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verbände möglichst zu entlüften, auch hob er hervor, daß, wenn der jetzige Reichstag das Monopol nicht annehme, die Zeit kommen werde, wo man zu diesem Schritte seine Zuflucht nehmen müßte, aber mit ungleich größeren Opfern. Aus der Mitte des Hauses nahm sodann der Abgeordnete für den 1. Hamburger Reichstags wahlkreis, Sandtmann (Fortschritt), das Wort, um den von der Fortschrittspartei eingebrachten Antrag, welcher sich gegen die Ein führung des Monopols und gegen jede Erhöhung der Tabaksteuer ausfpricht, dagegen die Beseitigung der in der Zoll- und Steuerge setzgebung vorhandenen Härten von den bereits genehmigten Mitteln erwartet, zu vertheidigen. Als nächster Redner nahm Seitens der Nationalliberalen Abg. Hobrecht das Wort, um in maßvoller und mit großem Beifalle aufgenommener Rede die schweren Bedenken seiner Partei gegen das Monopol darzulegen. Er erkannte das Be- dürfniß an, die direkten Steuern zu mindern und die Communal- lasten zu erleichtern, er führte aber ans, daß eine derartige Reform sehr schwierig und daß vor Allem zu einer solchen das Tabakmo- nopol ungeeignet sei. Die Bedenken gegen das Monopol lägen hauptsächlich darin, daß die Gelegenheit zum Erwerb vermindert und daß man hierdurch einzelnen Landestheilen unheilbare Wunden schlagen werde. Er werde deshalb mit seinen Freunden gegen das Monopol, aber für die Berathung der Vorlage in einer Commission stimmen. Hierauf versuchte Bundescommissar w. Mayr, der Vater des Monopol-Entwurfes, die Ausführungen des nationalliberalen Redners unter großer Unruhe des Hauses zu widerlegen, indem er sich bemühte, darzulegen, daß die Ausführungen über das Brodlos- werden von vielen Tausenden von Arbeitern und die Schädigung deutscher Tabakbauern unzutreffend seien. Die Debatte nahm gegen Schluß durch das provocirende Auftreten des Abg. v. Minnigerode gegen die Linke einen sehr stürmischen Charakter an und wurde dem Abgeordneten Richter-Hagen vom Präsidenten ein Ordnungsruf zu Theil. In der nächsten Sitzung am Freitag setzte das Haus die Berathung der Monopol-Vorlage fort; die Üeberweisung derselben an eine Commission steht außer allem Zweifel. Der preußische Landtag ist am vergangenen Donnerstag ge schlossen worden, nachdem das Abgeordnetenhaus vorher seine letzte Sitzung behufs Erledigung der noch restirenden Arbeiten abge halten hatte. Oesterreich-Ungarn. Die Oesterreicher können mit dem Auf stande in der Crivoscie noch immer nicht gänzlich fertig werden. Hundertmal ist schon das Ende des Aufstandes verkündet worden, aber immer wieder flackert er von Neuem empor. In den letzten Tagen wurde das wiederholte Auftreten starker Jusuraentenbanden in der Gegend von Umjolane Rakitnica, auf der Rodopolje Planinä, ferner im Crnarjeka-Thale und an anderen Punkten beobachtet. Zu sammenstöße fanden bei Mokro Cuhovics und Orasje-Dzendovaluka statt, in denen die Insurgenten zersprengt wurden und namhafte Verluste erlitten. Frankreich. Für Frankreich bildet das Kammervotum betreffs des vom Deputirlen Naquet eingebrachten Entwurfes über die Ehe scheidung das Ereigniß der Woche. Die Deputirtenkammer hat diesen Entwurf, welcher in Frankreich die Ehescheidung wieder einführt, am Montag mit 340 gegen 125 Stimmen, angenommen und dadurch zugleich dem Cabinet Freycinet ein Vertrauensvotum ertheilt, da das Ministerium den Entwurf gebilligt hatte. Die öffentliche Meinung in Frankreich forderte schon längst die in jenem Entwürfe enthaltenen radicalen Reformen der französischen Ehegesetzgebung und ist diese Frage in der Literatur, wie auf dem Schaubühnen und in den Ge richtssälen Frankreichs erschöpfend behandelt worden. Der Entwurf wird allerdings noch dem Senate zugehen müssen, doch erwartet man die Zustimmung auch dieser parlamentarischen Körperschaft, da die Mehrheit des Senats in dessen jetziger Zusammensetzung ebenfalls republikanisch gesinnt ist. England. Den englischen Behörden ist es trotz der eifrigsten Nachforschungen noch nicht gelungen, der Mörder des Lord Caven- disch und des Mr. Bourke habhaft zu werden, obwohl auf die Er greifung derselben der enorme Preis von 10,000 Pfund Sterling gesetzt worden ist. Auch die Snccursalen der irischen Landliga in San Francisco und New Aork haben namhafte Summen für die Verhaftung der Mörder jener Staatsmänner ausgesetzt, ein Beweis, daß die Landliga selbst an der Blutthut im Phönirpark zu Dublin keinen unmittelbaren Antheil hat. Daß aber die Laodliga moralisch mitschuldig an diesem entsetzlichen Ereigniß ist, unterliegt keinem Zweifel, denn die Liga hat ja die Ermordung der irischen Gutsherren und der loyalen Pächter auf ihre Fahnen geschrieben. — An Stelle des Lord Cavendisch ist George Trevelyan zum Staatssecretär und Mr. Hamilton an Stelle Bourke's zum Unterstaatssecretär für Ir land ernannt worden. Rumänien. Mit der im Laufe der zu Ende gegangenen Woche zu Bukarest erfolgten Wiedereröffnung der Sitzungen der Donaucommission ist die Donaufrage zu neuem Leben erwacht. Die Großmächte sind, wie es scbeint, in der Bebandlung der einzelnen Parteien dieser Frage der Hauptsache nach einig. Nur Rumänien verharrt auf seinem Widerstande und hat die von dem französischen Gesandtschaftssecretär in Bukarest, Barräre ausgearbetteteu Vorschläge als unannehmbar bezeichnet. Türkei. In der Türkei hat ein beinahe vollständiger Cabipets- wechsel staUgefunden, von welchem nur der Kriegsminister und der Finanzminister unberührt geblieben sind. Die neuen Cabinetsmit« glieder, unter denen sich auch Reus Pascha, Said Pascha (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen jüngst abgesetzteil Ministerpräsi denten), Ali Fuad Bey u. s. w. befinden, sollen der Reformpartei angehoren. — In Kairo ist die Lage plötzlich Hochernst geworden. Die Minister haben über den Kopf des Khedive hinweg die Notabeln- Versammlung einberufen, angeblich, um die bestehenden Streitfragen zu regeln, in Wahrheit aber, um die Absetzung Tewsik Pascha's zu betreiben. Die Aufregung in Kairo ist nicht gering, dach versicherten die egyptischen Minister den fremden Consuln, das Leben und Eigen thum der dortigen Europäer nicht im Geringsten bedroht sei. Die Consuln von Deutschland, Oesterreich und Italien haben positive Weisung, nicht zu interoeniren. Was die Liebe vermag. Roman von Ed. Wagner. (Fortsetzung.) Ohne weiter mit Lady Nomondale Rücksprache zu nehmen, forderte der Lord Clifford ain nächsten Morgen zum längeren Bleiben auf. Er wollte seine Zweifel bekämpfen und unterdrücken. „Ob ich hier bleibe?" überlegte Clifford, als er diese Einladung erhielt, „mein Zurückeilen nach London bringt mir keinerlei Vortheil, wohl aber mein Hierbleiben. Es bietet sich mir die Gelegenheit, mich dem Grafen St. Berry mehr zu nähern. Ich allein kann ihm bei der Nachforschung nach dem Verbleib des verlorenen Kindes feines Sohnes nützen, da nur ich allein die erste Frau seines Sohnes kannte. Ich will aber auch in seiner Achtung steigen, und deshalb werde ich bleiben und versuchen, den alten Grafen für mich zu gewinnen. Er vertraut mir und ahnt nicht, welch' eine Comödie sich hier auf Schloß Romondale abspielt. Wenn dem Lord die Geschichte seiner Gemahlin offenbar würde! Wenn Graf St. Berry wüßte, daß diese so stolze Lady die verlorene Emmy Reynold ist! Doch sie sollen es nicht erfahren. Ich halte allein die Fäden in der Hand und werde sie erst entwirren, wenn Valerie die Meine geworden und der geeignete Augenblick gekommen ist, für mich die Rechte zu erwerben, die ihr als der Enkelin des alten Grafen zustehen." Im Laufe des Tages sprach der Graf St. Berry mit Clifford über seine letzte Unterredung mit Miß Winham, und rieth ihm, nachdem Clifford ihm ziemlich wahrheitsgetreu sein Gespräch mit Miß Thompson mitgetheilt hatte, bei seiner greisen Großtante sogleich einen Versöhnungsversuch anzubahnen. „Ich fürchte, daß ihre Tage gezählt sind," sagte der Graf ernst, „und werde daher schon in wenigen Tagen nach Loudon zurückkehren, um sie noch einmal zu besuchen. Zögern Sie nicht, sich mit ihr auszuföhnen, ich versichere Sie, daß es Ihnen gelingen wird, Clifford!" Das Richtige dieses Rathes erkennend, setzte Clifford seine Ab reise für den folgenden Tag fest. Im Augenblick des Abschiedes bot sich ihm die Gelegenheit, Lady Romondale zuzuflüstern, daß ein baldiger Brief ihr das Nähere hinsichtlich ihres Zusammentreffens mit Valerie mittheilen solle. Dem wachsamen Auge des Lords ent ging es nicht, daß Clifford verstohlen mit seiner Gemahlin diese wenigen Worte wechselte. Betroffen wandte er sich ab. Er wollte weder seiner Gemahlin noch seinem Gaste mißtrauen, und doch litt sein Herz unter dieser neuen, seltsamen Beobachtung. Es mar spät Abends, als Clifford in London ankam, so daß er es nicht mehr wagte, Miß Winham noch einen Besuch abzustatten. Am nächsten Morgen jedoch begab er sich in feinster Toilette nach dem Hotel in Bondstreet und suchte sogleich die ihm bekannten Gemächer der Miß Winham auf. Er öffnete die Thür und — wich mit einem Schrei des Entsetzens zurück. Inmitten des dunklen Zimmers stand auf einer Bahre ein schwarzer Sarg. Clifford war wie erstarrt bei diesem Anblick; bewegungslos blieb er in der Thür stehen, als sich in der einen Fensternische eine Gestalt erhob und sich ihm näherte. Es war die alte Gertrude. „Air. Clifford," sagte sie traurig, „Miß Winham ist todt!" „Wann starb sie?" „Gestern Morgen, Sir. Der Hotelbesitzer besorgt alles zur Be stattung Erforderliche und auch Miß Valerie bewies sich als sehr vernünftig, aber dennoch habe ich sehr gewünscht, daß Sie kommen, würden. Wollen Sie die Verstorbene noch einmal sehen, Sir?" „Jetzt nicht," antwortete Clifford hastig. „Die unerwartete Trauerbotschaft hat mich tief erschüttert. Ich muß sogleich dem Grasen von St. Berry die Nachricht telegraphisch miltheilen. Vor Allein aber habe ich Sie, Gertrude, um etwas zu befragen; können mir uns nicht in ein anderes Zimmer verfügen?" „Miß Valerie befindet sich in dem gegenüberliegenden Gemach; sie schläft. Lassen Sie uns ins Wohnzimmer treten, Mr. Clifford." Sie öffnete eine Thür an der dem bezeichneten Gemache ent gegengesetzten Seite und trat mit Clifford in ein anstoßendes Zimmer, welches der alten Dienerin bei ihrem Aufenthalt in London zum Tagesaufenthaltsort gedient hatte. „Nun, rasch, Sir, was wünschen Sie zu erfahren?" sagte Ger trude, als sich die Thür hinter ihnen geschlossen hatte, erwartungs voll in Cliffords Antlitz blickend.