Volltext Seite (XML)
— Bautzen, 28. August. Ueber den diesjährigen Congreß des Verbandes sächsischer Gewerbevereine, welcher vom 10. bis 12. Sept, in Bautzen abgehalten werden soll, berichten die .„Z. N.: Dem Ver bände gehören nach der letzten Statistik 107 Vereine mit 22,110 Mitgliedern an und ist das Interesse an demselben ein immer regeres geworden. Aus dem reichhaltigen Programm des erwähnten Con- gresses sei Folgendes hervorgehoben. Sonntag, 10. September, Nachmittags 4 Uhr Vorversammlung im „Hotel Laue", Abends 7 Uhr musikalische Soirse. Montag, 11. September, früh 8 Uhr Spaziergang von Thiermann's Restauration aus, 9—5 Uhr erste Verbandssitzung. 1) Jahresbericht; 2) Beschlußfassung über die vom Handwerkertage in Magdeburg angenommene Resolution bezüglich der Jnnungsfrage; 3) Antrag aus eine Petition um Einführung directer Wahl zur Handels- und Gewerbekammer; 4) Petition an den Reichstag um Erweiterung der Competenz der Amtsgerichte; 5) Der Handfertigkeitsunterricht in den sächsischen Schulen; 6) Referat über das Verbandsorgan; 7) Preuskerstiftung. Abends 8 Uhr Fest tafel im „Hotel Laue." Dienstag, 12. September, 9 Uhr zweite Verbandssitzung. 1) Antrag vom Gewerbeverein zu Glauchau, daß bei schriitlichen Abstimmungen innerhalb der Verbandsvereine die nicht erfolgte schriftliche Antwort als Stimmenenthaltung angesehen werden soll; 2) Gründung von Gauverbänden; 3) Wahl des VerbandS- vororteS und des Congreßortes; 4) Festsetzung der Verbandssteuer. Nach Schluß der Verhandlungen Besuch der chromolithographischen Anstalt der Gebrüder Weingang und des Alterthumsmuseums; Nach mittags 2 Uhr Partie auf Czorneboh. Die Versammlung wird von den beiden Vorsitzenden des Zittauer Gewerbevereins, der seit 4 Jahren Verbandsvorort ist, und einen noch zu wählenden 3. Vor sitzenden geleitet. Jeder Gewerbeverein des Verbandes hat einen stimmberechtigten Abgeordneten zu wählen. Andere an dem Congresse theilnchmende Vereinsmitglieder erhalten berathende Stimme. — Eine der angesehensten Familien der Stadt Löbau wurde dieser Tage in tiefe Betrübniß versetzt. Der Sohn derselben diente in Potsdam bei der Garde sein Jahr als Freiwilliger ab. An Zu schuß fehlte es ihm von zu Hause nicht und so konnte er ein flottes Soldateuleben führen. Vor einigen Tagen bekam er nun wieder einmal eine splendide Sendung aus der Heimath, die gleich, da der Einjährige auf der Wache war, dort angerissen wurde. Alles auf der Wache that mit und in Folge dessen sah es da bald heiter aus. Plötzlich trat ein revidirender höherer Officier dazwischen, der Ein jährige wurde zur Rede gesetzt — und vergriff sich schließlich an dem Vorgesetzten. Bald darauf verließ er die Wache und erschoß sich mit dem Dienstgewehr, um langer, entehrender Strafe zn ent gehen. Deutschland. Mit der großen Herbstparade, welche der Kaiser am vergangenen Mittwoch auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin über das Gardecorps abhielt, haben die diesjährigen Besichtigungen der Berliner und Potsdamer Garnison ihr Ende erreicht. Diese Pa rade bildet aber auch zugleich die Einleitung zu den alljährlich im Herbst stattfindenden großen Kaiser - Manövern, zu denen die ver schiedenen norddeutschen Armeecorps der Reihe nach herangezogen werden. In diesem Jahre werden die Kaiser-Manöver bekanntlich in Schlesien (für das 5. und 6. Armeecorps) und im Königreich Sachsen (für das 12. Armeecorps) stattfinden, wozu beits die Reise- Dispositionen des Kaisers auf das Genaueste festgestellt sind. Von neuem ist mit dem 2. September der Tag erschiene», an welchem vor zwölf Jahren die junge deutsche Einheit auf den Kamps- gesilden von Sedan die Blut- und Feuertaufe erhielt. Tie Erinnerung an die großen nationalen Errungenschaften, welche uns jener Tag brachte, verbunden mit dem Bestreben, das Gedächtmß der auf dem Felde der Ehre für das Vaterland gefallenen Helden wach zn er halten, nicht aber der Triumph über einen besiegten Feind ist es, was das deutsche Volk bisher veranlaßte, den 2. September festlich zu begehen. Dieser Gedanke ist trotz vereinzelter gegnerischer Stim men glücklicherweise in der großen Mehrzahl unserer Nation lebendig geblieben und darum sehen wir, wie man sich auch in diesem Jahre in allen Gauen des weiten deutschen Vaterlandes vorbereitet hat, den heutigen Tag, unbeirrt von erbittertem Parteihader, in würdiger Weise zu feiern. Möchte nirgends das schönste Fest der dentschen Nation durch einen, wenn auch noch so leisen, Mißklang gestört werden. Unser politisches Leben fließt noch immer ziemlich einförmig dahin nnd selbst das Interesse an dem Mischehen-Streit stnmpft sich allmülig ab, da dieses leidige Thema in der Presse schon so ver schiedenartig behandelt worden ist, daß es schwer werden möchte, demselben eine neue Seite abzugewinnen. Immerhin ist es be- merkenswerth, daß die „Nordd. Ällg. Ztg." in ihrer Nummer vom letzten Mittwoch einen au die „Germania" adressirten Artikel bringt, dessen Scharfe in dem langen kirchenpolitischen Streite noch kaum erreicht worden sein dürfte. Das Regierungsorgan hebt namentlich die tiefe Entrüstung der protestantischen Bevölkerung Preußens her vor, welche das Auftreten der Hierarchie und deren Organe in der Frage der gemischten Ehen erzeugt habe; es ist demnach kein Zweifel mehr, daß das Vorgehen des Breslauer Fürstbischofs in den Berliner Negierungskreisen tief verstimmt und daß der erwähnte Artikel als der Ausfluß dieser Verstimmung gegen die Curie zu betrachten ist. Das preußische Militär-Wochenblatt" veröffentlicht die Versetzung in den Ruhestand des Prinzen August po» Württemberg, bisherigen i commandirenden Generals des Gardecorps. Derselbe verbleibt ä 1» suito des 1. Garde-Regiments z. F. und des Garde-Cuirassier-Regi- ments, sowie in seinem Verhältniß als Chef des Pos. Ulanen-Reg. No. 10 und wird ferner in den Listen der activen Generalität der Armee weitergeführt. Der Feriensenat des Reichsgericht hat die Revision des Bankiers Albert Sachs gegen das Urtheil des Schwurgerichts zu Frankfirrt a. M., welches denselben wegen betrügerischen Bankerotts, Betrugs und Unterschlagung von mehr als 1 Million Mark, zn 12jähriger Zuchthausstrafe verurtheilte, verworfen — wenigstens eine kleine Ge- nugthuung für die zahlreichen Opfer der betrügerischen Manipulation des Sachs. Oesterreich - Ungarn. Für Oesterreich war die jetzt mehr tägige Anwesenheit des Fürsten Nikita von Montenegro in Wien ein nickst unbedeutendes Ereignis;. Das eigentliche Reiseziel des „Herrn der schwarzen Berge" ist zwar nicht die österreichische Hauptstadt, sondern Petersburg, aber der mehrtägige Aufenthalt, den derselbe in der Residenz des österreichischen Herrschers nahm, hat sicher auch seine politische Bedeutung. Es ist bekannt, daß die große Mehrzahl der Montenegriner dein mächtigen österreichischen Nachbarstaat mit nichts weniger als freundlichen Gefühlen gegenübersteht und Oesterreich hat bei den wiederholten Aufständen der Bosniaken und Herzegowzen hinreichende Proben der Gesinnungen der Montenegriner erhalten. Der bei dein Orte Kalinovic gemachte Fund von Papieren ist für viele montenegrinische Woiwoden äußerst compromittirend und es scheint, als ob die Anwesenheit des Fürsten 'Nikita in Wien mit dieser Angelegenheit in Verbindung steht. Weiter heißt es aber auch, daß der Fürst dem Wiener Cabinet eine Rechnung von über Mill. Gulden prüsentirt habe, welche sich auf die Verpstegungskosten der nach Montenegro geflüchteten Insurgenten bezieht. Ob Oesterreich diese Rechnung honoriren wird, so lange noch Tausende von Auf ständischen in Montenegro Unterschlupf finden, ist freilich sehr fraglich. Frankreich. Das Interesse an de» Ereignissen in Frankreich concentrirte sich in dieser Woche hauptsächlich auf den Zwischenfall mit dem deutschen Turnverein in Paris, welchen Vorfall erst das Lärmgeschrei, das die Chauvinisten an der Seine hierüber «»stimmten, zu einem Ereigniß von politischer Bedeutung aufgebauscht hat. In zwischen hat zwar die französische Negierung in einer von der „Agence Haras" veröffentlichten Note die gegen den deutschen Turn verein erhobenen lächerliche» Anschuldigungen als grundlos bezeichnet, aber die meisten Pariser Blätter übergehen geflissentlich diese officiöse Berichtigung und setze» die Deutschenhetze einstweilen lustig fort. Das Pariser Cabinet soll allerdings beschlossen habe», alle Maßregeln zu ergreife», um der antideutsche» Bewegung in Paris ein Ende zn machen, aber vorläufig scheint die Regierung »och keineswegs den Muth zu diesem Experiment zu besitze». — Sämmtlick-e» »ach Tri polis geflüchteten tunesische» Stämme», welche in» straffreie Rückkehr »ach ihrer Heimath gebeten hatten, ist die Erlaubniß hierzu nunmehr von der französischen Negierung ertheilt worden. England. Während Englands Streitmacht gegenwärtig in Egypten fest eiigagirt ist, erwächst der englischen Regierung aus dein plötzlich ausgebrochenen Sinke der irische» Co»stabler eine neue »icht geringe Verlegenheit. Officiöse Berichte wollen diese eigenthümliche Erscheinung auf die Entlassung mehrerer Constabler zurückführe», aber die eigentliche Ursache des Strikes liegt darin, daß die Officiere oer Coustabler kürzlich eine Gehaltszulage erfuhren, während die Mannschaften leer auögmgen und dies veranlaßte unter letzteren eine bedenkliche Gühruiig. Die sinkenden Constabler stellen als nächste Bedingung ihres Wiedereintrittes in den Dienst die Wiederaufnahme ihrer entlassenen Kameraden hi», doch ist »och unbekannt, wie sich die englische Regierung dieser Forderung gegenüber verhalten wird; verschiedene oer finkenden Confiabler sollen unterdessen ihren Dienst wieder ausgenommen haben. — Der Herzog von Albany, vierter Sohn der Königin Victoria, soll ernstlich erkrankt sein. Rußland. I» Sewastopol, der aus dem Krimkrieg so bekannten russischen Festung, fand am 28. August die Einweihung des Grab denkmals für die im Krimkriege gefallenen Italiener statt. Die Ge- fckütz- und Gewehrsalven, die bei solchen Gelegenheiten üblich sind, wurde» von der Garnison abgegeben, da von Ossiciercorps später der italienische» Deputation zu Ehren ei» Tiner gab. Griechenland. In Griechenland habe» verschiedene an der Grenze in diese» Tagen zwischen griechischen und türkischenTruppcn stattgefnndene Recontres große Erregung hervorgerufen, zumal da sich die Griechen blutige Köpfe bei den Türken geholt habe». Zwei griechische Kriegsschiffe sind sofort »ach der Küste vo» Volo abge- ga»ge», ferner coiicentrire» die Griechen ihre Streitkräfte in der Nähe von Karalidervend, wo die Zusammenstöße staltgefunden habe». Auch heißt es, daß das griechische Ministerium vom König Georg, welcher sich bekanntlich gegenwärtig in Wiesbaden befindet, bereits den Befehl ausgewirkt habe, drei Classen der Reserve einzuberufe». Egypte». Der Entscheidungskampf auf dem egyptische» Kriegs schauplätze wird, soweit sich dies übersehen läßt, vermuthlich bei Tel- el-Kebir, der stark befestigten Position der Egypter, welche die Eng länder auf dem Wege von Jsmania nach Kairo vorfinden, vor sich gehen. Die englische Avantgarde hat sich nach dem letzten für die Engländer erfolgreichen Kampfe bei Kassassin den Verschanzungen von Tel-cl-Kebir bedenklich genähert, so daß man wohl in den nächsten