Volltext Seite (XML)
6770 Börsenblatt?. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil 126. 3. Juni 1S12. Titl. München, 29. Mai 12. Verein für evangelische Freiheit zu Köln, Köln. Auf Ihr Schreiben vom 23. d. M. teile ich Ihnen hösl. mit, daß ich es ablehnen muß, unter Umgehung des Sortimentsbuch handels Ihre direkte Bestellung mit einem Rabatt von 33*/,^ auszuführen, ebenso wie die Gratislieferung von leichtbefchädigten Büchern. Der deutsche Verlagsbuchhandel kann nicht bestehen, wenn er seine Erzeugnisse gratis liefern soll, ebensowenig wie der Sorti mentsbuchhandel, wenn der Verleger seine Erzeugnisse direkt liefert. Am dortigen Platze befindet sich eine reichliche Anzahl vorzüglich geleiteter Buchhandlungen, die die Vermittlung Ihrer Aufträge gerne übernehmen und auch dazu berufen sind, Ihnen mit Rat zur Gründung einer ihren Zweck erfüllenden Jugend bibliothek zur Seite zu stehen. Daß Ihre Bestrebungen den Hamburger Jugendschriften - Prüfungsausschüssen parallel laufen, erstreckt sich wohl auch auf die Art, wie Sie Ihre reichhaltige Biblio thek zusammenzubringen gedenken. Hochachtungsvoll München. Georg W. Dietrich. Es wäre ein Irrtum, aus dem Umstande, daß in der letzten Zeit keine Beschwerden über Bücherbetteleien im Börsenblatt veröffentlicht wurden, schließen zu wollen, daß man sich neuer- dings allgemein zu der Anschauung bekehrt habe, der Verleger wolle seine Bücher verkaufen und nicht verschenken. Ehe es dahin kommt, muß der Verlagsbuchhandel noch viel energischer als bisher alle Bittgesuche um Bücher zurückweisen und sich auf den Standpunkt stellen, daß seine Ware so gut wie die jedes anderen Geschäftsmannes ihres Preises wert ist. In dieser Auf fassung darf er sich auch weder durch diejenigen irre machen lassen, die es als eine Versündigung an der Kultur betrachten, wenn der Verleger dem Verein steuerfreier Hundebesitzer oder dem Kegelklub Gut Holz nicht schenkungsweise zu einer Vereinsbibliothek verhilft, noch durch die Lockungen jener wohlwollenden Gönner, die sich den Anschein geben, als genüge die Lieferung eines Prüfungs exemplars an sie vollkommen, um ein Buch zur Einführung zu bringen und ihm einen Massenabsatz zu sichern. Daß diese Bücher schnorrer auch der Konkurrenz die gleichen Versprechungen machen, ist zwar ein schönes Zeichen ihrer Unparteilichkeit, aber auch der einzige Trost, den sie ihren Geschenkgebern gewähren können. Infolge des Vorgehens des Deutschen Verlegervereins, dem auch das tiefere Verständnis für die Gemeinnützigkeit von Bücher- fchenkungen zu fehlen scheint, hat sich eine kleine Wandlung zum Besseren vollzogen. Wenn man aber den kürzlich im »Reise- Bund«, dem Organ des Internationalen Verkehrs-Bundes (E. V.), erlassenen Aufruf »an die Herren Verleger« liest, in dem ihnen »für das liebenswürdige Entgegenkommen«, das dem Bunde die Einrichtung eines öffentlichen Lesesaales im Kerkau-Palast in Berlin ermöglicht habe, »verbindlichster Dank« gesagt wird, so scheinen Gutmütigkeit, Bequemlichkeit oder falschverstandene Rücksichtnahme doch noch mehr Anziehungskraft auszuüben, als es die Solidarität der Standesinteressen vermag. »Wir können«, heißt es am Schlüsse dieser Danksagung, »mit froher Genug tuung konstatieren, daß die Herren Verleger durch ihre Einsicht ein Werk schaffen helfen, welches unsere ursprüngliche Absicht, eine geistige Zentrale (!) ins Leben zu rufen, zur Wirklichkeit werden läßt«. Ohne in eine Kritik der nachstehenden Schenkungsgesuche einzutreten, konstatieren wir mit derselben frohen Genugtuung, hinter der der Wunsch steht, hinzugehen und desgleichen zu tun, daß wenigstens die Einsender aus dem Leserkreise sich klar darüber waren, wie wenig ihren Interessen gedient ist, wenn sie Bücher wegschenken. Um aber allen Lesern die Möglichkeit einer Nach prüfung zu geben, drucken wir außer den Namen der Gesuch steller und der Zweckbestimmung der erbetenen Bücherspenden auch die Gründe ab, die zur Befürwortung der Gesuche vorge bracht wurden. Wenn diese Gründe nicht so überzeugend wirken sollten, wie es anscheinend beabsichtigt ist, so bitten wir, die Schuld nicht uns beizumessen. Vereinigung Württembergischer Dentisten, Stuttgart, wünscht Zuwendungen für die Fachklasse der Zahntechniker lehrlinge der Gewerbeschule. Grund: »Die Barmittel sind ohnehin sehr in Anspruch genommen und müssen zur Be schaffung von Instrumenten u. dgl. benutzt werden.« Hubert Dostal, Schulleiter in Pinkaute bei Unter- langendorf (Mähren). Bilder zur Ausschmückung der Schule. Grund: »Die geldlichen Verhältnisse von Pinkaute sind äußerst ungünstige». Deutsche Arktische Expedition, Berlin, wünscht die »Export- Praxis«. Grund: Der »hoch wissenschaftliche und patriotische Zweck des Unternehmens« oder auch: »Die Expedition steht unter dem Protektorate hoher Fürstlichkeiten und wird von den Berliner Ministerien befürwortet«. Kaiserlich Deutsches Konsulat, Basel, für die Bibliothek des Auswärtigen Amts in Berlin. Grundr »Es wäre der Bibliothek des Auswärtigen Amts in Berlin erwünscht, regel mäßig ein kostenloses Exemplar von .... zu erhalten.« (Das Gesuch betrifft ein in der Schweiz erscheinendes periodisches Unternehmen.) Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts krankheiten erbittet gratis die auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden (Uberschuß mehr als 1 Million Mark) in der Sondergruppe Geschlechtskrankheiten ausgestellten Verlagswerke. Grund: »Es wäre schade, wenn die ganze auf die Zusammentragung der Bücher verwendete Mühe verloren wäre, und wenn die einzelnen Bände nach Schluß der Ausstellung wieder in alle Winde zerstreut würden«- Milsch, Hauptlehrer in Sauerwitz bei Leobschütz, ersucht um ein Freiexemplar der Ausgewählten Gedichte des Oviäius llaeo für den Schulgebrauch. Grund r »Mein Sohn besucht das Gymnasium zu Leobschütz«. Di-. A. Völker, Probekand., Posen, ersucht um kostenlose Überlassung der Cauerschen Geschichtstabellen. Grundr Unter richtszwecke ... »da sie in feiner Klasse eingeführt sind«. Professor von Aken, Schwerin i. M. hat den gleichen Wunsch. Grund: Auch in Schwerin sind die Cauerschen Geschichts tabellen eingeführt. Ernst Klages, Gesanglehrer, Magdeburg, bittet um Über lassung einer Reihe Liedersammlungen »als Künstlerexem plare«. Grund: » für eine wissenschaftliche Arbeit.« Der Kaufmännische Verein, Reichenberg in Böhmen, fragt an, zu welch' ermäßigtem Preise er die »Kunst für Alle« erhalten könne. Grund: »Infolge der vielen Kaffee häuser und der reichhaltigen städtischen Lesehalle, wodurch die Zahl der Mitglieder unseres Vereins nur mühevollst auf der richtigen Höhe zu erhalten ist, müssen wir mit Rücksicht auf die sonstigen großen Unterhaltungskosten unserer Vereins lokalitäten auf die möglichste Sparsamkeit bedacht sein . . .« K^egH-Verein, Forbach i. L-, will eine Vereinsbibliothek errichten, die event. zu einer Volksbibliothek ausgebaut werden soll, und ersucht um geschenkweise Zuwendung von Büchern. Grund: »Es existiert in hiesiger Stadt (bei 10 000 Einwohnern) noch keine Volksbibliothek«. Hoffmann, Landgerichtsrat, Breslau, wünscht die Zu sendung eines Kunstblattes, einen Gegenstand oder eine Persönlichkeit aus der Geschichte Friedrichs des Großen dar stellend. Grund: »In Striegau soll ein friderizianisches Museum erstehen«. Die Bibliothekskommission des Deutschen Strafanstalt s- Beamten-Ver eins, Bautzen, ersucht um Zusendung von Rezensionsexemplaren. Grund: ». . . beabsichtigt das 1906 erschienene Bücherverzeichnis für Gefängnisse einer Revision zu unterziehen und einen möglichst umfassenden Nachtrag dazu herauszugeben«. Die Bibliothek der Städtischen Handelshochschule, K öln, bedauert, daß unter den ihr Überwiesenen wertvollen Fach zeitschriften für Handel und Industrie noch die Monatsschrift »Holzimport und Holzhandel« fehlt. Grund: »Die einzelnen Nummern werden im Lesesaal ausgelegt werden, der eine oder andere Leser wird daran besonderes Interesse nehmen und jetzt oder künftig auf die Zeitschrift abonnieren«. Das sind nur einige wenige Proben der uns übersandten Bittschreiben, aber sie dürften genügen, weil der Refrain »Schenk' mir was« bei allen derselbe ist, so verschieden auch die Begründung und die in ihr zutage tretende Logik ausfällt. Gründe lassen sich immer finden, wenn man etwas will, und wenn erst der Buch handel will, daß das Buch wieder zu Ehren kommen soll, so hat > er Grund genug, alle diese Gründe nicht gelten zu lassen. Red.