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Der Grrnzbote Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen folgenden Tages und kostet vierteljährlich, voraus bezahlbar, 1 Mk. 2v Pfg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägem des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten und Postboten angenommen. Inserate von hier und aus dem Verbreitungs bezirk werden mit 10 Pfg., von auswärts mit 15 Pfg. die 4mal gespaltene Gmndzeile oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Pfg. WM M Anzeiger für Mors Mld das obere Vogtland Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Atto Meyer: in Adorf. Hierzu Sonntags die illnstrirte Gratisbeilage „Der Zcitspiegel". Freitag, den 7. Dezember 196V. 63. Jahrs 283. M Resultat der Volkszählung in Adorf. Das vorläufige Ergebnis der am 1. Dezbr. 1900 stattgefundenen Volkszählung für Adorf mit Kessel, Schadendeck und Bethanien: 484 bewohnte, 4 unbewohnte Wohnhäuser und 16 bewohnte, hauptsächlich oder gewöhnlich nicht zu Wohnzwecken dienende Gebäude. 3036 männliche, 3245 weibliche, zusammen 6281 Ortsanwesende (einschl. 28 in Anstalten und Gasthäusern). 2m Vergleich mit früheren Zählungen ergiebt sich nach der Zählung von 1871 mit 3133 Einwohnern ein Zuwachs von 3148 in den letzten 30 Jahren „ 1880 „ 3422 „ „ „ „ 2859 „ „ „ 20 „ „ 1890 „ 4089 „ „ „ „ 2192 „ „ „ 10 „ „ 1895 „ 4744 „ „ „ 1537 „ „ „ 5 „ Deutscher Reichstag. 13 Ptenarsttzang v 3. Dezbr. 1Uhr Nachm Am Bundesrathstisch: Graf v. Bülow, Graf v. Posadowsky. Bei gut besetztem Hause und lebhaftem Andrange zu den Tribünen begann der Reichstag heute die erste Lesung des viel erörterten Centrumsantrages, Toleranzantrag genannt, der die Religionsfreiheit von Reichs wegen in allen Staaten gewährleistet wissen will. Sogleich nach Eintritt in die Tagesord nung erbat sich zur Ueberraschung des Hauses der Reichskanzler das Wort, um die Stellung des Bundesraths zum Anträge darzulegen. Die Stellung war eine grundsätzlich ablehnende, nicht, wie der Reichskanzler hinzufügte, weil man die Freiheit der Religionsausübung nicht an erkennen wolle, sondern weil der Antrag einen Eingriff in die Autonomie der Bundesstaaten einschließe. Der Reichskanzler gab zum Schluß der Hoffnung Ausdruck, daß das Haus sich mit dieser Auffassung einverstanden erklären werde. Die Erklärung wurde vom Hause mit Schweigen und vereinzeltem Beifall ausgenommen. Als erster Redner nahm sodann der Centrumsführer Dr. Lieber das Wort, der in sehr maßvollen Worten seinem Bedauern über die ablehnende Haltung des Reichskanzlers Ausdruck gab und Verweisung des Antrages an eine Kommission beantragte. Diesem Anträge stimmte Graf Stol berg als Redner der Konservativen bei. Er er klärte jedoch, daß dies nur deshalb geschehe, weil die stärkste Partei des Hauses es wünsche und weil seine Partei gern mit dem Centrum zusammen gehe. 2n längerer Rede stellte sich der sozialdemokratische Abg. von Vollmar zum Anträge zustimmend, hielt denselben jedoch nicht für weitgehend genug, um die völlige Religions freiheit zu sichern. 2m übrigen polemisiert er gegen das Centrum, das nur tolerant sei, wenn es sich in der Minderheit befinde, dagegen in tolerant, sobald es die Majorität habe. Abg. Bassermann (nl.) erklärte sich mit dem vom Centrum angegebenen Ziele, den religiösen Frie den zu sichern, Namens seiner Partei durchaus einverstanden, stimmte jedoch andererseits den vom Reichskanzler geltend gemachten verfassungs rechtlichen Bedenken zu und bat um Ablehnung des Antrages. Staatssekretär Graf Posadowsky weist es entschieden zurück, daß die Regierung irgendwie die legitime Verbindung zwischen der katholischen Kirche im Posenschen und ihrem geistlichen Oberhaupte stören wolle. Abg. Rickert (frs. Vgg.) spricht die Zustimmung seiner Freunde zur Kommissionsberathung aus. Abg. Dr. Stockmann (fk.) meint, daß man dem Grund gedanken des Antrages wohl zustimmen könne, wenngleich es eigenthümlich sei, daß ihn das Centrum einbringe. Abg. Richter erklärt unter der Heiterkeit des Hauses, daß der Reichskanzler ihn bitter enttäuscht habe. Als Graf Bülow das Wort nahm, habe er geglaubt, er wolle sich wegen des Verhaltens der Regierung gegen den Präsidenten Krüger entschuldigen. Sachlich er klärte Redner sich mit der Kommissionsberathung einverstanden. Abg. Fürst Radziwill erblickt in dem Antrag ein Postulat der Gerechtigkeit und wendet sich gegen die Polenpolitik der preußischen Regierung, in der er die Gerechtigkeit vermisse. Abg. Pichler (C.) stellt an verschiedenen Einzel fällen fest, daß eine Aenderung der Gesetzgebung, wie sie der Centrumsantrag verlangt, durchaus nothwendig sei. Die Gesetzgebung der deutschen Kleinstaaten lasse sehr häufig die Forderung der Parität zwischen den Konfessionen vermissen. Nach mehrfachen Erwägungen vom Bundes- rathstisch aus schloß die Berathung. Der An trag wurde an eine Kommission verwiesen. Nächste Sitzung: Donnerstag 2 Uhr. Fort setzung der Besprechung der Interpellation betr. Kohlennoth. Schluß 7 Uhr. Politische Rundschau. Berlin, 5. Dezember. Der Legationssekre tär der Südafrikanischen Republik 2onkheer van der Hoeven hat heute Mittag im Auftrage des Präsidenten Krüger einen Kranz am Sarge Kaiser Wilhelm I. im Mausoleum zu Charlotten burg niedergelegt. Die Schleife des Kranzes, welche in den Farben der Südafrikanischen Re publiken angefertigt ist, trägt die Widmung „Dem unvergeßlichen Kaiser in dankbarer Erin nerung Präsident Krüger. — Aus den Jndustriebezirken des Rheinlands und Westfalens wird geschrieben, daß die an dauernd schlechte Geschäftslage der Industrie zur Folge hat, daß sich die Arbeiter und Angestellten in jeder Weise einschränken und billigere Wohn ungen beziehen. Dem haben die Hausbesitzer nicht still zugesehen, sondern eine Herabsetzung der Miethpreise eintreten lassen. 2st das auch nicht überall der Fall, so doch in Oberhausen, Essen, Aachen, Köln und seinen Vororten. Die Hausbesitzer verhehlen sich eben nicht, daß hohe Miethpreise bis auf weiteres nicht zu erzielen sind. — 2nteressante militärische Uebungen wer den auf Veranlassung des Kriegsministeriums jetzt im Harz abgehalten. Das Artillerie-Con- structionsbureau in Spandau will in Erfahrung bringen, welche von den neuen Belagerungs-Ge schützen sich besser zum Transport auf bergigem Terrain eignen, und hat zu diesem Zweck Schnellfeuerkanonen neuester Construction und verschiedenster Art nach Magdeburg gesandt, wo sie bespannt und mit Mannschaften des dortigen Trainbatallions bemannt wurden. Von Magde burg ging es in den Harz. Osficiere und Mannschaften verschiedener Truppengattungen nahmen an den Uebungen Theil. Der Trans port durch das Gebirge erwies sich als nicht ganz leicht, namentlich nicht in der Höhe des Brockens, wo es galt, die Geschütze, die annä hernd 4000 Kilogramm wiegen, durch den dort fußhoch liegenden Schnee zu schaffen. Berlin, 5. Dezbr. Graf Waldersee mel det aus Peking vom 4. Dezember: 2n der Pro vinz Schansi sollen starke reguläre Truppen un ter General Ma stehen und die Pässe im Ge birge an der Grenze von Tschili besetzt halten. In Paotingsu fand beim Räumen eines Pul vermagazins eine Erplosion statt. Todt 1 Pio nier, verwundet Leutnant Wolfgram und 4 Pioniere. Berlin, 5. Dezbr. Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: 2n einem Telegramm Li-Hung-Tschangs an die hiesige chinesische Gesandtschaft, das von die ser dem Auswärtigen Amte unterbreitet worden ist, wird mitgetheilt, daß der neue Gouverneur der Provinz Schansi, Sihliang, im Gegensatz zu seinem fremdenfeindlichen Vorgänger Bühsien, seit der vor zwei Monaten erfolgten Uebernahme seines Postens mit aller Strenge gegen die Borer vorgehe. Er habe über 80 Führer der Aufständi schen öffentlich hinrichten lassen und schütze die Mis sionen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. — Die Machthaber im Reiche der Mitte stellen sich immer noch so, als wollten sie die ernsten Forderungen der Mächte nicht verstehen; anstatt die Hauptschuldigen wirklich unschädlich zu machen, begnügen sie sich mit einer formellen „Bestrafung" und belassen die Betroffenen im übrigen ganz ruhig in den einflußreichsten Stel lungen. So geschieht es jetzt mit dem berüch tigten Tungfuhsiang, der seines Ranges und sei ner Titel verlustig erklärt wird, dabei aber Be fehlshaber der Truppen in der wichtigen Pro vinz Kansu bleibt. 2edenfalls schützt ihn wei terhin die Kaiserin-Wittwe, von der verlautet, daß sie nach der Provinz Szetschuan gehen will. 2n diesen beiden Landschaften des inneren China wird man also den Herd des künftigen Wider standes gegen die Fremden suchen müssen — gegen diese und vielleicht auch gegen den Kaiser Kwangsü selbst, der für seine Person nun wirklich nach Peking zurückkehren zu wollen scheint. Für die Friedenswünsche der Verbündeten ergäben sich mit dem Wiedereinzug des Kaisers in seine Hauptstadt, trotz aller Opposition der „Unver söhnlichen" sehr günstige Aussichten; denn die große Menge öxs chinesischen Volkes würde in diesem Schritte die Aussöhnung des Herrschers mit den Fremden erblicken, die Vicekönige des Südens in ihrer fremdenfreundlichen Haltung bestärkt werden. Freilich sind nach den bisheri gen Erfahrungen Zweifel noch immer nicht ab zuweisen, ob die Kaiserin-Wittwe denn auch Kwangsü wirklich aus ihrem Machtbereich ent lassen wird. Köln, 5. Dezbr. Zu der morgen Vor mittag 10 Uhr 6 Min. stattfindenden Abreise des Präsidenten Krüger sind behördlicherseits die größten Sicherheitsmaßregeln getroffen wor den. Die gesammten zum Bahnhofsvorplatz führenden Straßen bleiben abgesperrt, der Stra ßenbahnverkehr in diesen Straßen wird eingestellt. Die Eisenbahndirektion verfügte, daß Bahnsteig karten sowohl als Fahrkarten nach nahegelegenen Orten bis nach der Abfahrt Krügers nicht zur Ausgabe gelangen. Schärfer können Absperr maßregeln wohl nicht gehandhabt werden. Krüger äußerte heute mehrfach zu seiner Umgebung, daß, obgleich er die innere Stadt nicht in Augenschein nehmen und nicht in engere Berührung mit Kölns Bürgerschaft treten konnte, die hier erleb ten Stunden ihm unvergeßlich bleiben würden, die dargebrachten Ovationen ihm ungemein wohl- gethan hätten. Krüger hofft alsbald vom Haag nach Petersburg abreisen zu können; auf den Zaren setzt er gegenwärtig seine ganze Hofsnung. Paris, 5. Dezember. Das Journal de Paris berichtet, Dr. Leyds werde in einigen Tagen nach Livadia reisen, um die Vorkehr ungen zum Empfange Krügers beim Zaren zu treffen. London, 5. Dezbr. Die Abendblätter melden aus Pretoria vom 3. ds. Mts., es „verlaute", daß die Commandanten Erasmus und Viljoen der Bronkhorstspruit eingeschlossen seien. (Bestätigung bleibt abzuwarten.) London, 5. Dezbr. Das Bureau Laffan meldet aus Peking: Die Deutschen ergreifen energische Maßregeln, um ihre Leute vom Plün dern abzuhalten; sie haben bereits in Tientsin einen Soldaten erschossen, der trotz strengster Be fehle plünderte. Schanghai, 5. Dezbr. Ein kaiserliches Decket entläßt einen Theil der Armee des Gene rals Tungfusiang und befiehlt diesem, mit dem Rest seiner Truppen nach Kansu zu gehen und