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Parlaments an sich tragen solle. Es dürfen also nur die halbwilden Völkerschaften von der parlamentarischen Vertretung ausgeschlossen bleiben. Die russischen Besitzungen in Centralasien sollen vom übrigen Reiche getrennt werden und als Central-Asiatisches Kaiserreich, wohl in Nachahmung des Indischen Kaiserreiches, für sich bestehen. Der Zar würde in diesem Falle seinen vielen Titeln auch den eines Zaren von Central-Asien oder Turkestan anreihen. Türkei. Sultan Abdul Hamid scheint es nun endlich doch ernst mit den Reformen zu nehmen in der Türkei; das Allernöthigste war selbstverständlich die Gründung eines neuen Ordens und einen solchen hat der Beherrscher aller Gläubigen auch bereits gestiftet. Diese einem tiefgefühlten Bedürfnisse abhelfende Decoration besteht aus einem goldenen Halbmond mit der Inschrift auf blau emaillirtem Grunde: Patriotismus, Eifer, Tapferkeit, Treue. Der Orden soll hochgestellten Officieren und Civilbeamten verliehen werden, die sich durch drei der oben erwähnten Eigenschaften ausgezeichnet haben. Lokales und Sächsisches. Zwönitz, 27. November. Der Handarbeiter Friedrich August Hahnemann aus Niederzwönitz wurde vom Königl. Landesgericht zu Zwickau wegen 5 schwere Einbruchsdiebstähle zu 6 Jahre und 6 Monate Zuchthaus und des Ehrenbürgerrrechts auf 10 Jahre für verlustig verurtheilt. — Der Maurer Gustav Löbig aus Lößnitz wegen der Begünstigung des Diebstahls zu 1 Jahr 3 Monate Ge- fängnißstrafe. — Dem Vernehmen nach hat der Vorschlag, einen einzigen und allgemeinen Bußtag fürs ganze deutsche Reich einzuführen, viel Aus sicht auf Verwirklichung und hört man bereits, daß als solcher zu künftiger Reichsbußtag der Freilag nach dem Todtensonntag in Aus sicht genommen ist. — Auf der am 22. November auf Königs-Wusterhausener Jagd revier abgehaltenen Jagd schoß Se. Mas. der König von Sachsen 6 Schaufler, 8 Stück Dammwild und 16 Sauen, zusammen 29 Stück und Se. k. Hoh. der Prinz Georg von Sachsen 2 Schaufler, 4 Stück Dammwild und 2 Sauen, zusammen 8 Stück. In: Ganzen wurden geschossen: 47 Schaufler, 139 Stück Dammwild, 99 Sauen und 2 Dachse, zusammen 287 Stück, ein in Königs-Wusterhausener Jagd revier bisher noch nicht erreichtes Resultat. Dresden, 24. Novunber. Die beiden sächsischen Kammern hielten in dieser Woche mehrere Sitzungen. Die Erste Kammer genehmigte am 20.« ds. Mts. auf den mündlichen Bericht der Finanzdeputation, nach dem Referate Sr. königl. Hoheit des Prinzen Georg, ohne Debatte den Gesetzentwurf, die provisorische Forter hebung von Steuern und Abgaben im Jahre 1880 betreffend. Die Zweite Kammer bewilligte am 20. d. ohne Berathung die Kosten der Reichstagswahlen und den Aufwand im Bundesrathe. Bei Kap. 83, Unterhaltung der Gesandtschaften, knüpfte sich an Tit. 2 Gesandt schaft in Wien, eine Debatte. Nach längerer Verhandlung genehmigte die Kammer mit 44 gegen 32 Stimmen die Position und ohne De batte den Rest des Etats der auswärtigen Angelegenheiten. Dresden, 25. November. Die Zweite Kammer ertheilte in ihrer heutigen Sitzung ohne Debatte ihre Zustimmung zu dem von der Staatsregierung beabsichtigten Verkauf des Vorwerks Pennrich und trat sodann in die Schlußberathung derjenigen Zu schußkapitel des Staatshaushaltsetats ein, über welche von der Finanz deputation (Abth. -4.) und bez. von den bestellten Referenten neuer dings mündliche Berichte angemeldet worden sind: die Kap. 42—47, 11—13 und 16. Die Anträge der Deputation und der Referenten wurden allenthalben genehmigt, die Kapitel bewilligt. Meißen, 25. November. Ein Beispiel unerhörter Roheit, Lieb losigkeit und Härte wird uns aus dem hier benachbarten Dorfe W. berichtet. Ein dortiger verheiratheter Handarbeiter hatte, um sich der Zahlung des geringen Ziehgeldes von jährlich 36 Mark für sein außereheliches Kind — ein Mädchen von 5 Jahren — zu entschlagen, dieses Kind vor einiger Zeit selbst zur Erziehung übernommen. Das im Publicum umlaufende Gerücht, daß das Kind neben nur mangel hafter Nahrung den rohesten Mißhandlungen und Züchtigungen feiten des Vaters und der Stiefmutter ausgesetzt sei, veranlaßte die Orts- polizeibehörde, die nöthigen Erörterungen in der Wohnung der be treffeirden Aeltern anzustellen. Atan faird das Kind an der Ofen bank knicend, wo es sein kärgliches Mittagsmahl, bestehend aus Kar- toffelu mit etwas Kraut, genoß, während die Aeltern ganz allein am Tische aßen. Der Körper des Kindes zeigte sich nach Entfer nung der mit Blut und Schmutz behafteten Kleidung bis zum Scelett abgemagert und äußerst schmutzig. Vernarbte Schwielen und blaue Flecke bezeugten die erlittenen Mißhandlungen, und Kopf, Hände rind Füße trugen tiefe, eiternde Geschwüre. Das Lager des Kindes be stand aus einen«, auf der Diele der Kammer liegenden Strohsack, dessen Stoff und Füllung durch und durch naß und relp. verfault war. Als Zudecke diente ein alter Nock. Das Kind soll, bevor es in die Hände dieser rohen Leute gekommen ist, gesund und munter gewesen sein. Neben mangelhafter Nahrung hat es oft täglich mehr- mals, theilö von dem Vater, theils von der Stiefmutter schwere Züchtigungen mit einem Niemen zu erdulden gehabt und ist neben bei insbesondere von der Stiefmutter, außer Püffen, Stößen und Ohrfeigen, mit Fußtritten regalirt worden, so daß sein jämmerliches Geschrei in der Nachbarschaft gehört wurde. Selbstverständlich ist das arme Kind sofort den rohen Menschen entnommen und in ge eignete Pflege gebracht worden. Die strafrichterliche Ahndung wird nicht ausbleiben. Nossen, 24. Novbr. Am vergangenen Donnerstag wurde dem hiesigen Stadtkrankenhause ein Mann, namens Werner, zur Ver pflegung überführt, welchem beide Füße vollständig erfroren waren. Derselbe hatte sich am Sonnabend Abend, den 15. November, wahr scheinlich um vor dem argen Schneegestöber Schlitz zu suchen, in eine zum Kammergut Zella gehörige Strohfeime geflüchtet und daselbst übernachtet. Allein am folgenden Morgen hatte sich vor seiner In- tcrimswohnung eine solche Schneewehe angestaut, daß er nicht im Stande war, dieselbe zu verlassen, und alle Rufe um Hilfe mensch liches Ohr nicht erreichten. Am gedachten Donnerstag nun wollte es der Zufall, daß die Feime wegg^ räumt wurde, bei welcher Ge legenheit man den Aermsten in völlig hilflosem Zustande vorfand. Hütte die Wegräumung der Strohfeime einige Tage später stattge funden, so war dem Unglücklichen ein qualvolles Ende beschieden. Wilkau, 25. November. Der Handelsmann Rothe von hier ist am Sonnabend Abend nicht nach Hause gekommen. Alan fand seine Mütze neben einem über den die Schröder'sche Mühle treiben den Mühlgraben führenden Stege und seinen Stock nebst dein ibm gehörigen Quersacke im Radhause genannter Mühle vor, und mußte angeuonnuen werden, daß Rothe beim Nachhauscgehen, um seinen Weg abzutürzen, den über den Mühlgraben führenden Steg benutzen wollte, dabei abgerutscht ist und im Wasser seinen Tod gefunden habe. R.'s Leiche wurde zwischen Bockiva und Schedewitz in der Mulde liegend aufgefunden. R. hinterläßt eine Frau und mehrere Kinder. Gin unbekanntes Verbrechen. Eriminal-Novelle. (Aus dem literatische» Nachlaß des kürzlich verstorbenen Geh .... Naths v. A.) (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Jetzt handelt es sich darum, die Spur des Reiters wieder auf- zufiuden. Schnell aus dem Hause zu stürzen, dem galoppirenden Pferde nachzueilen, wäre unnütze Mühe gewesen. Hatte ich auch die Richtung wahrgenonnnen, welche der Mörder Theresens — doch ich sage wohl schon zu viel — ich will sagen: der schelle Reiter einge schlagen, so zählt doch der Grunewald der Reitwege zu viel, als daß man auf ein Zusammentreffen mit einem Besucher derselben einiger maßen rechnen konnte. Ein anderes Mittel lag näher. Am nächsten Tage gegen zwei Uhr bewegte ich mich in Berlin Unter den Linden, das war die Zeit, wo der Hof, die Aristokratie, und was sonst nicht blos Equipagen oder Reitpferde besitzt, sondern auch die Muße und das Bedürfniß hat, sich in freier Luft den Appetit zum Diner zu stärken, nach dem Brandenburger Thor zu passirte. Die Person, die ich suchte und die unstreitig der Aristokratie ange hörte, konnte mir hier oder im Thiergarten, dem Sammelplatz der fashionabeln Welt, kaum entgehen. So war mein Naisonnement. Es dauerte nicht lange, so hatte ich die Genugthuung, mich von der Richtigkeit ineiner Berechnung zn überzeugen. Kurz vor drei Uhr sah ich meinen Unbekannten ankommen, denselben Rappen reitend wie am Tage zuvor. Mit einem einzigen Blicke erkannte ich den Reiter und das Pferd wieder. Dieses Mal hatte Jener aber eine Dame bei sich, eine elegante Amazone, durch deren Schleier sehr feine und vornehme Züge hindurch leuchteten. Das Paar — vermuthlich doch Mann und Frau — nahm die Richtung nach dem Branden burger Thore zu. Ich folgte erst zu Fuß, dann bestieg ich an dem Thore, wo Wagen hielten, welche auf Fahrgäste nach Charlottenburg und Spandau warteten, einen derselben allein und gab dem Kutscher Anweisung, dem Reiterpaare zu folgen, ohne solche Fühlung auffällig zu machen. Der Herr und die Dame schwanden uns zwar wieder holt aus den Augen, doch ans kürzeren Wegen erreichten wir sie immer wieder. Gegen fünf Uhr kehrten wir durch das Potsdamer Thor in die Stadt zurück. Vor einem der ersten Häuser der Leipziger - Straße hielt das Reiterpaar an, ein großes Thor öffnete sich und schloß sich hinter ihnen. Diesem Hause gegenüber befand sich ein Grünthaler-Bier- Keller. Wo hätte ich micb besser über den Gegenstand meiner Ver folgung unterrichten können? Der Wirth stand vor dem Keller. In dem Augenblicke, wo ich mich ihm näherte, um die Stufen zum Souterrain herabzusteigen, bemerkte ich, daß die beiden Pferde, die soeben in das gegenüberliegende herrschaftliche Haus eingelassen waren, von einem Reitknechte wieder herausgeführt wurden, vermuth lich um sie nach ihrer Pension in der Dorotheenstraße zurückzu- bringcn. „Zwei schöne Thiere," sagte ich zu dem corpulenten Bierwirths. „Wem gehören sie?" „Dem Grafen P., dem Besitzer von dem Hause da." „Glücklicher Mann; ein reizendes Weib hat er auch; ich habe es eben erst gesehen." „Allerdings — es sind ein paar beneidenswerthe Leute."