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Mission gegeben habe, dieselbe jedoch vom Papste nicht angenommen wurde. Als Ursache seines Entlassungsgesuches bezeichnete Nina seine häufigen Meinungsverschiedenheiten mit dem Papste, sowie auch den Umstand, daß ihm die Rolle eines „einfachen Abschreibers", welchen ihn der Papst spielen läßt, nicht gefallen könne. Zum Nach« folger Nina's ist bekanntlich schon seit langem der Wiener Pronuntius Cardinal Jacobini bestimmt. Rußland. Die schon oft in Aussicht genommene und stets wieder verworfene Verfassung scheint nun zur Wahrheit werden zu sollen, wenn andersweitig der „Berl.-Börsen-Courier" mit folgender telegraphischen Depesche, die ihm aus Petersburg zugegangen, Recht behält: „Der kaiserlichen Sanction unterbreitete das Ministerium einen Plan, betreffend eine vorläufige Einführung des Repräsentativ systems. Es soll zum Zwecke eines Versuchs mit allgemeinen Wahlen und parlamentarischer Regierung Rußland zunächst eine Art Agrar kammer einberufen werden, die blos in Bezug auf Landwirthschaft und Verwaltung des flachen Landes competent sein soll. Die Gegner des Repräsentativ - Systems befehden noch das Project und haben für das Parlament, das sich ja viel mit Dünge- und Viehzuchtinteressen beschäftigen soll, eigenthümliche russischderbe Schmeichelnamen." Lokales und Sächsisches. Zwönitz, 23. Juni. Heute sind es gerade hundert Jahre, daß von der Schützengilde, die jedoch damals nicht als uniformirte pri« viligirte bestand, den 23. und 24. Juni das erste Vogelschießen abgehalten wurde. Förster Irmisch in Niederzwönitz erster Vogel könig. — Die Einlage kostete 1 Thlr. 5 Gr., die Musik 3 Thlr., der einhälzige Vogel 1 Thlr. 18 Gr. und eine Bude, wie auch später, bis zur Erbauung des Schießhauses, die 12 Groschen zu bauen kostete, vertrat die Schießhausstelle. Dresden, 22. Juni. Nach amtlicher Mittheilung wurden in der Oberlausitz bis zum 21. Juni 70 Tobte ermittelt, Gebäude wegge rissen wurden 47, abzutragen sind deren 138 und beschädigt ca. 230. Schwarzenberg. Die vor Kurzem abgehaltene Versammlung des Erzgeb.-Zweigvereins Schwarzenberg bot erfreuliche Thatsachen. Nach Erledigung geschäftl. Sachen wurde über den Hauptpunkt, den Thurmbau auf dem Spiegelwalde (Bernsbach-Grünhainer Höhe) ver handelt. Infolge des vom Vorsitzenden Jnsp. Pricke erstatteten Referates wurde beschlossen, die in Bildung begriffenen Vereine Aue und Zwickau für die Angelegenheit zu gewinnen und die im Uinkreise des Spiegelwaldes liegenden Gemeinden um Beiträge zum Thurm bau anzugehen. Die anwesenden musikalischen Kräfte wurden ver anlaßt, das Unternehmen unverdrossen durch weitere künstlerische Darbietung zum Besten des Fonds zu unterstützen. Beschlossen wurde auch die Errichtung einer Unterstandshütte auf der Morgen leithe. — Der für den Bau des massiven Thurmes von 15 in Höhe angesammelte Fond beläuft sich jetzt auf 1600 Mk. Der Staats fiskus ist um unentgeldliche Ueberlassung des Bauplatzes gebeten worden. Nach der kaum zu bezweifelnden Genehmigung wird un verzüglich zum Bau geschritten werden, wenn die zur Ausführung desselben erforderliche Summe von 2500 Mk. beschafft worden ist. Die Gemeindevertretungen der umliegenden also meist interessirten Orte werden hoffentlich in zuvorkommender Weise — wie schon von einigen geschehen — auf die Bitten des Erzgebirgs-Vereins eingehen, da der projektirte Thurm nicht nur auf immer einen bleibenden Schmuck der ganzen Gegend bilden, sondern vermöge seiner Anzieh ungskraft auf die Touristen den Fremdenverkehr wesentlich beleben und dadurch den um den Spiegelwald herumliegenden Orten von pecuniären Nutzen sein wird. Werdau, 19. Juni. Vergangene Nacht wurde in einem Buckskin- geschäst hierselbst ein Einbruchsdiebstahl verübt. Die Diebe haben nach Eindrücken einer Fensterscheibe ihren Eingang durch das Fenster in das betreffende Lokal genommen und sechs Stück Stoffe von ver schiedenen Mustern und Längen mitgehen heißen. Der Thätigkeit der hiesigen Schutzmannschaft ist es gelungen, noch im Laufe der Nacht zwei Personen, welche dieses Diebstahls verdächtig erscheinen, aufzugreifen und festzunehmen. Mariench i. V. In der Nacht vom 11. bis 12. d. M. wurden auf dem Friedhöfe zu Marieney durch ruchlose Hand zwei Grab- mäler herausgerissen und in dem Garten eines benachbarten Guts besitzers aufgestellt. Der Gendarmerie ist es gelungen, den Frevler zwei Tage darnach in der Person des berüchtigten Weller daselbst zu entdecken und festzunehmen. Die Polizeiverwaltung in Seyda hat nachfolgende drei kurze Paragraphen verordnet: 1. Personen bis zum vollendeten 16. Jahre wird das Rauchen von Tabak und Cigarren, sowie das Kartenspiel an jedem Orte hiermit verboten. 2. Zuwiderhandlungen gegen die aä 1 gedachte Verordnung werden mit Geldbußen bis 9 Mk. oder entsprechender Haft geahndet. 3. Diese Verordnung tritt sofort in Kraft. Radeberg, 18. Juni. Gestern Nachmittag in der 6. Stunde ist auf Wachauer Waldflur der schrecklich verkohlte Leichnam einer Dame aufgefunden worden, welche sich aus unbekannter Ursache offen bar in selbstmörderischer Absicht mit Petroleum begossen und solches ! entzündet hat. Neben dem Leichnam lagen zwei Kopfkissen, eine große Petroleumflasche und Streichhölzchen. Die Unglückliche soll aus Schlesien nach der Hoflößnitz zu Verwandten gezogen sein. Beim Aufsinden derselben brannten die Kleider noch. Pegau, 19. Juni. Am vergangenen Mittwoch wurde der Guts besitzer Christian Fleischer in Pulgar von einem jungen Pferde im Stalle so heftig an den Standbaum gedrückt, daß eine Zerreißung des Magens erfolgte. Donnerstag Mittag ist derselbe von seinen schweren Leiden durch den Tod erlöst worden. Ueber die Katastrophe in Cunnersdorf schreibt nachträglich noch ein Augenzeuge, daß sich daselbst der Lehrer mit 40 Kindern während der Fluth drei Stunden lang im oberen Zimmer seiner Wohnung befand und das entsetzliche Jammern und Wehklagen der Kinder so lange mit aushalten mußte, bis durch allmälige Senkung der em pörten Fluth die Erlösungsstunde für ihn und seine Kinderschaar zu schlagen begann. Die Wasserfluthen waren aber auch mit solcher Schnelligkeit in das Schulzimmer des erst im vorigen Jahre neu erbauten Schulhauses eingedrungen, daß der Lehrer nur in größter Eile die Kleinen herausheben und nach seiner Treppe hin hatte be fördern müssen, da jede Verzögerung ohne Zweifel den Tod des Er trinkens der Letzteren herbeigeführt haben würde, indem das Wasser im Schulzimin er bis zu 2 Meter Höhe gestiegen war. — Allgemein herrscht die vollste Anerkennung über das rastlose Arbeiten der Mili tärmannschaften, die thatkräftig überall eingreifen und denen es vor Allem zu danken ist, daß die zerstörte Eisenbahnverbindung so rasch wieder hergestellt wurde. Von den Pionniren sind jetzt schon hier und dort hölzerne Brücken erbaut worden, damit der Verkehr wieder ins Pulsiren kommen kann. Die öckamiWnst im ReisermM. Nach den Papieren eines Veteranen aus den Freiheitskriegen. (Fortsetzung.) Ich zählte die Stunden, die Minuten bis zum Sonntage. Endlich erschien er, und ich warf mich in meine Gala-Uniform. Um Gotteswillen! rief mir der Oberförster entgegen, fort init diesem Prunke. Die fromme Frau liebt die Soldateska nicht. Ziehe Dir wiederum das bescheidene grüne Röckchen an, lege Dir eine tief- denkende Miene an, und suche Dich in die Nolle eines recht soliden Mannes einzustudiren. — Noch hast Du eine Stunde Frist, kleide Dich um und revidire Dein Anekvoten-Schatzkästlein; je mehr Du ihr vorlügst, desto höher steigst Du in ihrer Gunst. Kaum hatte ich die angedentele Verwandlung mit mir vor genommen, da erschien auch Madame Wollbach mit Louisen, und die alte Schachtel, welche damals die Aufpasserin machte, trippelte hinterher. Nach den gewöhnlichen Begrüßungen nahm man Platz. Der schadenfrohe Kade hatte mich zwischen die beiden alten Hexen platzirt, während mein Engelskind zwischen einem Amtmanns und dem Seelensorger des Ortes saß. Die Suppe war ohne weitere Unterhaltung hinuntergelöffelt, beim Rindfleisch blieb es eben so, da meine zahnlosen Nachbarinnen genug zu thun hatten, um kleine Bissen zu schneiden. Beim dritten Gerichte, nachdem des Oberförsters guter Asmannhäuser die Ge- müther lebendiger gemacht hatte, ward man gesprächiger. Ter Tausendsassa hatte mich wirklich als einen Schnurren- und Anekdotenjäger ausposaunt; denn die Frau Ober Steuer-Revisorin wandte sich plötzlich zu mir: Sie haben, wie der Herr Vetter mir letzthin sagte, nach beendigten Kricgsdrangsalen weite Reisen gemacht und sich tüchtig in der Welt umgeiehen. Haben vielleicht auch dabei mancherlei Facta, Abenteuer und dergleichen erlebt, bitte daher ge ziemend, uns gütigst davon etwas zum Besten geben zu wollen. Ich verbeugte mich still, stärkte mich zuvor mit einem Glas Wein und suchte nach Kräften der nur gestellten Aufgabe zu genügen. Wahrheit und Dichtung flogen von meinem Munde. Was doch die Liebe nicht kann! Sie machte mich zum Redner, und sogar zum guten Redner, denn die ganze Tischgesellschaft spitzte die Ohren, und schien mir die Worte vom Munde megnehmen zu wollen. Dabei trank ich meinen Nachbarinnen tüchtig zu, so daß ihnen die röthlich schimmernden Nasen ganz kupserroth wurden. Nur, als endlich der wohlgesckmückte SchmeiuSkopf kam, ward ich von meiner Arbeit erlöst, indem der Oberförster das Leben und die Thaten des in der Blüthe seiner Jahre dahingeschiedenen Keilers zum Besten gab. Ich war heute in der besten Laune, da mir Louischen einige recht freundliche Blicke verstohlen zugeworfen hatte, und machte nun beim Nachtische mehrere Taschenspielerkünste, die ich kürzlich von dem berühmten Grafen Petorelli erlernt hatte, worüber Madame Wollbach ganz verwundert war, und mich recht freundlich einen Tausendsassa nach dem andern nannte. Man stand endlich in der besten Laune vom Tische auf, und der Oberförster schlug, da ein sehr schöner milder Herbsttag war, eine Promenade im Garten vor. Der Herr Pfarrer nahm die Tante, der Amtmann die Dame Eusebia, Louise hing an den Arni des Vetter Oberförster, warf beim Hinaus gehen einen bedeutenden Blick auf mich unv dann auf ihren Strick-