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Tagesbericht. — Dresden, 4. Juni. In der gestrigen Sitzung des Kreis ausschusses der Dresdner Kreishauptmannschaft kam u. A. die in Frage gekommene Entziehung der Theaterconcession Franz Joseph Nesmüller's zu öffentlich mündlicher Verhandlung. Der Kreisaus- schuß gelangte bei derselben einstimmig zu dein Beschlusse, daß Di rector Nesmüller die zur Fortsetzung des Betriebs eines Theaters erforderliche Zuverlässigkeit, besonders in finanzieller Beziebung nicht mehr besitze und ihm infolge dessen die Concession zu entziehen sei. Bis zur eventuellen definitiven Entscheidung des kgl. Ministeriums des Innern solle seinen Vorstellungen dagegen nichts entgegenstehen. — Dresden. Der kürzlich vom hiesigen Landgericht wegen eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit und mehrfacher Beleidig ungen zu 2 Jahren Zuchthails verurtheilte Nedacteur der bekannten Zeitschrift „Shlips", Ernst Moritz Steinbach, hat sich dem Strafer- kenntniß unterworfen und ist vor einigen Tagen in die Strafanstalt Waldheim eingeliefert worden. — Der Rechtsanwalt Jäger, dessen Verurtheilung wegen Unterschlagung zu 3 Jahren 6 Monaten Ge- fängniß kürzlich erfolgte, hat auf das Rechtsmittel der Revision gegen das landgerichtliche Erkenntniß verzichtet und sich der in Zwickau zu verbüßenden Strafe unterworfen. — Auf einer Station kurz vor Dresden wollte ein Wirth in den Eisenbahnzug einsteigen. Der Schaffner hielt ihn zurück und rief: Halt, hier darf kein Herr einsteigen, das ist ein Damencoupee! — Was Damencoupee? erwiderte der Reisende, der rasch einen Blick hineingeworfen hatte, da sein ja lauter Salatweiber drill! Ein homerisches Gelächter, der Zugführer pfiff, der Reisende stieg iu ein anderes Coupee und der Zug mit dem Damencoupee fuhr Pirna zu. — Der Dresdner PserdeauSstellung steht nach den dortigen Nach richten ein interessanter Prozeß in Aussicht. Es flogen infolge einer Nachlässigkeit beim Schließen der großen Trommel, in welcher die 40,000 LooSnummern lagen, sämmtliche Nummern beim erstell Herumdrehen ins Freie. Obwohl man sie unter des Rechtsanwalt Gerlach Aufsicht sofort wieder in Cigarrenkästchen sammelte, sortirte und ordnete, mußte doch infolge polizeilicher Einsprache die weitere Ziehung unterbleiben. Infolgedessen hat auch erst Mittwoch die Ziehung stattgefunden. Der Besitzer der einzigen Nummer, die ge zogen worden ist — Nr. 9 — verlangt nun den ersten Gewinn und will, da er auf Schwierigkeiten stößt, klagbar werden. Die neuen 40,000 Loosnummern hat die K. Lotteriedirection aus Leipzig gestellt. — Leipzig, 6. Juni. In der letztverwichenen Nacht, einige Minuten nach 1 Uhr, brach im Trianon des hiesigen Schützenhauses Feuer aus und zwar in dem über dem Saal gelegenen Bodenraum. Bei dem zahlreichen Material — es werden immer eine bedeutendere Anzahl unbrauchbare oder in der Repartur begriffene Stühle dort aufbewahrt — griff das Element rasch um sich und zerstörte den Saalbau gänzlich, die beiden Seitenflügel aber nur theilweije, jedoch immerhin derartig, daß eine vollständige Abtragung des Ganzen nicht wird umgangen werden können. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle und griff energisch ein. Ein bestimmter Anhalt für die Entstehungs ursache fehlt zur Zeit noch und nur gerüchtweise verlautet, daß bei dem gestern Abend abgebrannten Feuerwerk durch einen Defekt im Dache Zündstoff in den Bodenraum gefallen ist und vielleicht in Hobelspänen rc. Nahrung gefunden hat. Thatsache ist, daß das Feuerwerk ohue vorherige Anmeldung abgebrannt worden ist, rind daß deshalb Feuerwehrleute, die sonst bei derartigen Veranstaltungen stets zur Stelle, unbenachrichtigt geblieben waren. — Zwickau, 7. Juni. Bei dem am I. Psingstfeiertag, Nach mittags in der 3. Stunde in hiesiger Gegend aufgetroffenen Gewitter fchlug der Blitz ohne zu zünden iu das Wirthschaftsgebäude des Gutsbesitzers Johann Gotthilf Meyer im obersten Theile von Reins dorf und tödtcte von dem daselbst untergebrachten Vieh ein Pferd und zwei Kühe. — In Zwickau wird voraussichtlich iu Zukunft kein Schießfest mehr stattfinden, obwohl die dortige Schützengilde eine der stärksten Korporationen war und sich z. B. auch einer richtigen Artillerie-Ab- theilung mit wirklichen Kanonen auggerüstet erfreute. Als Grund des Eingehens dieses Volksfestes führt man den Mangel eines ge eigneten Schießplatzes und ferner das Verbot des Stadtrathes gegen alle Verloosungs- und Glücksspiele an. Das Eingehen des Volks festes dürfte die Stadt später doch recht vermissen. — In Schwarzenberg brannte am Donnerstag das dem Sattler Müller gehörige Werkstattgebäude nieder. — Schwarzenberg, 7. Juni. In der letztvergangenen Nacht sind in Raschau 5 Bauergütcr, 5 Scheunen und 4 Wohnhäuser ab gebrannt. Das Feuer ist in einer Schelme auf bisher uuermittelte Weise ausgekommen. — Auerbach ist jetzt im Begriffe, die neue Bauordnung (im vorig. Jahre rev. und genehmigt) durchzuführen. Dem entsprechend werden die Trottoirs gelegt und somit den Fußgängern auf den schönen Schreiersgrüner Granitplatten eine prächtige Passage ge schaffen. — Vom 15. bis 19. ds. Ms. wird das heurige Vogel schießen abgehalten werden. Man hofft, daß es sich recht lebhaft gestalte; die Anmeldungen der Schaubudenbesitzer rc. gehen in Menge ein. — Ein in Plauen erkaufter Bulle erwies sich beim Schlachten als im höchsten Grade perlsttchtig. Unter polizeilicher Aufsicht wurde das Fleisch des ThiereS mit Solaröl begossen und vergraben. — Besucher des mittleren Voigtlandes theilen mit, daß in den dortigen Wäldern die Heidel- und Preiselbeerpflanzen sich eines geradezu üppigen Standes erfreuen; die ungewöhnliche Fülle der Blüthen stellt eine reiche Bcereernte in Aussicht. Die Hoffnung hat um so mehr Berechtigung, als wir Nachtfröste nicht mehr zu er warten haben. Unsere Hausfrauen entsinnen sich, wie die späten Frühjahrsfröste die vorjährige Ernte geradezu vernichteten. Heuer ist dieser Feind unschädlich und vielen armen Bewohnern unseres Voigtlandes eine kleine Erwerbsquelle in diesem Sommer gesichert. — In Leisnig ist am Freitag früh gegen 4 Uhr das Bad Mildenstein abgebrannt. — Ain Dienstag verurtheilte das Schwurgericht zu Zittau den Maschinenheizer Kar Gottlieb Herzog, welcher vor einigen Monaten seinen Stiefsohn so furchtbar mißhandelte, daß der Tod erfolgte, zu 12 Jahren Zuchthaus. — Die in der Nacht zum 31. Mai im Erbgericht zu Henners bach bei Liebstadt gestohlenen Pferde sind heute Nacht in Radeberg wieder erlangt worden. Der Dieb sitzt hinter Schloß und Riegel. Deutschland. Das Befinden des Fürsten Bismarck hat sich gebessert, doch hütet der Fürst noch das Zimmer. Seine Absicht soll dahin gehen, nach der Vertagnng des Reichstages namentlich an den noch zu erledigenden Zolldebatten und an den Erörterungen über die Denkschrift bezüglich des Exporthandels nach China, Austra lien und den Südseeinseln Theil zu nehmen. — Unsere Vermuthung, der Fürst Reichskanzler werde gegen Hamburg nicht in einer Art und Weise vorgehen, wodurch diese Stadt ernstlich und nachhaltig geschädigt werde, scheint das Abkommen, welches mittlerweile betreffs des ZoÜanschlusses Hamburgs getroffen wurde, zu bestätigen. Es erheben sich zwar viele Stimmen, welche dieses Abkommen verwerfen und in demselben eine neue Last sehe», die der Reichskanzler dem Reiche aufbürde; aber man ist es nachgerade gewohnt, daß man ge wisser Seite die besten Absichten des Fürsten Bismarck principiell bemäckelt und verurtheilt werden, so daß solche Kritiken, vorzüglich in Süddeutschland, wo man nicht unter dem Einflüsse des Berliner Fortschrittsringes steht, wenig Anklang und Beifall mehr zu finden vermögen. Berlin, 3. Juni. Se. königl. Hoheit der Prinz Karl ist, aus Italien zurückkehrend, gestern iu Bozen eingetrosfen, begiebt sich von dort heute nach München lind wird morgen in Wiesbaden erwartet, wo derselbe etwa 2 Wochen zu bleiben und dann zur Abhaltung eiiles Ordenscapitals und zur Feier seines Geburtstages zum 24. Juni nach Berlin bez. nach Potsdam zu kommen gedenkt. — Der König der hawaiischen Inseln, Kalakaua I., gedenkt nach den hier eingegangenen Mittheilungen auf seiner vor längerer Zeit ange tretenen Reise durch die Welt auch Ende d. M. nach Deutschland zu kommen und bei dieser Gelegenheit dann wohl auch Berlin zu besuchen. Ems. Das sächsische Königspaar findet an dem Aufenthalt in dem reizenden Landthal großen Gefallen. Alltäglich werden kleinere oder größere Ausflüge unternommen, um die landschaftlichen Schön heiten der dortigen Umgegend kennen zu lernen, nicht minder sorgt aber auch die Cur-Commission für interessante Ueberraschungen, um dadurch die Anwesenheit der Majestäten zu ehren. Als besonders prächtig wird in dieser Hinsicht die bengalische Beleuchtung des Bäderlei-Felsens, sowie die Kuranlage geschildert. Glänzendes ver spricht man sich sodann aber auch von dem geplante» Abendfest, bei welchem zum erste» Male mitten auf der Lahn eine beleuchtete Fontaine springen soll. Eine große Freude wurde dem König vor einige» Tagen ferner dadurch bereitet, daß er bei der Rückkehr von der Trinkcnr vor dem Hotel „Zu den vier Thürmen" den Emser Kriegerverein in Paradeausrüstung ausmarschirt vorfand. Sichtlich angenehm berührt begrüßte der König seine alten Kampfgenossen mit einem „Guten Morgen, Kameraden", schritt dann die Front ab, Keß sich die unter seinen Oberbefehl gestandenen und die decorirten Mitglieder vorstellen und besichtigte die dem Vereine im vorigen Jahre vom Kaiser gestiftete Fahne. Als der König sich zurückzog, folgte ein donnerndes Hoch des Vereins, in welches auch das Publi kum mit einstimmte. Ems, 6. Juni. Der König von Schweden ist gestern Abend zum Kurgebrauch hier eingetroffen und in den vier Thürmen ab gestiegen. Öesterreich-Ungarn. In Oesterreich lebte die Bevölkerung in der letzten Zeit in der Hoffnung, der parlamentarische Kampf zwischen der deutschen Verfassungspartei und den Czechen neige seinem Ende zu. In dem Schulausschusse, in welchem die Frage der Trennung der Prager Universität in eine deutsche und eine czechische verhandelt worden war, zeigte man beiderseits so viel Nach giebigkeit, daß man schließlich zu einem einstimmigen Beschlusse ge langte. Als diese Frage aber vor Parlameutsforum gelangte, da traten die alten Gegensätze wieder zu Tage und obgleich ihre Aus- schußmitglieder dadurch arg blamirt wurden, sah sich die deutsche VersassungSpartei doch veranlaßt, gegen den Beschluß des Ausschusses zu stimmen. Unter dem Eindrücke dieser Unversöhnlichkeit schied der österreichische Neichsrath vor Pfingsten ohne Sang und Klang,