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des Centrums, vr. Windthorst, am Montag in der erwähnten Frage auf die Seite der liberalen Opposition stellte. Ain Montag gelangte auch der Sprecher der deutschen Neichspartei, Abg. v. Kardorff, zum Wort, welcher erklärte, daß seine Partei aus practischen Gründen für den Versuch mit zweijährigen Budgetperioden stimmen werde. Ein wenig erquickliches Intermezzo in der Montagssitzung bildete der schon am Sonnabend begonnene Disput zwischen dem preußischen Finanzminister Scholz und dessen ehemaligem Vorgänger i» diesem Amte, dem Abg. Hobrecht, wegen der Bemerkung des erstere», daß Hobrecht während seiner Ministerzeit sich ebenfalls für zweijährige Budgetperioden ausgesprochen haben sollte, was Hobrecht energisch bestritt. Die sich hierüber entspinnende Debatte, an welcher sich »ack und nach eine ganze Reihe Abgeordneter betheiligte, währte fast drer Stunden und nahm so dem Hause einen guten Theil seiner kostbaren Zeit weg. Die Debatte über den eigentlichen Berathungsgegenstand endigte damit, daß der Reichstag zunächst den Antrag Minigerode, auch gewisse Theile des Etats für 1884/85 der Budget-Commission zu überweisen, mit 224 gegen 43 Stimmen ablehnte, auch der An trag Kardorff, den Etat für 1884/85 der Budget-Commission zum Bericht zu überweisen, wurde abgelehnt, dagegen der Antrag Rickert, gewisse Theile des Etats für 1883/84 in der Budget-Commission zu berathen, mit großer Majorität angenommen. Für die nächste Sitzung ain Mittwoch stand neben einer Reihe anderer Anträge aus der Mitte des Hauses auch der Antrag Windthorst auf Aufhebung des Expatriirungsgesetzes auf der Tagesordnung. Der Reichskanzler Fürst Bismarck hat wider Erwarten an der Generaldebatte über den Etat im Reichstage nicht Theil genommen, da er in der That in den letzten Tagen ernstlich unwohl gewesen ist. Der Kanzler hat sich aber über die Verhandlungen sofort ein gehend Bericht erstatten lassen, über deren Gang er allerdings wenig erbaut gewesen sein soll. Der Antrag Preußens, betreffend die Erhöhung der Holzzölle, ist am 7. ds. Mts. an den Bundesrath gelangt und enthält, wie die „Post" erfährt, den Vorschlag, den Zollsatz für Rohholz von 10 auf 30 Pfennig, für bearbeitetes Holz von 25 auf 50 Pfeunig pro Doppelcentner zu erhöhen. Die Wahlprüfungs - Commission des Reichstages hat die Wahl des Reichstagspräsidenten v. Levetzow beanstandet. Gegen die Wahl des Herrn v. Levetzow war seinerzeit ein Protest aus dessen Wahl kreise eingelaufen, welcher demnach nicht ganz unbegründet gewesen zu sein scheint. Oesterreich-Ungarn. Im ungarischen Abgeordnetenhause hat sich am letzten Sonnabend wieder einmal eine jener eigenthümlichen Scenen abgespielt, an denen die parlamentarische Geschichte Ungarns nicht gerade arm ist. Bei der Berathung über das Budget des Communicationsministeriums griff der Deputirte von Rohonczy den Staatssecretär Hieronymi heftig an, den er als den Chef einer Bande von Schurken im Ministerium bezeichnete; Hiernoymi seinerseits be zeichnete diese Angriffe als unanständig und schurkisch. Wegen dieser Aeußerungen wurden sowohl Rohenczy als auch Hieronymi vom Präsidenten zurttckgewiesen; schließlich erklärte Rohonczy, daß er wohl das Haus, aber niemals den Staatssecretär um Verzeihung bitte. Die Angelegenheit führte natürlich zu einem Duell zwischen Rohonczy und Hieronymi, welches am folgenden Tage durch Pistolen mit zweimaligem Kugelwechsel ausgefochten wurde. Indessen wurde keiner der Kämpfer verletzt. In der Montagssitzung erklärte der Deputirte v. Rohonczy, daß er das gerichtliche Urtheil abwarte, doch bitte er das Haus nochmals um Verzeihung. Sonderbare Verhältnisse! Frankreich. Die französische Deputirtenkammer ist, nachdem sie in vergangener Woche dem Cabiuet Duclerc das Ordinarium des Budgets gegen die Stimmen der legitimistischen Abgeordneten be willigt hatte, in die Berathung des Extraordinariums eingetreten. Nach dessen Erledigung dürfte die Deputirtenkammer wahrscheinlich in die Weihnachtsferien gehen und das Ministerium Duclerc wird demnach auch das Licht des neuen Jahres schauen. Freilich, wie lange dasselbe auf seinem Posten bleiben wird, läßt sich nicht sagen, doch hat man allseitig das Gefühl, als ob Herr Duclerc im nächsten ! Jahre am längsten Ministerpräsident gewesen sei. Namentlich können die Verhandlungen mit England wegen der egyptischen Frage, die ' bis jetzt noch nicht das geringste günstige Resultat für Frankreich er- > geben haben, leicht den Sturz des jetzigen französischen Cabinets . herbeiführen. Auch die Expedition nach Tonkin, welche dasselbe jetzt ! in's Werk zu setzen gedenkt, ist ein bedenkliches Unternehmen, da < diese Expedition zu neuen Verwickelungen mit England führen kann. > England. Ans London signalisirt man wichtige Veränderungen 1 im englischen Cabinet. „Daily News" zufolge stünde der schon I mehrfach angekündigte Eintritt Lord Derbys in das Cabinet Glad- ' stone unmittelbar bevor. Lord Derby ist Mitglied der gemäßigt- conservativen Partei und hat dem englischen Cabinet schon wieder holt angehört; sein Eintritt in das liberale Ministerium Gladstone würde demnach die Bedeutung eines Compromiffes zwischen der 8 jetzigen englischen Regierungspartei und den gemäßigten Elementen « der Tories haben. Die weiteren Veränderungen im Ministerium würden, wie das genannte Blatt weiter meldet, noch vor dem Wieder- z zusammentritte des Parlamentes erfolgen; Gladstone würde in Kurzem h das Schatzkanzleramt niederlegen und nur den Posten als Premier 2 beibehalten. — Die „Times" wissen, Egypten werde zu den Kosten . zu dem Unterhalt des englischen Expeditionscorps monatlich 3200 Pfd. » Sterling beitragen. s< Skandinavien. Die Wahlen zum norwegischen Northingsind nach viermonatlicher Wahlcampagne in voriger Woche beendigt worbol. Diese ungewöhnliche Zeitdauer darf nicht überraschen, sie entspricht nur den socialen und geographischen Verhältnissen Norwegens. In den Kttstenstädten finden die Wahle» gewöhnlich im November statt, da um diese Zeit die seemännische Bevölkerung von ihren Reisen heimkehrt, während in dem Binuenlande die Wahlbewegung schon früher ihren Abschluß findet. Nach dein Ergebnisse der jüngsten Wahlen besteht das norwegische Northing aus 83 zur Linken und 31 zur Rechten gehörige» Mitgliedern. Egypten. Das Kriegsgericht hat nun auch über die letzten der Genossen Arabi Pascha'S, Jacub Sami Pascha und Mahmud Fehmi Pascha, das Urtheil gesprochen. Dieselbe Comödie wieder« holte sich zum dritten Male: Beide wurden zum Tode verurtheilt und vom Khedive zu lebenslänglicher Verbannung begnadigt. Arabi wird mit sammt seinen Gefährten Zeit haben, auf Ceylon über den Wandel irdischer Macht und Herrlichkeit nachzudenken. Ob aber die Urheber des egyptischen Aufstandes wirklich ihr ganzes Leben auf dem englischen Eilande im Süden Judiens vertrauern werden, das möchte wohl jetzt »och Niemand behaupten. — Der Khedive hat Ismail Ejub an Stelle des bisherigen egyptischen Cabinets-Chefs Niaz Pascha, welcher seine Demission eingereicht hatte, zum Minister des Innern ernannt, womit Ismail Ejub wohl auch gleichzeitig das Präsidium übernommen hat. — Von den in Egypten befindlichen englischen Truppen sollen in nächster Zeit vier weitere Bataillone nach der Heimath zurückkchren. Vermischtes. (Der Venusdurchgang.) Neber die Beobachtung de» Venus durchganges am 6. d. liegen folgende Nachrichten vor: Aus Melbourne: Die Beobachtungen waren von Erfolg, das Wetter war hell, es ge lang, 23 photographische Aufnahmen zu machen. Au» Harvard: Es sind über 800 heliometrische Messungen vorgenommen worden. Das Spektroskop zeigte keinerlei bemerkbare Dämpfung des Sonnen lichts durch die Atmosphäre der Venus. Befriedigende Beobachtungen der vier Contakte wurden hier gemacht. Aus Hartford: Die deutschen Beobachter erzielten befriedigende heliometrische Aufnahmen. Aus Florida: Die französischen Beobachter melden, ihre photographischen Aufnahmen und ihre Beobachtungen seien erfolgreich gewesen. In St. Antonio, in St. Louis, in Cincinnatti und auf den Beobachtungs stationen in Canada sind die Beobachtungen nicht vollständig ge lungen, weil dieselben durch Wolken beeinträchtigt waren. Aus Washington: Die Beobachtungen auf dem Observatorium sind bi» zu einem gewissen Punkte befriedigend mit Photographien ausgefallen. In Berlin verhinderten Wolken die Beobachtung, dagegen sind auf dem Observatorium in Potsdam gute Beobachtungen und auch photo graphische Aufnahmen gelungen. Von den beiden deutschen Stationen in Südamerika sind bis jetzt keine Nachrichten angelangt, an den beiden deutschen Stationen in Nordamerika ist der Venusdurchgang befriedigend beobachtet worden. In Amerika war derselbe in allen Theilen des Landes sichtbar, doch »lachten leichte Wolkenbildungen die wissenschaftlichen Beobachtungen schwierig. * Für Jagdfreunde dürfte es von Interesse sein, daß am 3. Dec. bei einer Holzjagd in einem gothaischen Jagdrevier ein Rehbock er legt worden ist, der von seltener Färbung, nämlich ganz schwarz ist, bis auf Spiegel und Läufe. * (Unsere Mittel erlauben uns das.) Die in Warnsdorf er scheinende „Abwehr" erzählt: Dieser Tage fand in Prag die erste Aufführung der Operette: „Die Jungfrau von Belleville" statt, bei welcher Gelegenheit der allgemein beliebte Komiker Schlesinger ein Couplet mit dem Refrain: „Unsere Mittel erlauben uns das!" sang. In diesem Couplet verherrlichte er so „manches Zeitgemäße" und so auch das zukünftige deutsche Sommertheater, daß die bösen Deutschen sich nur zum „Plaisir" bauen wollen. Da diese Strophe jedoch nicht der Zensur vorgelegt war, wurde Herr Schlesinger vor die Polizei zitirt und zu 10 Gulden Strafe verurtheilt. Kaum war diese Maß regel an die Oeffentlichkeit gedrungen, als Herr Schlesinger einen Brief zugeschickt erhielt, bei dessen Eröffnen er freudig überrascht war. Das Couvert enthielt nämlich eine 50-Guldennote und eine Karte des Fürsten Carlos Auersberg mit der Aufschrift: „Unsere Mittel erlauben uns das!" — Fürst Carlos Auersberg, der kürzlich aus dem Kasino in Prag ausgeschieden ist, weil dort jetzt auf An ordnung des Direktoriums von der Bedienung nur tschechisch ge sprochen wird, benutzt jede paffende Gelegenheit, dem Tschechenthum seine Abneigung zu zeigen. Nachrichten vom Standesamt AwSnitz. Monat November. Eheaufgebot«: Weber Friedrich Hermann Merkel hier mit Lina Marie Becher hier; Handarbeiter Friedrich August Köhler hier mit Auguste Wilhelmine verw. Günther geb. Enderes hier. — Schuhmacher Louis Reinhard Leistner zu Niederzwönitz mit Emma Marie Weichet zu Kühnhaide. Eheschließungen: Korkschneider Ernst Albin Bach zu Raschau mit Selma Auguste Bach zu Dittersdorf- - Gutsbesitzer Otto LomS Neukirchner zu Kühn« Haide mit Minna Auguste Günther zu Kühnhaide. — Viehhändler Ernst Moritz Blunert zu Oberpfannenstiel mit Ernstine Wilhelmine Neukirchner zu Kühnhaide. Geburten: Ein Sohn: Ernst Otto Oskar Meyer, Klempner und MusikuS hier. — Carl Richard Brunner, Stadtkassirer und Stadtsteuereinnehmer hier. — Ernst Friedrich Riedel, Handarbeiter hier. — Traugott Hermann Günther, Wirth. schaftSbesitzer hier. — Richard Ottomar Schwotzer, Blechwaarrnfabrikant hier. —