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wie ich das Instrument handhabe. Ich zeigte meine gefesselten Hände, augenblicklich wurden sie mir losgebunden, und daß ich bereit war, den Wünschen des Scherifs sogleich nachzukommen, das, Herr Maire, können Sie sich leicht denken. — In unserm Lager mußte man unser Unglück bereits kennen, ich hätte darauf schwören mögen, daß der General ganz gewiß nach allen Seiten Streifen ausgesendet hatte, daß die Unsrigen in der Nähe wären, vielleicht nur einige Hundert Schritte entfernt, und nur auf ein Signal warteten, um uns zu Hilfe zu kommen und uns zu rächen! Alle diese Gedanken durchzuckten mein Gehirn wie ein Blitz, wenn noch eines, konnte die Laune des Scherifs uns retten. Aber ohne kaltes Blut und scheinbare Gleich gültigkeit wäre ich verloren gewesen. Der Scherif reichte mir die Trompete hin. Ich nahm sie, that, als ob ich sie in aller Ruhe prüfen wollte und setzte sie an den Mund. Mit aller Kraft, die mir noch geblieben, blies ich Alarmruf, einen waren Ruf der Verzweiflung und von den entfernten Bergen wiedertönte das Signal in langen Zwischenpausen. Kadour mar ganz außer sich vor Vergnügen und klatschte mit beiden Händen, aber seine Freude war nicht von langer Dauer. In dem Augenblick, als ich nochmal ansetzte, stürzten mehr als Hundert Spahis in rasendem Galopp auf das Lager zu, dessen Bewohner bei dem Lärm der ansprengenden Pferde nach allen Richtungen zerstoben. Jetzt war es am Scherif, ein Stoßgebet zu machen. Ich stürzte mich auf ihn, warf ihn zu Boden, mit denselben Stricken, mit welchen ich gebunden, band ich auch ihm die Hände. Kaum sah und hörte ich Blitz und starken Knall dicht bei meinem Ohr vorbei, kaum sah ich den schwarzen Teufel zusammenstürzen, das ging alles viel schneller vor sich, als ich Ihnen hier erzähle. Vater Ramond, sagte ich und drückte ihm gerührt die schwielige Hand, Ihr seid ein braver Mann. Er sah mich an, ohne etwas zu erwidern, dann drehte er sich um und rief seiner Frau. Herr Maire, darf meine Alte eine Flasche Wein heraufholen, trinken Sie ein Gläschen mit mir? Heute feiere ich zum zwanzigsten Male den Jahrestag meiner Errettung. Vater Ramond, Ihr thut mir eine Ehre an Freilich werde ich mit Euch und auf Euer Wohl trinken, und sorgen werde ich auch, daß Ihr Euern Festtag noch recht lange und in froher Stimmung genießen könnt. Auf Euer Wohl, Vater Ramond, stoßt an. Vermischtes. * Thorn, 6. Mai. Der Ingenieur Neumeister, welcher, wie bereits mitgetheilt, seine Aehnlichkeit mit dem Attentäter Hartmann, durch mehrmonatliche Gefängnißhaft und nachherige Ausweisung aus Rußland zu büßen hatte, liegt typhuskrank im hiesigen Krankenhause, doch ist er bereits außer Gefahr. Seine Mutter, welche aus Sachsen hier eingetroffen ist, soll, wie wir hören, Schritte gethan haben, um zu veranlassen, daß die Angelegenheit ihres Sohnes auf diplomatischen Wege klargestellt werde. Von anderer Seite wird in der Moskauer „Deutschen Zeitung" Folgendes gemeldet: „Die hier besprochene Per sönlichkeit, welche jetzt die Nolle eines politischen Märtyrers spielt, ist der Ingenieur Richard Eugen.Neumeister aus Leibsdorf bei Augustusburg im Königreich Sachsen, ein abgefeimter Schwindler, der mit seltener Frechyeit viele hiesige (Moskauer) Deutsche um größere ,oder geringere Summen betrog, ja sich geradezu Diebstähle zu Schulden kommen ließ und eine Zeitlang der Schrecken unserer deutschen Colonie war. Er hatte zuletzt eine Anstellung als Mecha niker beim hiesigen Telegraphen gefunden und wurde allerdings kurz nach dem Attentate in Folge frecher Reden, die er in einem Bier lokal geführt hatte, als verdächtig verhaftet, aber schon vor längerer Zeit wieder freigelassen. Daß er zum Tode verurtheilt worden sei, ist natürlich eine ebenso große Lüge, wie die Behauptung, daß er seine Habe zurücklassen mußte, denn er besaß nichts als die ihm von gutherzigen Landsleuten geschenkten Kleider, die er auf dem Leibe trug. Ueberhaupt verdankt dieser freche Bursche es nur der Gut- müthigkeit und Leichtgläubigkeit der hiesigen Deutschen, daß er so lange ungestraft seine Schwindeleien verüben konnte. Wir möchten ail diesen Vorfall die Mahnung an das deutsche Publikum knüpfen, vorsichtiger in der Ertheilung von Unterstützungen zu seiu und nicht durch übel angebrachte Wohlthätigkeit Bummler und Schwindler in ihrer Faulheit und Lüdcrlichkeit zu bestärken." * Berlin. Am Sonnabend Morgen gegen 6 Uhr ertönte in der Konnnandantenstraße ein donnerähnlicher Krach, welcher auch in den benachbarten Straßen vernommen wurde. Es wird jetzt das Jndustriegebäude um ein Stockwerk erhöht und es sollte die große Sandsteingruppe über Gratweil's Bierhallen, bestehend aus vier mythologischen Figuren, von denen jede etwa 12 Zentner wog, entfernt werden. Zur Vorsicht war die eine Seite der Straße durch die Polizei abgesperrt worden. Tie Gruppe wurde mit Tauen und Ketten umwunden und dann durch Winden vorsichtig von ihrem Standpunkte entfernt. Jetzt schwebte die kolossale Masse in der Lnft, da — plötzlich erfolgte ein Ruck, und mit surchtbarem Getöse stürzten die Figuren, das Gerüst durchschlagend und das große eiserne Firmenschild Gratweil's zertrümmernd, in die Tiefe, wo die Steinmasse den Asphalt durchschlug und sich tief in den Boden einwühlte. Die Gruppe ist vollständig zertrümmert. Glücklicherweise ist kein Mensch verletzt worden, obgleich einzelne der Trümmer bis auf die andere Seite hinüberflogen. * In Liegnitz auf der Jauerstraße hängt in einem Fleischer laden folgender Vers unter Glas und Nahmen: Ochsen, Kälber, Ziegen, Schweine, Haben Glieder und Gebeine, D'rum muß auch beim Fleischverwiegen Jeder etwas Knochen kriegen. * Gegen das Aufblähen des Viehes empfiehlt Thierarzt Halder in Jsny im „Württemb. Wochenbl. f. Ldw." folgendes Mittel, von dem er behauptet, daß es das einzige sei, das ihm während seiner 30jährigen Praxis wirklich gute Dienste geleistet und deshalb einen reellen Werth habe. Man zerschneidet zwei bis drei Knoblauchknollen in kleine Stücke, kocht diese in zwei bis drei Liter Milch und seihet dann die Flüssigkeit durch, um sie in irdenen Töpfen in der Voraths- kammer zum Gebrauch aufzubewahren. Je länger vorher das Mittel bereitet wurde, um so kräftiger wirkt es, wahrscheinlich in Folge der eingetretenen Säuerung. Vorkommenden Falls giebt man es zu Vi bis Vs Liter und wiederholt dies alle 20—30 Minuten so lange, bis das Thier hergestellt ist. Thiere, welche an Verdauungschwäche leiden und deshalb dem Aufblähen öfters unterliegen, kann man täg lich zweimal kleine Dosen von Vw bis Vg Liter der Flüssigkeit als Vorbeugungsmittel geben. Im Allgäu, wo bei rauhem und nebligem Wetter die Trommelsucht sehr häufig vorkommt, ist das Mittel jetzt bei den Bauern ganz allgemein in Anwendung und sie betrachten es seiner zuverlässigen Wirkung wegen als eine wirkliche Wohlthat. * Besserung. „Nun, Frau, hat Sie an ihrem Dianne keine Veränderung bemerkt? Ich hab ihm den letzten Sonntag recht ins Gewissen geredet." — „Ja, Herr Pfarrer, seit der Zeit hat er seine böse Gewohnheit geändert." „So, so, das freut mich zu hören. Also kommt er jetzt nicht mehr nach zwölf Uhr Nachts betrunken nach Hause?" — „Nein, Herr Pfarrer, jetzt kommt er schon um neun Uhr besoffen heim." Haushaltplan für die Stadt gemein de Zwönitz auf das Jahr : 188«. (Fortsetzung.) Fortl. Nr. Nr. im vorjäh rigen Haus halt- plane. 5. 6. 7. 8. 9. 10. II. 5. 6. 7. 8. S. 10. II. L. Armencasse. Präsum- tionsbctrag. Summa. Mark ! Ps. Mark Ausgabe. Cap. III. Insgemein. Beerdigungskosten Medocamente und Berpflegskoste» Fuhrlohnund Einschlagen derArmen- stöcke Porti's und sonstiger Verwaltungs aufwand Unvorhergesehene Ausgaben Reinhold'sche Legat, zu Schulzwecke, (Pos. II der Einnahme) Häußler'sche Legat, zu Armenzwccke, (Pos. 12 der Einnahme) Sumina Cap. III. s 70 ISO 28 10 100 4 40 SO 24 80 SO 404 Wiederholung der Ausgabe. Cap. I. 90 Mk. - Pf. . II. 1689 . 25 . . III. 404 - 04 . Summa der Ausgabe 2188 Mk. 29 Pf. Vergleichung der Einnahme und Ausgabe. 2183 Mk. 29 Pf. 2183 . 29 . - Mk. - Pf. Vergleichung der Jahre 1879 und 1880. 1 8 7 9. ^.Einnahme. 1 8 8 0. 91 Mk. 23 Pf. Cap. I. Capitalnutzungen Cap. I. 92 Mk. 89 Pf. 2 . — . . II. Freiwillige Beiträge . II. — , — , 150 . — « - in. Besitzveränderungsabgaben . IN. 100 - - - 685 . — . . IV. Abg. bei Abh. von Vergnügen . IV. 645 . — - 65 - 30 . . V. JnSgemein - V. 385 - 30 - 1888 « 17 - Fehlbedarf 960 - 10 > 2881 Mk. 79 Pf. Summa Einnahme Summa 2183 Mk. 29 Pf. 1 8 7 9. U. A u s g a b e. 1 8 8 0. 90 Mk. — Pf. Cap. I. Besoldungen Cap. I. 90Mk. — Pf. 2307 - 20 - - II. Almosen und Verpflegsbeiträge - II. 1639 - 25 - 484 . 50 - -III. JnSgemein - III. 404 - 04 - 2881 Mk. 70 Pf. Summa Ausgabe Summa 2183 Mk. 29 Pf. (Fortsetzung folgt.)