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durch verständige Paarung ersetzt, es muß besseres weibliches Zucht material herangezogen werden, es muß eine naturgemäße Aufzucht der Fohlen Platz greifen. Darum lasse es sich ein jeder Pferde züchter Ernst sein, der Fohlenaufzucht die nöthige Berücksichtigung, der Fohlenschonung den größtmöglichen Spielraum zu gönnen. Die Fohlenaufzuchtstation zu Elterlein nimmt gegen Erlegung eines monatlichen Futter- und Pflegegeldes von nur 10 Mark Fohlen von mindestens einem Jahr Alter in Pension. Znr Zeit sind daselbst 27 Fohlen in dieser Weise unter musterhafter Aufsicht und ohne An strebung verderblicher Fettbildung in gutnährendem Flitter. Es kann diese Anstalt, welche ein Areal von etwa 30 Acker sächs. zu Weide gang bietet nnd mit den nöthigen Stallungen versehen ist, nicht ge nug zur Benutzung empfohlen werden. Hierbei sei noch erwähnt, daß zur Beschaffung guter Zuchtstuten für das Jnnland in nächster Zeit unter Leitung des genannten Vereins für Fohlenaufzucht zu Annaberg-Elterlein eine Verloosung von etwa 70 edlen Pferden ver anstaltet wird. Die Verloosung findet voraussichtlich den 26. Juli d. I. zu Annaberg statt. Interessenten wird von unparteiischer Seite die Erwerbung von Loosen dazu warm empfohlen. — Weitere Nachrichten über den Kometen dürften gegenwärtig sicher von Interesse sein. Nach den neuesten Berechnungen über diesen Himmelskörper werden wir wohl kaum die Aussicht haben, denselben noch lange mit freiem Auge verfolgen zu können. Die Helligkeit desselben nimmt rapid ab und wird zum 7. Juli nur ein Fünftel derjenigen sein, die er am 23. Juni hatte, an welchem Tage er urplötzlich im schönsten Glanze aufgetaucht ist. Mit Fernrohren wird sich derselbe allerdings noch Monate lang verfolgen lassen, ob gleich eine kleine Rechnung zeigt, daß er in zwei Monaten nur ein Hundertstel der Helle vom 23. Juni haben wird. Es stützt sich dieses auf die Annahme, daß diese Himmelskörper im Quadrate des Ab standes von Sonne und Erde ihre Lichtstärke ändern, doch ist dieses noch nicht apodiktisch festzustellen, da häufige Anomalien bei anderen Kometen hervorgetreten sind. Unser Komet ist jetzt cirkumpolar, das heißt feine Abweichung vom Aequator ist größer, als die Ergänzung der Polhöhe zu 90 Grad. Die Folge davon ist, daß er beständig über dem Horizonte verbleibt, somit, sobald der Untergang der Sonne genügende Abschwägung des Tageslichtes verbreitet hat, der Koinet sofort sichtbar wird. Einzelne große Kometen sind auch noch bei Tage sichtbar gewesen, doch gehört dies zu den seltensten Fällen. Der Komet wird sich in den nächsten zwei Monaten in einem Abstand von nur 10 Grad vom Polarstern halten und dabei einen Bogen von fast ein Drittel Umfang eines Kreises um denselben beschreiben, er bewegt sich dabei durch die Sternbilder Kamelopard, Drachen und Kleiner Bär. — Neustadt el, 29. Juni. Heute Nachmittag zeigte sich hier eine höchst merkwürdige Naturerscheinung. Es erfolgte gegen 5 Uhr ein heftiger gewitterhafter Regen, welcher jedoch sich im Allgemeinen nicht von ähnlichen Niederschlägen unterschied. Nur im Südosten hiesiger Stadt nahm derselbe wolkenbruchartigen Charakter an, indem auf ein verhältnißmäßig ganz eng begrenztes Terrain unglaubliche Wassermassen niederströmten, welche auf ihrem Fortgange verheerende Wirkungen hinterließen. In den Wegen waren mannestiefe Rinnen gerissen und eine Anzahl Felder war größtentheils abgeschwemmt und waren dafür erstaunliche Mengen von Steinen und Schutt auf geschwemmt worden. Die von der Hinterseite in die Gebäude dringenden Gewässer füllten in einer Anzahl derselben die Keller und standen in Ställen und Schuppen knietief. Nach einer Stunde halten sich die Wässer verlaufen und man konnte nun erst die volle Größe der Zerstörung übersehen. — Elster, 29. Juni. Eine Fürstin Dolgoruky aus Petersburg, die hier zur Cur weilt, wird vielfach für die hinterlassene Wittwe des russischen Kaisers gehalten; andererseits wird behauptet, daß das ein Jrrthum sei, da die vielgeprüfte Frau wegen ihres körperlichen Zustandes Rußland nicht verlassen könne. Da der Name Dolgoruky in Rußland sehr verbreitet ist, so kann es wohl sein, daß die hier weilende Dame nur zu einer Vermuthung Veranlassung gegeben hat. Fürstin Dolgoruky hat zwei Knaben bei sich, ist von mittlerer, hagerer Statur, sieht sehr angegriffen aus und will, nachdem sie sich hier erholt hat, »ach Karlsbad gehen. — Meißen. Am Morgen des 30. Juni vor 4 Uhr ertönten Feuersignale in den Straßen unserer Stadt. In dem der Stadt ge hörigen sogenannten Gewandhause an der Leipziger Straße, einem mehrere hundert Jahre alten, großen massiven Gebäude, in welchem auch das Theacer, die Militärwache und Militäreffektenkammer be findlich sind, war in einem an einen Kaufmann vermietheten Raume Feuer ansgebrochen, das dem Vernehmen nach in Folge Kaffeeröstens entstanden, jedoch ehe es an Umfang gewonnen, durch die herbeige rufene Militärmannschaft alsbald gedämpft wurde. — Zittau. In einer Färberei über der Olbersdorfer Brücke daselbst kam gestern der Färbereigebilfe D. zu Falle und zwar mit dem Oberkörper unter eine Transmission. Ein Niemen erfaßte seinen Arm, im Nu war derselbe aus seinen Gelenken gerissen nnd buch- stäblich mehrere Male nm seine eigene Achse gedreht. D. brachte sich selbst aus der gefährlichen Nähe des Riemen«, meldete den Un- glücksfall und ging ruhig zum Arzt, der den Arm sofort schiente. Bei der ganzen, noch ziemlich schmerzhaften Prozedur verlor der Verletzte nicht einen Augenblick seine Kaltblütigkeit. Deutschland. Berlin. Fürst Bismarck hat dem Baron Haymerle den dringenden Wunsch ausgesprochen, Letzterer möge seine Urlaubsreise so einrichten, daß sich die Gelegenheit einer per sönlichen Begegnung biete. Oesterreich-Ungarn. In der Nacht zum 1. Juli haben in Prag Volkshausen Stürme auf das deutsche Casino und das deutsche Landestheater gemacht. Neun Studenten wurden überfallen und mißhandelt, ein geheimes Comitee, welches die Excesse leitete, wurde entdeckt. Die Vorlesungen in der Universität sind geschlossen. Unter den bei dem Austriafest in Küchelbad Verwundeten befindet sich vr. Siebert aus Greifswald. Ein Kohlenagent Kittel aus Westpreußen, der sich auf einer Geschäftsreise in Prag befand, wurde gleichfalls mißhandelt. Die beiden mißhandelten Deutschen haben sich an die deutsche Botschaft gewendet. Amerika. Washington, 2. Juli. Heute Morgens nach 9 Uhr wurde auf den Präsidenten Garfield von Mörderhand ein Flinten schuß abgefeuert. Der Präsident ist verwnndct. Die Verletzungen sollen keine tödtlichen sein. Der Mörder ist verhaftet. In Folge großer Aufregung ist Näheres nicht festzustellen. Rußland. Es liegen nun schon sechs Fälle vor, daß gerade die genialsten Kräfte der Polizei auf unerklärliche Weise während des Dienstes, der doch geheim gehalten wird, verschwanden; erst zwei sind im Wasser wiedergefunden worden. Ein viele Jahre in Paris und Genf verwendeter Agent, der in Petersburg kaum gekannt sein konnte, ist vor einigen Tagen im Bannkreise von Petershof mit einem Lasso strangulirt aufgefunden worden, ohne daß die Wachen etwas bemerkt haben wollen; bezüglich der Mienenfunde in den Kanälen der Residenz unterliegt es kaum einem Zweifel, daß die Massen von Sprengmaterial nur unter Mitmissen der im vorigen Jahre und im März und April dieses Jahres bei der Hebung älterer Alinen anwesenden Beamten gelegt sein können; darauf weist auch das merkwürdige Verschwinden mehrerer, damals angestellter Taucher und zweier Polizeibeamten hin, welche gerade auf der Verhaftungs liste standen. — Gegenüber einem Pariser Telegramm, nach welchem Jngnatieff eine Herabminderung des Kriegsbudgets um 200 Millionen Rubel dem Neichsrathe vorgeschlagen haben soll, bemerkte „Agence russe", daß nicht Jgnatieff, sondern der Kriegsminister Wanowsky mit der Herabminderung des Kriegsbudgets sich beschäftigte. Der Effectivbestand und die Bewaffnung der Armee blieben unangetastet, Ersparnisse würden nnr beabsichtigt in Betreff des luxuriösen Aeußeren der Armee. Türkei. Die Ehen der beiden zum Tode verurtheilten Schwäger des Sultans, Mahmud Pascha und Nuri Pascha, sind für getrennt erklärt worden. — Die Unterzeichnung der türkisch-griechischen Con vention, welche gestern erfolgen sollte, ist wegen eines Fehlers in der Abschrift auf Sonnabend verschoben worden. Ile Räuber auf Maria Cuün. Romantische Erzählung von G. Berthold. (Fortsetzung.) „Wenn aber der Tiger das Lamm zerreißt, ehe ihn der tödtende Pfeil trifft?" fragte voll banger Sorge Ottomar. „Sprach ich Dir nicht von dein Engel Gottes, der unsichtbar an meiner Seite stehen wird?" fragte Bibiana sanft zurück. „O süßes Kind", brach da Ottomar aus, „gieb mir nnr etwas von Deinem felsenfesten Glauben, damit ich, wie Du, so fröhlich hoffend sei." „Vertraue ferner auf Gott und dieser Glaube wird Dir kommen", entgegnete Bibiana. — „Und nun höre mein letztes Wort: Mein Verhängniß reißt mich jetzt fort, die große That muß vollbracht werden; sollte es im ewigen Weltenbuche geschrieben stehen, daß ich bei meinem Unternehmen untergehe, so bleibe ich doch in Gottes Hand, und ich glaube fest, wir sehen uns dann an einem Orte wieder, wo es keine Trennung mehr giebt. Nun lebe wohl!" Bibiana umschlang nach diesen Worten Ottomar mit Heftigkeit, ein heißer Kuß brannte auf seinem Munde, eine Thräne netzte sein Gesicht, dann riß sie sich halb gewaltsam von ihm los und eilte davon. Ottomar stand einige Augenblicke wie erstarrt. „Bibiana!" rief er dann, wie aus einem Traume erwachend. Aber die Gerufene war fort nnd da eilte Ottomar ihr nach. Er fand Bibiana nicht, denn sie war nach ihrem Kämmerchen geeilt, ihre letzten Vorbereitlingen zu dem entscheidenden verhängniß vollen Gange zu treffen. Sie sank auf die Knie und betete so recht herzinnig, daß Gott sie mit starker Hand durch alle Gefahren leiten möge, und sie fühlte sich durch das Gebet gestärkt. Dann erhob sie sich; sie nahm ein silbernes Glöckchen, hüllte es sorgfältig in ein weißes Tuch und verbarg das Päckchen so in ibrem Busen. Dann hing sie Leokadia's Reifepelz um den Arm und verließ das Gemach; sie durchschritt den langen Gang, verbarg den Pelz in einem Winkel und begab sich daun in den Festsaal zurück, wo sie sich für einige Minuten noch unter die Gäste mischte. Bibiana bemerkte, daß Kust's Augen sie auf allen ihren Be wegungen verfolgten und oft wie fragend auf ihr ruhten, allein sie gab sich den Anschein, als achte sie gar nicht auf ihn, und erst nach