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komme, daß jetzt manche Soldaten, ja selbst Unterofsiciere, bei ihrem Eintritte in die Kirche gewöhnlich erst dann ihre Kopfbedeckung ab nehmen, wenn sie vorher daran erinnert morden sind, und daß die selben bei heiligen Handlungen, und zwar bei Taufen, Trauungen und Communionen, das Seitengewehr nicht ablegen, während früher die Soldaten darüber in den Unterrichtsstunden genau unterrichtet wurden, was sie in solchen Fällen zu thun oder zu lassen haben, ist von zuständiger Seite folgende Antwort ertheilt worden: Der Soldat hat beim Eintritt in eine Kirche unter allen Umständen seine Kopf bedeckung abzunehmen bis zum Wiederaustritt aus derselben. Bei der Communion Hot er das Seitengewehr abzulegen, sobald er an den Altar tritt und die Spendung des heiligen Abendmahls empfängt; bei Taufen ist das Seitengewehr abzulegen, sobald der Zeuge zur Ceremonie an den Taufstein tritt, und bei Trauungen ist die Ableg ung der Waffe dagegen nur für den Bräutigam vorhergesehen, während die in der Begleitung stehenden Militärpersonen dieselbe vorschriftsmäßig tragen können. — Eine außerordentlich nahrhafte Knollenfrucht, die chinesische Damwurzel, welche die Kartoffel in jeder Beziehung zu ersetzen ver mag und lange nicht so viel Pflege gebraucht, ist durch die chinesische Theehandlung von Dssv Loli aus Nanking auf der Bankstrabe, sowie von Herrn Küntzelmann auf der Louisenstraße 99 in Dresden nach Sachsen imporlirt worden und bei Genannten zu haben. Eine größere Anzahl Landwirthe in der Meißner Gegend machen gegen wärtig mit der Pflanze Versuche und dürfte auch für andere Gegen den des Sachsenlandes ein Hinweis auf die Pflanze, sowie eine Be schreibung derselben und ihre Behandlungsweise gewiß von Interesse sein. Der „neue chinesische Aam" ist eins der werthvollsten gezogenen Gewächse, obgleich nur wenig bekannt, Stamm 10—12 Fuß Länge, von schnellem Wachsthum, pflegt sich in die Höhe zu schlingen und bildet eine vortreffliche Decke für einen Schirm; Blumen klein, in Büscheln weiß, Blätter herzförmig. Die Wurzel ist blaßroth, läng lich, regelmäßig gerundet und käulenförmig am unteren Ende. Man pflanzt sie in einen tiefen, leichten, ziemlich fetten Boden, vollständig umgegraben 2 Fuß tief. Eine ausgewachsene Wurzel mißt 2 Fuß im Länge- und 2^/z Zoll im breitesten Durchmesser, sie sind sehr kräftig und bleiben den Winter hindurch ungeschützt in der Erde. Das Fleisch ist sehr weiß und sehr schleimig im rohen Zustande. Sie können gekocht oder gebraten werden und haben gekocht einen dem Reis ähnlichen Geschmack; sie sind ganz mehlig, nahrhaft und werthvoll als Nahrungsmittel. Es ist auch der Jam eine sehr hübsche Schlingpflanze, passend zum Ueberzuge für Schirme, Lauben und zu verbergende Orte. Einige Zwiebeln, gepflanzt in der Nähe einer Thür oder eines Fensters mit den darüber gezogenen Weinstöcken, bilden einen bewundernswerthen Schmuck Die Blüthen sind zahl reich und duften nach Zimmt, aber die Weinstöcke blühen erst, wenn die Wurzeln zwei Jahre alt sind. Es ist kaum ein Unterschied für den Geschmack bemerkbar zwischen einem richtig gekochten chinesischen Dam und der Kartoffel, nur ist der Dam viel weißer und fein körniger. — Altenburg. Am Sonnabend Nachmittag brach in der nahe dem Poschwitzer Wege gelegenen Pulvermühle Zweig's Feuer aus. Wie dasselbe entstand, dürfte schwer oder gar nicht zu ermitteln sein. Es war zur Zeit der ersten Explosion im Mischungshause kein Arbeiter beschäftigt und kann man nur annehmen, daß eine Selbstentzündung vorliegt. Als mit weithin hörbarem Krach hier gegen 4 Uhr Nach mittags die erste Explosion erfolgte, war im zunächst gelegenen Kern- und Polirhaus der Arbeiter Kirmse beschäftigt, der sich' sofort in's Freie flüchtete. Infolge des herrschenden Östwindes schlug jedoch das Dach des Mischungshauses auf jenes des Kern- und Polirhauses auf, das nun gleichfalls Feuer fing, wobei eine zweite Detonation erfolgte. Kirmse, ein schon bejahrter und schwacher Mann, wurde bei der zweiten Detonation zu Boden geschleudert und fing seine Kleidung, durch die herabstürzende Gluth angezündet, Feuer, das jedoch bald wieder gelöscht wurde. Dem ihm zu Hilfe eilenden Be sitzer Zweig konnte er nüttheilen, daß kein Menschenleben zu Grunde gegangen und daß auch seine Verletzungen, die er an verschiedenen Theilen des Oberkörpers erlitten, anscheinend nicht ernster Natur wären. Kirmse begab sich auch noch selbst in das Krankenhaus. Die Rettuugsarbeiten wurden mit Energie begonnen und so gelang es, die Pulverpresse und drei Ceutner Pulver, die dem Feuerheerde zunächst lagen und gefährdet waren, durch Wasserstrahlen zu durch nässen und letzteres dann zu bergen, jede weitere Gefahr zu be seitigen und den lokalisirten Brand zu löschen. Es sollen 12—15 Ceutner Pulver verbrannt und der Schaden ein bedeutender sein. Am Montag früh ist der Arbeiter Kirmse seinen Verletzungen erlegen. — In Kriebitzsch im Altenburgischen ist vor einigen Tagen eine merkwürdige Wette zum Auslrag gelangt, über die mir Folgen des erfahren: Im Köhler'schen Gasthofe daselbst unterhielten sich vor fünf Wochen die Gäste über Wetten, wobei der mitanwesende dasige Webermeister und Barbier Zach. Kranz sich bereit erklärte, eine Wette dahin einzugehen, daß er vier Wochen lang täglich ein Paar gebratene Tauben verzehren wolle. Vom Wirth und einigen An wesenden wurde die Wette angenommen und der Gewinnpreis auf 30 M. festgesetzt, die der Taubeneßlustige sofort deponirte. Es wurde bestimmt, daß Kranz die gratis gelieferten und gebratenen Tauben täglich im Gasthofe zu verspeisen habe. Obwohl nun allgemein, auch ärztlicherseits, die Wette für unausführbar gehalten wurde, so ist dieselbe dennoch ausgeführt worden. Am Tage nach der Fest setzung nahm das Essen seinen Anfang, pünktlich kam Kranz und verzehrte zwei Tauben, und pünktlich erschien er Tag für Tag 28 Tage lang und verspeiste unter Aufsicht wohlgemuth und mit gleich gutem Appetite die Tauben, so daß er die Wette glänzend gewon nen hat. Deutschland. Der deutsche Kronprinz und seine erlauchte Ge mahlin empfingen am Dienstag den Abgesandten des Sultans, Dry- galsky Pascha, in ihrem Schlosse zu Potsdam und nahmen hierbei die dem hohen Paare vom türkischen Herrscher zum Geschenk ge machten sehr werthvolleu Pferde in Augenschein. Am Donnerstag begab sich Drygalsky Pascha mit seinen« Begleiter Kiazim Bey zum Kaiser nach Ems, von wo beide Herren in einige» Tagen nach Berlin zurückkehren werden. Mit Ablauf dieser Woche hat endlich auch die Session des Bun- desrathes ihr Ende erreicht. Einzelne grundsätzliche Fragen und Anträge sind allerdings unerledigt geblieben, wie z. B. der Antrag Windthorst wegen Aufhebung des Expatriirungsgesetzes, welcher vom Reichstage angenommen worden ist; vermuthlich werden aber die meisten dieser Gegenstände in der nächsten Session des Bundesrathes mit zur Erledigung gelangen. Das Entlassnngsgesuch des preußischen Finanzmimsters Bitter ist nunmehr vom König genehmigt und hierbei dem zurückgetretenen Minister als Ausdruck allerhöchster Anerkennung für seine geleisteten Dienste der Rothe Adler-Orden I. Elaste verliehen worden. Die Er nennung seines Nachfolgers soll unmittelbar erfolgen und ist kein Zweifel mehr vorhanden, daß der Staatssecretär des Neichsschatz- amtes, Scholz, die Erbschaft Herrn Bitters übernehmen wird. Wenn sich indessen die Nachrichten der „Nat.-Ztg." bestätigen, so würde Herr Scholz das Finanzministerium nur stellvertretungsweise über nehmen, da der Reichskanzler den Gedanken hegt, die Leitung der preußischen Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Wie das ge nannte Blatt weiter vernimmt, gehört zu dem Programm des Herrn Scholz u. A. die consequente Fortführung der Eisenbahnverstaatlich ung und die möglichste Verminderung der dem Staate aus den übernommenen Prioritäten der bereits verstaatlichten Bahnen oblie genden Zinsenlast. Was die auswärtige Lage onbelangt, so hat dieselbe in jüngster Zeit wieder eine Verschärfung erfahren, für welche die kriegerischen Vorbereitungen Englands zum Schutze des Suez - Canals ein deut liches Symptom sind. Ein bewaffnetes Vorgehen Englands in, Egypten würde nun allerdings im Widerspruch zu dem von der Bot- schafter-Conferenz in Constautinopel gefaßten Beschlusse stehen, wonach sich alle Mächte jedes isolirteu Vorgehens in Egypten mährend der Dauer der Conferenz enthalten wollen, ausgenommen für den Fall, daß die Sicherheit der europäischen Bevölkerung bedroht wäre. Wahrscheinlich betrachtet man aber im Londoner Cabinet den Suez- Canal als gar nicht mehr zu Egypten gehörig und folgert vielleicht hieraus, daß eine militärische Besetzung des Suez - Canals nicht iin Widerspruch mit dem erwähnten Conferenzbeschlusse stehe. Die üb rigen Cabinete werden indessen schwerlich die eigentbümliche geo graphische Auffassung der englischen Staatsmänner theileu. Oesterreich-Ungarn. In Ungarn hat der Kampf zwischen Deutschthum und Magyarenthum eine Verschärfung erfahren, indem sich jetzt, als Gegengewicht zum „Deutschen Schulverein" in Pest, ein „Ungarischer Schulverein" gebildet hat. Während aber der deutsche Schulverein der Hauptsache nach nur bestrebt ist, die Deutschen in Oesterreich-Ungarn ihrer Nationalität zu erhalten und jeder Er- oberuugsversuch unter fremdem Volksthum ihm fremd ist, ist der Charakter des ungarischen Schulvereins ein wesentlich offensiver, denn die Satzungen des Vereins heben ausdrücklich hervor, daß derselbe die „Magyarisirung auf gesellschaftlichem Wege" anstrebeu soll, wo mit also sein Ziel, das Deutschthum zu vernichten und in dem Magyarenthum aufgeheu zu lassen, deutlich vor Augen liegt. — Kaiser Franz Josef hat den Ministern Graf Falkenhagen, Or. Prazak und v. Eybesseld den Orden der eisernen Krone erster Classe verliehen. Frankreich. Die Veröffentlichung des französischen Gelbbuches hat einen neuen großen Fleck auf den ohnehin schon lange nicht mehr in seinem alten Hellen Glanze strahlenden RuhmeSschilde Gam- betta's geworfen. Die im Gelbbuch über die egyptischen Angelegen heiten enthaltenen Doeumente beweisen unwiderlegbar die Unfähigkeit Gambetta's zur Durchführung jeder größeren politischen Aktion und legen dar, daß der Ex-Dietator durch seine kopflose und dilettanten- hafte auswärtige Politik Frankreich in Egypten einem „Abenteuer" zuzusühren drohte, dessen gefährliche Folgen für die europäische Stellung Frankreichs gar nicht abzusehen waren. Man darf nun wohl annehmen, daß Gambelta nach all' den Schlägen, welche er in letzter Zeit erhalten bat und von denen die Enthüllungen des Gelb buches der empfindlichste war, für einige Zeit in das Dunkel des Privatlebens zurücklreten werde, was für Frankreich wie für Europa gewiß kein Verlust wäre. Die Franzosen scheinen übrigens zu der Erkenntniß gekommen zu sein, welch' einen zweideutigen AUirten sie in England besitzen würden, denn wie das Journal „Paris" wissen will, habe das französische Cabinet die Aufforderung der englischen Regierung, sich an einer unverzüglichen gemeinschaftlichen Aktion mit England in Egypten zu betheiligen, rundweg abgelehnt.