremden Mann den Eintritt verwehre» wollten, da er durchaus kein festlich Kleid hatte und die Diener seine Sprache nicht verstanden. Der Fremdling trug einen dünnen, abge schabten, oder sonst reinlichen Nock nebst Beinkleidern von Rankin. Seinen Hut hielt er kemüthig in der Hand, sein Blick auS dem bleiche» Antlitz war bittend. (Fortsetzung folgt.)