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zusammenbrach. Der Vedaueruswcrthe hinterläßt außer der Wittwe noch drei unerzogene Kinder. — Eibenstock. Der gewaltige Sturm, welcher das am 30. v. M. über die hiesige Gegend hcreingebrochene Gewitter begleitete, hat in den Waldungen gräßlich gewirthschaftet. In den Eibenstocker, Wilzsch- häuser, Georgengrüner und Schönheider Revieren bietet sich an mehreren Stellen ein grauenerregender Anblick; ganze Parzellen von großer Ausdehnung sind förmlich rasirt; die stärksten Riesen des Waldes sind umgebrochen oder entwurzelt; mit den Wurzeln ist zu gleich das an denselben haftende Erdreich in großen Dimensionen herausgerissen und in die Höhe geschleudert. Die herrlichen Stämme, die Freude der Forstbeamten und des Naturfreundes, liegen zer schmettert im wirren Durcheinander zu Boden; das Gezweige bildet ein undurchdringliches, urwaldähnliches Dickicht. Im Eibenstocker Revier, am sogenannten neuen Teich und an der „Bretmühle" ist das sich auf langer Strecke darbictende Bild ein wirklich betrübendes, schmerzlich berührendes. Es macht den Eindruck einer durch Wasser oder Feuer zerstörten Stadt, aus welcher nur noch einzelne vom Elemente verschonte Säulen, meistens aber nur Bruchstücke von solchen, aus den Trümmern hervorragen als stumme Zeugen jenes furcht baren Sturmes, der binnen wenigen Minuten vernichtete, was die Natur, unterstützt von der Arbeit und Sorge des Menschen, in einer langen Reihe von Jahren mühsam aufgebaut hatte. Da steht nun der Mensch, der „Herr der Schöpfung" an den Ruinen, sieht nüt Grauen auf das Werk der gewaltigen Elemente, fühlt seine eigene Ohnmacht und vergegenwärtigt sich, daß das Schicksal der am Boden liegenden Waldesriesen demjenigen des Menschen gleicht, der auch vergehet wie Gras und verblühet wie eine Blume. Dem Forstmann aber, der mit Liebe an seinem Walde hängt und der vielleicht die jetzt zerschmetterten Bäume viele Jahre hindurch hat aufwachsei' sehen und mit Freude und Stolz auf dieselben blickte, dem mögen wohl die Thränen in die Augen treten, wenn er das Schlachtfeld betritt, auf welchem fast alle seine Pfleglinge vom Tode ereilt wurden. — Vitter enttäuscht in ihren Hoffnungen sind am 8. Juni vier, erst Ende vorigen Jahres auSgewanderte Personen aus Amerika nach Reichenbach wieder zurückgekehrt, andere werden in Kürze nachfolgen. — Dresden. Dieser Tage Nachmittags in der 4. Stunde wurde das 15jährige Dienstmädchen Zocher aus Cossebauda, bedienet bei dem Gutsbesitzer Höhle in PodemvS, auf dem Fußweg nach Merbitz von einem Strolch unter Androhung mit dem Tode erfaßt, in ein Weizenfeld geworfen und dann wiederholt geschändet, wobei der Verbrecher dem Mädchen Mund und Nase zuhielt. Die Ge schändete biß den erbärmlichen Kerl in der Verzweiflung in die Nase und infolge dessen ist es namentlich gelungen, denselben zu ermitteln. Der Verbrecher ist mit einem schon mehrfach mit Zuchthaus vorbe straften Individuum Namens Beyer aus Niedergorbitz identisch. Die Zocher ist infolge der ihr widerfahrenen Behandlung in ärzliche Pflege genommen. — In Schellenberg ist in der Nacht vom Sonntag zum Montag bei einem Agenten ein größerer Gelddiebstahl ausgeführt worden. Als gestohlen wird eine Kassette mit 11 Stück 100-Mark- scheinen, 7 Stück 20-Markscheinen, 47 Stück 5-Markstücken, in Silber, 16 Thalerstücken, 45 M. in Coupons sächs. Staatsschuldenscheine, I Cylinderuhr, 1 Wechsel über 124 M. und diverse Quittungen, welche in einem Schranke im Expeditionslokal gestanden hat, ange geben rind soll der Dieb nach Eindrücken einer Fensterscheibe in die Räume des Bestohlenen im Parterre eingestiegen sein. — Der 17jährige Sohn eines in Leipzig wohnhaften Kauf manns schwärmte außerordentlich für den Seedienst. Da derselbe vor einiger Zeit einen Fluchtversuch aus dem Elternhause wagte, mußte er mit seinem Vater in einer Kammer schlafen. Aber selbst diese Vorsicht mar dem jungen Burschen kein Hinderniß, seinen ein» mal gefaßten Plan zu verwirklichen. Er verschaffte sich eine Zeug' leine, ließ sich während der Nacht aus einem wegen der großen Schwüle offenstehenden Fenster und entkam auf diese Weise ohne jedes Geräusch. Am nächsten Morgen befand er sich bereits auf der Reise nach Hamburg, doch mar auch seine Flucht sehr schnell be merkt worden. Der Telegraph arbeitete nach allen Richtungen, und als nun der jugendliche Flüchtling, welcher seine Ersparnisse im Be trage von Mark mitgenommen hatte, in Hamburg ein Logii> Haus beziehen wollte, wurde er von einem Polizeiangestellten ermit telt und verhaftet. Ter Vater, welcher von der Festnahme seines Sohnes sofort unterrichtet worden ist, dürfte bereits in Hamburg eingetroffen sein, tim denselben mit in die Heimath znrückzunehmen. — Zittau, 11. Juni. Vvr einigen Tagen entfernte sich ein hiesiger Schuhmacher mit seiner 6 Jahre alten Tochter nach Dresden, angeblich um dort eine Partie Schuhwaaren zu verkaufen. Nnter- dcß erfuhr aber die zurückgelassene Ehegattin, daß ihr Mann die Absicht habe, heimlich nach Amerika zu gehen. Die resolute Frau fährt schleunigst nach Hamburg und trifft dort ihren Gatten noch an, allerdings im Begriff, mit der Tochter an Bord eines Schiffes sich zu begeben. Nach einer kurzen Auseinandersetzung kehrte die Frau mit der Tochter vom Schiff zurück, uni in die Heimath abzu- dampfen, mährend das Schiff den Gatten nach Amerika trägt. Deutschland. Die Kaiserin beabsichtigte, am Donnerstag Abend sich wieder nach Eoblenz zurückzubegeben, ebenso Mrd in diesen Tagen die Abreise des Kaisers nach Ems erwartet, doch war Ge- naueres über die Reisedispositionen des Kaisers noch nicht bekannt. Die dreitägige entscheidende Redeschlacht im Reichstage über das Monopol hat den längst allgemein erwarteten AuSgang gehabt — mit 276 gegen 43 Stimmen lehnte der Reichstag den '8 1 der Tabakmonopolvorlage ab, womit die ganze Vorlage abgelehnt ist. Allerdings folgte am Donnerstag noch ei» kleines Nachgeplänkel be züglich des Monopols, doch die Hauptsache war eben die am Mitt woch erfolgte Abstimmung über 8 1- Dieser letzte Haupttag des nun zu Ende gegangenen großen parlamentarischen Kampfes über das Monopol war wiederum durch das Erscheinen des Reichskanzlers Fürsten Bismarck ausgezeichnet, welcher sofort nach seinem Eintritt in den Sitzungssaal das Wort ergriff. Indessen war die Rede des Kanzlers weniger ein letzter Versuch, das Monopol zu retten, denn schon aus seiner Montagsrede konnte man heraushören, daß Fürst Bismarck längst von der Hoffnungslosigkeit eines solchen Schrittes überzeugt war, sondern vielmehr eine Vertheidigung seiner ganzen inneren Politik gegenüber den Angriffen der Opposition. Sowohl die Ausfälle auf seine Wirthschgfts- wie auf seine Eisenbahnpolitik wies Fürst Bismarck entschieden zurück und kam dann wieder auf die Fragen der Fraktionspolitik und des parlamentarischen Regime's zu sprechen. Er bestritt die Behauptung, daß er nicht mit einem Parlamente regieren könne, doch eine Partei der Negierung mit Majorität sei in Deutschland unmöglich und mit der Fortschritts partei speciell könne überhaupt kein Mensch regieren. Der Kanzler bemerkte dann weiter, daß er Alles aufrecht halte, was er am Mon tag bezüglich der Fraktionspolitik gesagt habe, er vermöge in der Fraktion keinen Ausdruck des Volkswillens zu erkennen. Zum Schluffe betonte dann Fürst Bismarck in entschiedenster Weise, daß er die ganze Verantwortung für die nationale Politik habe und nahm das Verdienst in Anspruch, mehr wie Herr Richter und dessen Partei zur nationalen Einigung Deutschlands beigetragen zu haben, welcher Meinung allerdings auch die ungeheuere Mehrheit des deutschen Volkes ist. — Nach einer kurzen Rede des Abg. Bamberger ergriff Fürst Bismarck noch einmal das Wort, um sich namentlich gegen den genannten Abgeordneten und dessen freihändlerische Anschauungen zu wenden, und verließ sodann während der nachfolgenden Rede des Abg. Richter-Hagen die Sitzung. Die übrigen Reden waren ohne weitere Bedeutung und auf das bereits gemeldete Schicksal ohne Einfluß. Die Minorität von 43 Mitgliedern setzte sich aus einem Theile der Alt- und Frciconservativen, vereinzelten Mitgliedern des Centrums und der elsässischen Gruppe und verschiedenen „Wilden" zusammen. Die Polen enthielten sich der Abstimmung. Was den ferneren Verlauf der Reichstags - Session anbelangt, so ist auf dem Diner, das am Dienstag beim Reichskanzler stattge funden hat, zwischen Letzterem und den mit eingeladenen Herren ^v. Franckenstein, v. Bennigsen, v. Kardorff und v. Minnigerode eine Verständigung hierüber erzielt worden. Darnach soll der Reichstag diesen Sonnabend, den 17. Juni oder Montag, den 19. Juni bis zum Herbst vertagt werden, so daß die Commissionen des Reichs tages in der Lage sind, einige Wochen vor dem Beginn der Plenar sitzungen ihre Arbeiten wieder aufzunehmen. Es erscheint dieser Ausweg bei dem heutigen Stande der Reichstagsarbeiten noch immer als das günstigste. Frankreich. In Frankreich haben die blutigen Vorgänge in Alexandrien einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen und es werden neue Interpellationen in der Deputirtenkammer wegen der egyptischen Angelegenheiten erwartet. Der französische Ministerprä sident de Freycinet hat offenbar durch die sich überstürzenden Ereig nisse in Kairo und Alexandrien, welche seine egyptische Politik so gründlich desavouiren, einen schwierigen Stand bekommen, doch wird wiederholt versichert, daß die Bemühungen der Gambettisten, die Metzeleien in Alexandrien zum Sturze Freycinets auszunützen, von keinem Erfolge sein würden. — Die monarchistischen Parteien in der Deputirtenkammer, also Bonapartisten, Orleanisten und Legitimisten, beabsichtigen, sich zu einer großen conservativen Partei zu verschmelzen, es ist aber unwahrscheinlich, daß dieser merkwürdige Bund lange zu sammenhalten sollte. England. Auch in England wiegt das Interesse an der egyp- tischeu Frage vor, so daß die Verhandlungen des Unterhauses über die irische Zwangsbill, dis sich endlos in die Länge dehnen, fast gänz lich in'den Hintergrund treten. Am Mittwoch regte im Uiüerhauje der Depntirte Wolff wiederum eine Debatte über Egypten an, indem er sich mit der vom Unterstaatssecrctür Dilke hierüber ertheilten Aus kunft für unbefriedigt erklärte. Mr. Dilke rückte indessen nur sehr vorsichtig mit der Sprache heraus und wies namentlich darauf hin, daß eine Discussion ohne den Schriftenwechsel, der zum Verständnis der Lage absolut nothmendig sei, unthunlich wäre. Dem englischen Admiral Seymour müsse die discretionäre Verfügung bezüglich einer Landung von Truppen überlassen werden. Derselbe habe eine ge nügende Streitmacht, wenn eine Landung nöthig werde. Andere Mächte würden wahrscheinlich diesem Beispiele folgen. Rußland. Aus Petersburg kommt dem „B. T." die Nachricht zu, daß dort ein Bataillon Garde, welches zur Bewachung der in der Peter - Paul - Festung sitzenden Nihilisten kommandirt war, die Korrespondenzen derselben mit Hilfe der Beamten an die Außenwelt beförderte und Schriftstücke für die Nihilisten diesen aushändigte.