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übrigen schwer verwundeten Geschwister anlangt, so ist der Zustand ein solcher, daß eine baldige Auflösung ebenfalls nur als eine Wohlthat des Himmels erscheinen würde. In Pulsnitz macht Jemand im dortigen Wochenblat bekannt: „Ich mache hierdurch bekannt, daß mir kein Gastwirth, wenn ich be trunken bin, etwas verabreichen soll, sondern sofort heraus zu schmeißen. Wer's nicht thut, den besuche ich nicht mehr. Friedrich Wilhelm Klotzsche, Steinarbeiter in Laußnitz." Grotzschönau. Am 3. Septbr. früh hatte eine Warnsdorfer Finanzwachtpratouille einen Kampf mit Schwärzern zu bestehen. Die beiden Aufseher Kirschitz und Hentschel der Abtheilung Schönborn hatten nächst der sogenannten Prassenhöhe in getheilten Posten einen Vorpaß abgehalten, wobei Kirschitz auf Schwärzer stieß, die ihn packten, ihm seine Schußwaffe zu entwinden suchten und ihn so all mählich auf sächsisches Territorium schleppten, wo sich ein Kampf auf Tod und Leben entspann. Durch die Hilferufe des arg bedrohten Aufsehers wurde die andere Patrouille auf den Kampf aufmerksam gemacht und eilte zu Hülfe. Bei dem Ringen entlud sich Kirschitz' Gewehr und verwundete einen der Schwärzer. Reichenbach. Dem deutschen Kriegerverein hier wurde durch Bürgermeister Klinkhardt ein werthvolles Geschenk von Sr. Maj. dem Kaiser Wilhelm überreicht, bestehend in einer schwerseidenen Ripsschleife in den deutschen Farben und einem goldenen Nagel mit dem deutschen Reichsadler. Schmiedeberg. In der Schlacht bei Gravelotte wurde der Füsilier Kirschmann aus dem nahen Dorfe Reinharz, welcher bei der Mobilmachung der 3. Compagnie des Magdeburgischen Füsilierregiments Nr. 36 überwiesen wurde, durch eine Chassepotkugel im linken Ober schenkel schwer verwundet. Den Aerzten gelang es damals nicht, die Kugel aufzufinden und die Wunden heilten auch nach dessen Ent lassung vom Militär nicht zu. Auf Kosten des Militärfiskus in Teplitz gebrauchte Badekuren führten gleichfalls keine Heilung der- selben herbei. Im Gegentheil nahmen die Schmerzen zu und zu den Wunden im Oberschenkel gesellte sich vor einigen Wochen noch eine im Unterschenkel. Freilich ahnte Niemand, daß diese die Pforte sein würde, durch welche die Kugel nach vollen zehn Jahren den Körper verlassen sollte. Wenige Tage nach Bildung der Wunde ließ sich die Kugel deutlich wahrnehmen, und am dritten Tage gelang es, sie herauszuziehen. Seitdem haben die Schmerzen des Invaliden schon bedeutend nachgelassen, und von ärztlicher Seite werden nunmehr die Wunden für heilbar gehalten. Die aus dem Körper entfernte Kugel ist etwas platt gedrückt und hat eine Art von Haken, welcher bei dem allmähligen Herabsinken derselben immer in das Fleisch eingriff und so die Entfernung des Geschosses aus dem Beine verzögerte. Zöblitz, 14. Septbr. Gestern Nachmittag Uhr ertränkte sich der Handarbeiter Friedrich Arnold in Zöblitz in dem in der Nähe der Stadt liegenden sogenannten Dammteich. Seiner neben ihm stehenden Frau übergab er seine brennende Cigarre mit den Worten: „Hier, halte einmal meine Cigarre." Kaum hatte sie diese aus seiner Hand empfangen, als er auch schon ihren Blicken ent schwunden war. Sein Leichnam wurde noch an demselben Tage aufgehoben und heute an die Anatomie gesendet. Das Motiv zur That ist unbekannt. Der in der Brückengasse zu Greiz wohnhaft gewesene Uhr macher Köllmer ist am vorletzten Montag unter Mitnahme seines Uhrenlagers und der Wirthschaftsgegenstände sowie einiger ihm zur Reparatur übergegebenen Uhren verreist; er ließ seinen Laden vom Maler streichen und tapezieren, um eine günstige Gelegenheit zum Einpacken zu haben. Der Geliebte -er Todten. Roman. Frei nach dem Französischen von Julius Detmoll. (Fortsetzung.) Hatte sie wirklich nur für ihr Kind gehandelt oder entsprang diese Anordnung nur der Manier Sterbender, ihren letzten Willen über das Urtheil der Nachwelt und den Gebrauch ihres Vermögens zu verclausuliren? Bernhard nahm die Papiere in Empfang. Einige Stunden später starb seine Blutter. Herr Charbon, der alt und hinfällig geworden, liebte keine Auf regungen. Dieser egoistische Charakter wollte wohl, daß man für ihn lebe, aber er fand es ganz natürlich, daß man ohne ihn stürbe. Bernhard weinte bitterlich. Er hatte kaum Gelegenheit gefunden, seine Mutter zu lieben. Am Todtenbett erst war in seinem Herzen die kindliche Liebe für Die aufgeblüht, der er sein Dasein verdankte, und reichlich flossen heiße Thränen auf den starren, kalten Leichnam seiner Blutter. In einer Pension verlebte er die letzten Jahre bis zu seiner Mündigkeit. Oft beunruhigte ihn das Geheimniß, das seine Geburt umgab, stieg in schlaflosen Nächten vor ihm der Gedanke auf: — Wer bin ich? . . . Um der Versuchung zu entgehen, vor der Zeit sein Schicksal, seine Vergangenheit — das Leben seiner Mutter! — kennen zu lernen, hatte er die Schriftstücke einem Notar zur Verwahrung über geben. Die süßen Freuden der Kindheit, der Jugend, des Jünglings alters hatte er nicht gekannt. Auf einem Pfade wandelte er dahin, an dessen einer Seite der unergründliche Abgrund seiner Vergangen heit, an dessen anderer der ebenso unergründliche Abgrund seiner Zukunft gähnte. So erreichte er sein einundzw anzigstes Jahr. Er eilte zum Notar, der ihm zugleich mit dem Papier eine Geldsumme einhändigte. Dann schloß sich Bernhard ein. Jetzt endlich hatte er Aufklärung erhalten! Bevor er jedoch die Siegel erbrach, schweifte sein Blick in dem Hotelzimmer umher, und er fühlte sein Herz seltsam bedrückt bei dem Gedanken, hier, wo nichts ihm von der Verstorbenen sprach, seine Freude oder seinen Kummer zu äußern. Er steckte das Document zu sich und begab sich in die Wohnung seiner Mutter. Mit heiliger Scheu betrat er das Zimmer, indem sie ihren letzten Seufzer ausgehaucht hatte. Da die Nacht heraufgezogen war, zündete er eine Kerze an. Nichts in dem Gemach war verändert. Er blickte umher, ob er nicht das Portrait eines Mannes bemerken würde... er wagte es sich nicht zu gestehen: das seines Vaters . . . seines Vaters, den er jetzt kennen lernen sollte, seines Vaters, auf den er all' seine Liebe übertragen halte. Vielleicht ist er todt! hatte er sich oft gesagt, aber er glaubte es nicht. Kein Bildniß eines Mannes! Jetzt öffnete er Charlotten's Testament, und nichts in ihrem Leben blieb ihm unbekannt. Der Schlag war hart. Lange überlegte er. Endlich kam er zu einem Entschluß. Ich will meinen Vater suchen, wenn er noch lebt. Wenn er todt ist, gehe ich in's Ausland. Seinen Vater zu finden . . . Das war das einzige Ziel Bern hard Cölestin's. Entschlossen ging er an's Werk und sah seine An strengungen mit Erfolg gekrönt. Er wlißte nur Ein's: daß sein Vater Georg hieß und — wie seine Mutter glaubte — Student gewesen sei. Durch Bestechungen und reiche Geschenke wußte er sich eine Liste der Studenten dieses Vornamens zu verschaffen. Nachdem er auch ihren jetzigen Aufenthaltsort ausgekundschaftet, begann er seinen Plan auszuführen. Der erste war Advocat in Nantes. Bernhard besuchte ihn und erzählte ihm, er sei Testamentsvollstrecker einer Person, die im Jahre 1834 Beziehungen mit einen: gewissen Georg unterhalten habe. Ihr sei nur sein Vorname bekannt gewesen, und er habe ihr auf dem Todtenbette versprechen müssen, nach ihm zu forschen, um ihm wich tige Papiere zu überbringen. Er frage ihn nun, ob er dieser Georg sei, oder wenn nicht, ob er unter den Studenten aus jener Zeit Jenen kenne, welcher der Geliebte einer gewissen Charlotte Cölestin gewesen sei. Die Antwort des Advocaten lautete verneinend. Auch konnte er ihm keine Anhaltepunkte geben. Bernhard suchte nun den Zweiten auf, und so weiter die Liste herunter. So durcheilte Cölestin einen Theil Frankreichs ohne eine Nach richt zu erhalten. Endlich theilte ihm ein Arzt mit, daß allerdings einer seiner Freunde in der bezeichneten Zeit in Beziehungen zu einer Arbeiterin gestanden. Vielleicht sei er der Gesuchte. Er heiße auch Georg, und zwar Georg d'Extreme. — Wenden Sie sich, so schloß der Doctor, zunächst an seinen vertrauten Freund Herrn Marcel Coste, der als Rechtsanwalt in Lyon fungirt. Bernhard eilte nach Lyon, und erhielt so genaue und bestimmte Auskunft, daß ein Zweifel nicht mehr möglich war. In der überströmenden Freude seines Herzens schrieb er seinem Vater folgenden rührenden Brief, den wir nicht unterlassen können, hier wieder zu geben: „Mein Herr! Mein Herz treibt mich, Ihnen, den ich so gern einen ander», innigeren, zärtlicheren Namen geben möchte, zwei Nachrichten zu übermitteln. Charlotte Cölestin ist todt .... aber ihr Kind lebt. Ihr Kind ist vor jeder äußeren Noth geschützt und erwartet nur ein Wort aus ihrem Munde, nur eine Genugthuung für die Todte, um der Glücklichste der Menschen zu werden. Ich weiß, daß ich unendlich viel von Ihnen verlange, aber be denken Sie meine Lage! Ihnen verdanke ich das Leben . . . sollte ich nicht durch Sie auch die Freuden der Gesellschaft kennen lernen, von der ich jetzt durch tausend Gründe ausgeschlossen bin? Bei meinem Eintritt in's Leben haben Sie sich von mir ge wendet. Werden Sie mich auch bei meinem Eintritt in die Welt verlassen?