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Sechster Tag (Sonnabend): Von Schwarzenberg nach Grün- städtel, Raschau, Pöhla, Nittersgrün, Tellerhäuser, Fichtelberg, Ober wiesenthal (Dejeuner), Unterwiesenthal, Neudorf, Cranzahl, Chemnitz (Diner und Nachtquartier). Sonntag, den 11. Juli, Vormittags, gedenkt Seine Majestät in Chemnitz zu verweilen, von wo aus gegen 2 Uhr Nachmittags die Rückreise nach Dresden und Pillnitz erfolgen wird. Annaberg, 30. Juni. Am Sonntag früh waren 2 Diebe auf Wiesaer Flur, in unmittelbarer Nähe des Bahngeleises der Annaberg- -M-emnitzer Eisenbahn damit beschäftigt, eine Kiefer abzusägen. Der Baum fiel jedoch nicht nach der gewünschten Seite, sondern stürzte am Abhang hinunter und kam auf das Geleise der Bahn zu liegen, auf welchem in kurzer Zeit der früh 3 Uhr 30 Minuten von Anna berg abgehende Zug dahineilen mußte. Zum Glück gelang es den Dieben noch, die Bahnlinie, bevor der Zug diese Stelle erreichte, frei zu machen, so daß ein Bahnunglück verhütet wurde. Die Diebe sind ermittelt und zur Anzeige gebracht worden. Oelsnitz b. L. Am Sonnabend früh verunglückten auf Stein kohlenbauverein Deutschland die beiden Bergarbeiter Clauß von hier und Siebdraht von Nüdlitz tödtlich durch Hinunterstürzen vom Ge stelle beim Ausfahren. Eine Verschuldung trifft Niemand. Mit den beiden Verunglückten fuhren noch 2 andere aus und diese sind wohl auf, können aber selbst nicht angeben, wie das Unglück gekommen ist. Beiden Todten folgt der Ruf sehr tüchtiger und braver Ar beiter nach. Aus dem Bogtlande. Im Laufe des Monats Juni hat wiederum eine größere Anzahl von nach Amerika auswandernder Böhmen, 320 an der Zahl, den Bahnhof zu Reichenbach passirt. Dieselben kamen größtentheils aus dem Pilsener Kreis und hatten Chicago und Ohio als Ziel ihrer Reise gewählt. Adorf, 2. Juli. Heute wurde eine hiesige Bürgersfrau, die auf dem Felde beschäftigt war, von einem bedauernswerthen Unfall getroffen. Eine vor einem Wagen gespannte Kuh wurde unruhig und ging mit dem Wagen durch. Die Frau wollte den Flüchtling aufhalten, wurde aber eine weite Strecke mit fortgeschlcift. Zum Unglück fiel noch eine auf dem Wagen liegende Sense der Unglück lichen auf den Arm, sodaß dieser arg zerfleischt wurde und das Fleisch in Stücken herabhing. Die Verunglückte ist noch nicht wieder zur Besinnung gekommen. Freiberg. Die hiesige k. Staatsanwaltschaft berief am 30. Juni telegraphisch Personen aus Neuwernsdorf und Kämmerswalde behufs Nekognoszirung der Leiche des in Konradsdorf ergriffenen Kirchen räubers. Vom Schuhmachermeister Müller in Niedcrwernsdorf wurde der Todte als der Kirchenräuber in Hermsdorf und vom Schneider meister Drechsel in Kämmerswalde als der Verkäufer des Altartuches aus der Kämmerswalder Kirche rekognoszirt. Es dürfte mithin keinem Zweifel unterliegen, daß endlich die Kirchen unserer Gegend ihres Plünderers ledig geworden sind. Der vorgenommene Sektionsbefund hat ergeben, daß der Räuber — über dessen Person man noch keine Gewißheit hat — erstochen morden ist. Der Hergang bei der Fest nahme war, nach dem „Freib. Anz." folgender: Nachdem alle Aus gänge der Kirche von außen besetzt waren, gingen fünf Konrads- dorfer Männer in das Gotteshaus hinein, um den Räuber festzunehmen. Unter ihnen befand sich auch ein mit einem Säbel Bewaffneter. Nach langem Suchen finden sie den Eindringling unter einer Kirchenbank versteckt. Als sich aber der Räuber ertappt sieht, springt er in die Höhe und nimmt eine angreifende Stellung ein. In diesem Augen blick ertönt der Ruf: „Der Mensch hat ein Pistol in der Hand und in demselben Moment stößt der mit dem Säbel Bewaffnete seine Waffe dem Räuber durch die Brust, so daß die Spitze der Klinge am Rücken heraustritt. Der Stoß ist mitten durch die Lunge ge gangen. Noch röchelnd wurde der Räuber aufgeladen, nach dem hiesigen Krankenhause geschafft, von dort aber nach der Leichenhalle in Konradsdorf zurücktransportirt. Daß der Stich ein tödtlicher werden sollte, ist nicht beabsichtigt gewesen, es war die That ledig lich ein Akt der Nothwehr. Hilbersdorf bei Chemnitz, 2. Jnli. Vom 28. zum 29. Juni ist in hiesiger Kirche ein Diebstahl verübt worden. Der Freche ist nach dem Eindrücken einer Scheibe durch das Fenster in die Sakristei ge langt und hat außer Kleiderbürste einige Kleinigkeiten gestohlen. Der Dieb hat auch aus einer Schachtel ungefähr 100—200 Stück Hostien entwendet und die im Schiffe ausgestellten, verschlossenen Becken er brochen, in denen aber nichts zu finden gewesen ist, da der Kirchen vater Hertel die Einlagen am letzten Sonntage zu sich genommen hat. Weiteres wird nicht vermißt. Geithai», 2. Juli. Gestern in der 6. Nachmittagsstunde traf hier ein starkes Gewitter von Schloßen begleitet aus. Auch die Fluren von Priesnitz, Frauendorf, Noda, Niedergräfenhain, Otterhain lind Königsfeld sind mehr oder weniger verhagelt. Hier lagen die Schloßen, welche mitunter die Größe von Pflaumen hatten, stellen weise fußhoch. Der Schaden trifft in Geithain viele kleine Leute, die sich geringe Flächen Land pachteten, aber nicht versicherten, und deren Aussichten auf eine Ernte völlig vernichtet sind. Pirna. Auf der Breitenstraßc gingen am 1. Juli die Pferde des gräflich Nex'schen Geschirres durch, rannten an die vor einem Hause aufgestapelten Schienen (wobei der Wagen zerrissen und der Kutscher vom Sitze geschleudert wurde) und ratzten in wilder Flucht bis zum Maschinenhause an der Dresdner Chaussee, wo sie endlich zusammenbrachen. Das eine der Pferde, welches beim Niederstürzen sofort todt war, hatte Vs weit einen Nechenstiel in der Brust stecken, während das andere an der Seite eine schwere Verletzung aufwies. Leider ist bei der tollen Fahrt auch eine ältere Frau um geworfen und nicht unbedeutend am Oberarm verletzt worden. Löbau, 29. Juni. Der Schaden, den Nieder- und Mitteloder witz durch die Wolkenbrüche erlitten hat, dürfte wohl den der meisten Gemeinden übertreffen; er wird nach vorläufiger Schätzung auf ca. 600,000 bis 700,000 M. zu beziffern sein, nämlich: fortgeschwemmte, eingestürzte und zum Einsturz vorhandene 37 Häuser, Zeitwert!) ca. 111,000 M, gegen 130 theilweise zerstörte Häuser, ca. 39,000 M., Zerstörung an 4 Communalstratzen, jede beinahe eine Stunde lang, Canälen, Wegen, Stegen, Brücken, Ufermauern mit eisernen Gelän dern durch das ganze Dorf, ca. 24,000 M., Möbel, Wäsche, Kleid ung, Betten, ca. 90,000 M., Webstühle, Scheerrahmen mit Webuten silien, Leinen- und Baumwollengarne und Waaren, Spiritus, Material- waaren, Mehl- und Backwaaren, Handwerkszeug der verschiedenen Professionisten, zerstörte Waarenappreteur, eine zerstörte Mahlmühle mit Wehr und 3 Mühlgräben, ca. 120,000 M. — autzer den Ver wüstungen an Bäumen, Gärten, Feldern und Wiesen. Ebersbach bei Löbau, 1. Juli. Heute kurz vor 12 Uhr Mittags entlud sich über unserem Orte ein heftiges Gewitter. Mit dem 12. Glockenschlage durchzuckte ein Unheil verkündender Blitz die Luft, ein schwerer Donner begleitete ihn. Sofort vernahmen wir Sturm geläute und die Töne der Nebelhörner in hiesigen Fabriken, sowie Feuersignale. Der Blitz hatte in unserem nahe an die böhmische Stadt Georgswalde grenzenden Ortstheile Hempel das Wohnhaus des Wirthschaftsbesitzers Güttler entzündet. Die nur vor wenig Mi nuten vom Felde zurückgekehrten Besitzersleute konnten nur das Vieh retten, während sie ihre übrigen Habseligkeiten, darunter sämmtliche Kleider und Betten, den Flammen überlassen mutzten. Bei Eisenberg wurde in einem Steinbruch ungefähr einen Fuß unter der Oberfläche ein Massengrab aufgedeckt, welches wohl an 4 Futz tief und von nicht erforschter Ausdehnung ist. Die Gebeine liegen alle durcheinander und sind sämmtlich verkalkt. Glashütte, 1. Juli. Unsere Kirche hat einen schweren Verlust erlitten, denn dieser Tage sprang daselbst die große Glocke, welche die Jahreszahl 1445 trägt und mithin seit 435 Jahren ihre Dienste thut. Könnte dieses Erbstück aus alter Zeit plauvern, was würden wir da alles für Geschichten vernehmen. Der Bandit. Eine Erzählung von Max Brunk. (Fortsetzung.) Nur zu bald zeigte sich hierzu die Gelegenheit. Es war Nacht und einige voll der Gesellschaft lagen schon in tiefem Sck'lafe, als ein Mann gerannt kam und verkündigte, „der verfluchte Marquis und seine Tochter" kämen nächsten Morgen auf dem Wege von Turin übers Gebirge. Alle jauchzten auf und schworen, daß er ihnen dies mal nicht lebendig ans den Händen kommen sollte; Giuseppe allein erblaßte und zitterte. „Erinnere Dich Deines Eides!" rief der Führer ihm, und befahl einen» der Bande mit geladener Flinte die Thüre zu bewachen, damit er ihnen nicht entginge. Der Schurke hatte in des Jünglings Seele gelesen, denn es war allerdings sein Entschluß, zu entfliehen, und den Edelmann zu warnen. Lange lauerte er ver gebens aus einen günstigen Augenblick; endlich schien er gekommen zu sein; alle waren in tiefen Schlaf versunken, die Schildwache stand, auf die Flinte gelehnt, mit dem Gesichte gegen die Thür gewendet, welche halb offen stand. — Giuseppe wagte den kühnen Sprung — die Gewalt desselben warf die Schildmache nieder und in einem Nu war er draußen und zwischen den Felsen auf und davon. Sein Hund war ihm nachgeeilt, und mit diesen» treuen Thiere an der Seite kletterte er so schnell den Berg hinan, daß er in wenigen Minuten schon das Geschrei und die Flüche deS ihn verfolgenden Gesindels aus den Ohren verlor. Aber nicht lange, so stellte sich ihm eine neue Gefahr entgegen; er näherte sich dein damals einzigen Wirths-- Hause auf dem Berge, in welchem der Marquis dem Berichte nach sich aushielt; als plötzlich aus dem Schlunde, an dessen Seite er hinkletterte, ein fürchterlicher Sturmwind hervorbrach, welcher jene Gebirgsgegenden öfter heimzusuchen pflegt. Giuseppe war glücklicher Weise in dein Augenblicke gerade hinter einem Felsen, welcher ihn gegen den Wind schützte, der in seinem müthenden Laufe Bäume entwurzelt und ungeheuere Steinmassen mit fortreiht. Einen Augenblick lang dachte der Jüngling an seine eigene Ge fahr, aber schnell erinnerte er sich der Gefahr, welche in diesem Augenblicke auch Blanka drohte. Ohne auf sich selbst zu achten, kletterte er also immer weiter, und erreichte nach vielen Beschwerden, immer gegen Wind kämpfend, endlich das Wirthshaus, in welchem er Blanka und ihren Vater fand und sie bewog, zahlreiche Begleitung bis Tende, dem nächsten Städtchen, mitzunehmen, ohne daß er ihnen gerade den Plan der Verschworenen entdeckt hätte. Der geleistete