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„Du wirst mich rufen, Elisabeth, wenn Dein Zustand sich ver schlimmern sollte." „Es war also sein Wunsch, daß er in Petersburg zurückblieb?" fragte Wanda. „Nein, nein!" stieß Elisabeth hastig hervor, und ihre glänzendei Augen blickten finster. „Er wollte mich hierher begleiten, aber iö verweigerte es, — sein Anblick hätte mich getödtet!" Elisabeth war in die Kissen zurückgesunken und lag wie todt da. Bekümmert ruhten Wanda's Augen auf ihr, aber seltsame freudige Gedanken erfüllten ihr Herz. Täuschte sie nicht ihr scharfer Blick, dann durfte sie sich auf's Neue dem glücklichen Bewußtsein hingeben, daß sie den rechten Weg betreten hatte und daß au diesem die einzige Rettung aus hartem Kampfe zu finden mar. Jetzt galt es ihrem edlen, entsagenden und aufopfernden Herzen als die höchste und heiligste Aufgabe, Stefan und Elisabeth wieder zusammen zuführen und für, immer zu vereinigen. „Elisabeth," sagte Wanda nach kurzem Nachdenken, „willst Du Stefan nicht hierher rufen? Seine Gegenwart würde Dir Freude bringen, — ich bin fest davon überzeugt." Langsam öffnete die Kranke ihre Augen, eine Wolke war über die reine Stirn geflogen. Sie sah Wanda argwöhnisch an. Ach, ihre vertrauensvolle Natur hatte eine große Umwandlung erlitten, sie fühlte das mit tiefem Schmerze, als sie in Wanda's offenem Blick las. Aber dann richtete sie sich plötzlich in den Kissen auf, ohne die Hülfe ihrer Schwester. „Stic, — nie! Wanda, ich will in Frieden sterben und ich kann es nicht mit ihm unter einem Dache. Weißt Du, was ich oft ge dacht habe?" „Ich hoffe, nichts Unrechtes, Elisabeth," sagte Wanda mit sanfter Stimme. „Ja, ich glaube, es ist etwas Unrechtes, aber ich kann nichts dafür. Er hat mein junges Leben vergiftet, — mich aus glücklichen Verhältnissen herausgerissen und es giebt Zeiten, wo ich ihn hasse, wo ich ihm die Qualen wünsche, welche er mir bereitet hat, wo mich der Gedanke unaussprechlich glücklich macht, daß Du ihm unerreich bar geworden bist." Sie sprach mit gerötheten Wangen und blitzenden Augen. Wanda war erschrocken, sie fürchtete diesen Zustand gewaltiger Erregung. „Elisabeth, beruhige Dich, wir sprechen weiter darüber. Schlafe, schlafe, mein armes Kind. Ich habe den Gedanken noch nicht auf gegeben, daß Du Dir doch das Glück erringst, nach welchem Du Dich sehnst. Still, still," fuhr sie fort, als sie sah, daß Elisabeth ihr widersprechen wollte, „jetzt kein Wort mehr. Du wirst mir die Bitte erfüllen." Fast gewaltsam drückte sie Elisabeth in die Kiffen. Ein leises Lächeln umspielte die Lippen der Kranken, und sie ergriff dankbar Wanda's Hand. Kaum einige Minuten später lag sie in friedlichem Schlummer. Ihre Athemzüge waren weniger schnell und unregel mäßig als die Tage vorher und in Wanda regte sich ein beseligen des Gefühl der Hoffnung. Sie selbst fand noch lange keine Ruhe. Sie lag freilich aus gestreckt auf der Chaiselongue, aber mit offenen Augen. Der Mond glänzte prächtig am blauen Himmel und ließ selbst die gewaltige» Eichen nm Waldrands deutlich erkennen. Anmuthige Bilder um gaukelten Wanda und als sie endlich eingejchlumwert war, da träumte sie weiter von einer sonnigen Zukunft, in welcher sie den Lohn ihrer Pflichttreue finden würde. Ain Morgen aber, da ivar es wieder anders. Ein neuer Vlut- sturz schwächte die Kranke so, daß sie wie eine Todte dalag und Wanda schluchzend an ihrem Lager auf die Kniee sank und angst voll lauschte, ob das arme Herz noch schlage. Die Fürstin hatte nach Grodno zu verschiedenen Aerzten ge sandt, aber keiner war im Stande zu helfen, — es gab keine Rettung mehr. Wanda ivar der Verzweiflung nahe. Sie wußte, daß es ein Rcttungsmittel gegeben hätte, wen» nur Elisabeth nicht so schwach gewesen wäre, zumal ihre Behaudltmg große Vorsicht erforderte. Eine» Augenblick war Wanda entschlossen gewesen, de» letzte» Schritt zu wage» und Stefan herbeizurufen, aber bei ruhiger Ueberlcgung mußte sie von ihrem Vorhaben absehen, — eine einzige Aufregung tonnte Elisabeth de» sofortige» Tod bringen. Da kam ihr ein anderer Gedanke. Zerstreuung, Abwechslung für Elisabeth, wenn ihre Kräfte »och ausreichten. Wanda war leb haft für diese Idee eiugenommeu. Sie ließ sich selbst nicht durch de» Arzt davon abbringen, als derselbe kopfschüttelnd bemerkte, daß die Kranke überhaupt eine Reise nach dem Süden nicht mehr würde ertragen kömien, ganz abgesehen davon, daß er eine solche Luftver änderung für durchaus zwecklos halte. „'Nicht die Luftveränderung, — die Zerstreuung," gab Wanda dem Arzte zur Antwort. „Sagen Sie mir aufrichtig, denken Sie noch an eine Genesung?" Der Arzt wollte keine Antwort geben, — er hielt es über flüssig, seine Patientin und deren Umgebung mit der Aussicht auf den Tod zu ängstige». Die Gewißheit kam früh genug. „Darüber zu urtheilen, liegt nicht in meiner Hand," sagte er endlich. „Es giebt Kranke, welche, trotzdem jede Hoffnung ausge geben u^rüen mußte, dennoch genesen." Wanda zuckte zusammen. Sie hatte diese Antwort erwartet, aber sie that ihr weh. Es war so schön, sich nur an einem Stroh halm Hoffiiuiig zu klammern. „Und zu diesen Kranken zählen Sie die Gräfin?" fragte sie dann. „Ich muß allerdings bekennen, daß der Zustand der Gräfin zu den ernstliche» Besorgnisse» Veranlassung giebt," entgegnete der Doctor ernst. „Immerhin ist die Möglichkeit einer Genesung nicht ausgeschlossen. Wie es mir scheint, drängt ein verborgener Kummer die Kranke ihrem Ende entgegen, obwohl die Fürstin das Vorhanden sein eines solchen entschieden in Abrede stellt." „Weini »u» dieser Kummer beseitigt werden könnte?" fragte Wanda gespannt. „Ich wage mir darüber kein Urtheil zu fällen, gnädige Frau. Immerhin ist große Vorsicht nöthig, da, wie ich Ihnen schon sagte, eine einzige Aufregung das Ende herbeiführen kann. Ich leugne nicht, daß Ihre Idee, die Frau Gräfin in eine andere Umgebung zu bringe», etwas Verlockendes hat, — wenn nur nicht die große Schwäche wäre!" Der Doctor verabschiedete sich, um Wanda mit ihren Plänen allein zu lassen. Es bedurfte keiner langen Ueberlegimg mehr, um dieselben zur Reise zu bringen. So war Elisabeth verloren; mochte der Himmel ihr beisteheii, die Schwester zu retten. Die Fürstin fand die Idee einer Reise nach Nizza ausgezeichnet und war Wanda sehr dankbar, daß sie dieselbe in Anregung ge bracht hatte. Lie Einsamkeit des Schlosses, welches in diesem Sommer auch von den intimsten Bekannte» gemieden wurde, mar ihr rachgerade unerträglich geworden und sie selber trug eine heiße Sehnsucht nach Abwechslung in ihrer Brust. Die Begleitung der Fürstin aber war durchaus nicht Wanda's Absicht. Sie hatte schon mit ihrem Gatten gesprochen und obgleich nicht ohne einen Kampf erhielt sie von Alexei Murawjew die Er- laubniß, Elisabeth nach dem Süden zu geleiten. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * (Der vornehme Wasserträger.) Einst brannte in Dresden ein großer Palast ab. Es war Winter, die Brnnnen waren eingefroren, und Jedermann scheute die fürchterliche Kälte. Zwar gab es müssige Zuschauer in Menge, aber es fehlte an fleißigen Wasserträgern. Unter andern stand auch ein dickbeleiblerHerr da mit einem großen Schlüpfer vorne und einem gewaltigen Haarbeutel hinten und sah dem verheerenden Brande wie einem Schauspiele zu, ohne sich von der Stelle zu bewege». „Allons, dicker Herr, helfen Sie Wasser tragen!" rief eine starke Stimme aus den Wasserträgern ihm zu. „Ich bin der Hofrath von Schröder," antwortete der Herr mit dem große» Haarbeutel. — „Und ich bin der Herzog Karl von Kurland," sagte der Wasserträger und goß ihm einen Eimer Wasser über den Kopf. * Im Münchener Hoftheater ist die Anordnung getroffen worden, daß von nun ab alle in Verwendung gelangenden, aus leicht brenn baren Gazestoffen bestehenden Vorhänge, Schleier rc., sowie die Kostüme der Ballet-Tänzerinnen nach dem von Gautsch in München erfundenen Jmprägmrungs-Verfahren gegen Feuersgefahr geschützt sei» müssen, nachdem sich das Verfahren völlig als schutzgcwährend erwiese» hat. Bezüglich der Jmprägmrung der Decorationsleinwand wird weitere Bestimmung erfolgen, sobald die im Gange befindlichen Versuche zu Ende geführt sein werden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ei» Asbessl-Ueberzug auch Sosfite», Couliffe» und Ver- atzstücke feuersicher machen könnte und dann wird wohl durch die Neichsgesetzgebung diese Jmprägmrung obligatorisch gemacht werden. Uebrigens wird, wie man aus München schreibt, dort jeden Abend der eiserne Vorhang hinaufgezogen und Heruntergelasse». * Das furchtbare Ungtüct i» Wien steht leider nicht vereinzelt m, die LAatistik der Theaterbrände weist schaudererregende That- achm vor, von denen wir hier nur die wichtigsten der im Laufe veuiger Jahrzehnte vorgekommenen kurz erwähnen wolle». Am 14. Februar 1836 verbrannte das Lehmann'sche Theater in St. Peters- , bürg mit 800 Mensche», unter denen sich ein ganzes Töchterinstitut mit Vorsteherin und Lehrerinnen befanden. 1845 gab es beim Brand des chinesischen Theaters in Kanton 1670 Todte und 2000 Verwundete, 1846 bei einem gleichen Vorfall im Royal-Theater in Quebeck 104 Todte und 200 Verwundete, in Karlsruhe im Jahre 1847 gab es 63 Todte und 200 Verwundete, in Livorno 1857 100 Todte und 200 Verwundete, 1872 beim Theaterbrand in Tieutstii (China) 600 Todte und 1000 Verwundete, 1876 in Brook- yn 283 Todte und vieses Jahr in Nizza 67 Todte. Rechnet man eine unabsehbare 'Reihe kleinerer Theaterbrände mit Menschenver- luste» zu Dutzenden, so kann man ohne Uebertreibuiig sagen, daß die bei solche» Anlassen umgekommenen Menschen nach vielen Tan enden zu zählen seien. Wie die „M. N. N." behaupten, fällt einer tatislischen Aufstellung zufolge im Durchschnitt jedes Theater nach 28 Jahre» seines Bestehens de» Flamme» zum Opfer. * (Pelzwaareu in Rußland.) Ein Petersburger Mitarbeiter der I „Schles. Ztg." bemerkt: Das großartigste Pelzwaarengeschäft ist das I von Qdnufchewski im Gostinni Twor, dem Petersburger Kaufhaus