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„Nun laßt mich aber sortfahren zu erzählen, wie sich mein Schicksal wetter gestaltete." „Meine Frau lernte ich bei einem benachbarten Farmer, dessen einzige Tochter sie ist, kennen und da sie eine ausgezeichnete Land- rvirthin und, wegen ihres ausgezeichneten Charakters, sehr begehrens- werth war, so heirathete ich sie ohne lange zu überlegen. Das Re sultat meines Entschlusses war ein günstiges, wir lebten zufrieden und gesund sammt unsern Kindern in glücklichen Verhältnissen." „Der Ertrag unserer Felder ward nach und nach größer und wenn nicht ein Unglücksfall meine Farm betroffen hätte, so würde ich heute mit zu den reichsten Grundbesitzern der Landschaft Mon tana zählen." Hier wurde der Erzählende durch theilnehmende Fragen seiner Angehörigen unterbrochen. Sodann fuhr er fort: „Es war in einer sternenhellen Nacht, als ich durch das Gebell und Geheul der Hunde erweckt wurde; ich stand auf, um nach der Ursache zu sehen. Da ge wahrte ich die dahingleitenden Gestalten von Rothhäuten, welche unser Gehöft umringten und gerade dabei waren, die Thüren zu den Ställen zu erbrechen. Schnell weckte ich meine Leute, bewaffnete sie mit Ge wehren und postirte sie gedeckt hinter die Fensterläden, ich selbst nahm meine Remington-Büchse und wartete ab, bis die Angreifer in günstige Stellung gekommen waren. Der größere Theil derselben, etwa fünf zehn an der Zahl, stand einen Augenblick zusammengedrängt vor einer Oeffnung des Stalles und bemühte sich ein junges Rind herauszu ziehen, da commandirte ich „Feuer!" und sechs Schüsse, denen nach einander noch sechs weitere und acht aus meiner Büchse folgten, krachten unter die Indianer. Wuth- und Schmerzgeheul durchdrang die Luft und ein schwarzer Knäuel wälzte sich am Boden. Die übrigen Indianer waren so bestürzt über diesen plötzlichen Angriff, daß sie eine Zeitlang rathlos dastanden, dann aber duckten sie sich hinter den Zaun und suchten Schutz hinter den Mauern der Gebäude, uns im Zweifel lassend, was sie beabsichtigten. Leider sollten wir nur zu bald darüber aufgeklärt werden, denn nach wenigen Minuten wirbelte eine Rauchsäule aus der zunächst gelegenen Scheune empor. Das Feuer, welches die Feinde angelegt hatten, griff schnell um sich und verzehrte unsere Vorräthe und WirthschaftSgebäude, bis auf das Block haus, welches wir bewohnten, und einige Ställe. An Löschen war nicht zu denken und von den Indianern war keine Spur mehr zu sehen." „Meine Frau und Kinder standen an, nächsten Morgen traurig an der Brandstätte und beklagten den Verlust; ich aber dankte dem Schöpfer, daß wir mit dem Leben davongekommen und nicht in die Hände der rothen Teufel gefallen waren; dann faßte ich den Ent schluß, unsere Farm zu verkaufen und mich mit meiner Familie der Heimath zuzuwenden. Die Durchführung dieses Planes kostete mich anfangs einige Kämpfe mit meiner Frau, welche mit großer Liebe an ihrem Vaterlande hängt; als sie aber an die Zukunft unserer Kinder dachte, willigte sie ein und die Abreise wurde beschlossen." „Die Vorbereitungen waren bald getroffen, einen Theil unserer Besitzungen verkaufte ich, den andern habe ich einem Pächter über tragen, welcher mir die Rente jährlich hier anmeisen wird. Der Erlös, den ich aus der Farm gezogen habe, reicht hin, um meiner Familie hier eine gute Existenz zu schaffen, und einen Theil desselben will ich dazu verwenden, mir hier in ver Nähe ein Wohnhaus mit Garten zu kaufen." So weit hatte Rudolph ohne unterbrochen zu werden, erzählen können, jetzt aber konnteu die Familienmitglieder sich der erschöpfendsten Fragen nicht mehr enthalten und verlangten von dem Wiedergekehrten eine bündige Erklärung, wo seine Frau sich befinde, wie alt sie sei, wie sie aussehe, ob sie und ihre Kinder deutsch verständen u. s. w., Fragen die schneller gethan waren, als sie beantwortet werden konnten. Um allem weiteren Drängen zu entgehen, versprach Rudolph endlich, seine Familie, welche noch im Hmel logire, am nächsten Tage vorzustellen. Die hereinbrechende Nacht trennte die glückliche Familie, wenig Schlaf kam in die Augen der Eltern, die Freude über das Wiedersehen des Sohnes war zu groß, als daß sie Ruhe hätten fin den können. Ein inniges Dankgebet strömte aus ihren erleichterten Herzen gen Himmel und der lang entbehrte Friede hielt seine Ein kehr in ihr Gemüth. Rudolph hatte auf seinen Wunsch für diese Nacht sein früheres Zimmer angewiesen erhalten, in welchem das Zartgefühl der Eltern alles hatte bestehen lassen, wie es der Sohn vor 18 Jahren verlassen. Wer möchte die Bewegung schildern, die in dessen Innern vorging, als er diese Stätte betrat! Der im Kampfe um das Dasein erstarkte Mann stand da in den Räumen, welche er als Jüngling bewohnt, er sah sein Leben an sich vorüberziehen, seine Brust hob und senkte sich in heftiger Bewegung, sein Auge wurde umflort von Thränen der Reue, Thränen der Freude. Der harte Sinn des trotzigen Jüng lings war der milderen Denkungsart des gereisten Mannes gewichen — „das Herz hatte gesiegt" und leise, tiefempfundene Worte des Dankes stiegen empor zu dein Unendlichen, der Alles so wohl gefügt. Vermischtes. * (Berlin, 4. October.) Die Verhandlung im Mordproceß Conrad wurde heute fortgesetzt. Es stellten sich meist nur belastende Momente für die Schuld Conrad's heraus. Die Zeugen bekunden: Während der nächtlichen Zeit, in der die That begangen sein muß, zwischen 3 und 4 Uhr, brannte im Zimmer der Ermordeten Licht, welches plötzlich verlöschte. Die Bewohner der unterhalb gelegenen Schuhmacherwerkstätte hörten nm dieselbe Zeit feste Tritte in der Conrad'schen Wohnung, während die Leiche der Frau Conrad mit nackten Füßen gefunden wurde. Das Zeugenverhör wurde Nachmittag geschlossen. Die Urtheile der Sachverständigen lassen es unentschieden, ob Erdrosselung und darauf folgende Aufhängung oder nur Er- hängung stattfand, bekunden aber übereinstimmend, daß bei keiner Leiche Spuren des Kampfes sichtbar sind und daß die Striemen an den Fingern Conrad's nicht von der Erdrosselungsarbeit herrühren können. Darauf begann das Plaidoyer des Staatsanwalts. Die Sitzung dauert gegenwärtig, nach 9 Uhr Abends, noch fort und soll bis 11 Uhr fortgesetzt werden. * (Berlin, 4. October.) Das Schwurgericht verurtheilte den Kutscher Conrad wegen des Mordes seiner Ehefrau und seiner vier Kinder zum Tod und dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und dessen Geliebte Diebetz wegen wissentlichen Meineids zu sechs Monaten Gefängniß. * (Was europäische Festungen kosten.) Im letzten Jahrzehnt hat Italien für Festungen 210,000,000 Lire, wovon 160 Millionen für Festungsbau, den Nest für Armierungen von Festungen ausge geben. Frankreich wies von 1872—79 400 Millionen Franken für Festungsbauten an; nach 1879 wurden weiter 30,800,000 Franken verbraucht; im Jahre 1882 sollen weiter 70 Millionen Franken ver baut werden, so daß die Gesammtsumme 500 Millionen erreicht. Oesterreich verbrauchte seit 1870 eine Million Gulden für Krakau, 1,975,000 Gulden für Festungsbauten bei Przemysl, 900,000 Gulden für Komorn, fernere Summen für Befestigungen in Tyrol, Sieben bürgen und an der adriatischen Küste. Ende 1880 wurden weitere 13 Millionen bewilligt, wovon 8^ Millionen für die Befestigungen in Galizien, etwa 4 Millionen für Pola und der Nest für Südtyrol. — Deutschland bewilligte durch Gesetze vom 30. Mai 1873 für Um bau und Armierungen der Festungen 216 Millionen Mark. Doch drückt diese Summe bei weitem nicht die wirklichen Ausgaben aus. Zunächst treten die durch Gesetz vom 9. Februar 1875 für die Verstärkung der Elsaß-Lothringischen Festungen bewilligten 128,942,850 Mark hinzu, ferner die Einnahmen für den Grundwerth geschleifter Festungs werke, sowie Zuschüsse von Eisenbahn- und städtischen Verwaltungen, so daß eine Gesammtsumme von mindestens 400 Millionen Mark herauskommt. Dem Vernehmen nach waren von dieser Summe An fangs 1882 noch etwa 60 Millionen Mark übrig, welche nach Fertig stellung der im Jahre 1872 projectirten Arbeiten, hauptsächlich für die Landbefestigungen von Kiel verwendet werden sollen. * (Nach hundert Jahren.) Im Jahre des Heils 1982 werden Gas, Petroleum, Oel und dergleichen stinkende und zum Theil ge fährliche Leuchtstoffe längst in die Rumpelkammer gewandert sein — das versteht sich von selbst. Der Erwähnung bedarf es auch kaum, daß die Locomotive alsdann in Gewerbemuseen als Kuriosität figurirt und der electrische Strom ihre Stelle überall eingenommen hat. Die Electricität wird natürlich auch Beefsteaks und Gemüse kochen und als Leuchtquelle überall die Wirkung der Sonne in der Nacht fort setzen, so daß die Felder zwei mal so viel tragen als jetzt und die Klagen der Landwirthe endlich aufhören. Im Jahre 1982 haben sich die Erfinder endlich auch der Luft und des Wassers angenommen. Keinem wird es mehr einfallen, diese mit schädlichen Pilzen ge schwängerten Körper nach der Art der Menschen des 19. Jahrhunderts roh zu genießen und damit den Keim zu Tuberculose, Typhus, Cholera, rc. zu legen. Wasser wird nur destillirt und Luft nur er wärmt genossen, wodurch nebenbei auch der Schnupfen aus der Welt geschafft wird. Unsere Enkelkinder haben nämlich das Mittel ge funden, die Temperatur auf dem ganzen Erdball gleich zu machen, dem Wechsel der Jahreszeiten ein Ende zu bereiten. Es herrscht überall, das ganze Jahr durch, 20 Grad Wärme. Die Polargegenden sind somit bewohnbar und es ist Aussicht vorhanden, daß Deutschland daran denkt, England zuvorzukommen und am Nordpol eine Colonie zu gründen. Die Luft wird schiffbar fein, und wer die electrische Bahn scheut, mag per Ballon reisen. Ob die Erdbewohner alsdann besser und glücklicher sind, steht freilich auf einem anderen Blatte. ' * (Die Zwillinge.) Ein Brünner Geschäftsmann hatte das Glück, von seiner Gattin mit Zwillingen — zwei gesunden Knaben — be schenkt zu werden. Ueberselig zeigte er dies seinem in der Haupt stadt lebenden Bruder in einem humoristischen Briefe an: „Gestern sind zwei Jungens in mein Haus gekommen, die sich als Deine Neffen ausgeben. Ich habe sie demgemäß im Hause ausgenommen." Tags darauf erhielt unser Geschäftsmann folgendes Telegramm: „Habe keine Neffen; die Bewußten sind sicherlich Schwindler. Hüte dich!" Der Empfänger des Telegrammes hütete in der That — die Kinder aufs sorgsamste und schrieb dann an seinen ängstlichen Bruder eine nüchterne Anzeige von der Ankunft der Zwillinge, wel cher auch bald ein zweites Gratulations-Telegramm folgte, in welchem die Neffen anerkannt wurden. Druck und Verlag von C. Bernhard Ott in Zwönitz.