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Vereine jetzt angefangen, während des Sommers größere Güter sich anzusehen, um dort eine rationelle Bewirthschaftung kennen zu lernen. Der landwirthschaftliche Verein für das obere Vogtland hat gestern seinen ersten diesjährigen Ausflug nach Schönberg, dem südlichst gelegenen Orte Sachsens, unternommen. Herr Kammerherr Freiherr von Reitzenstein, der Vorsitzende des genannten Vereins, hat auf seinem dortigen Nittergute mancherlei Verbesserungen, welche durch die Wissenschaft als für die Landwirthschaft heilsam anerkannt worden find, eingeführt, und die Mitglieder des Vereins sollten sich ein Urtheil darüber bilden. Zuerst wurden die Fluren durchwandert. Früher waren dieselben wenig nutzbringend; jetzt sind sie aber durch Drainagen und andere Vorrichtungen so weit gebracht, daß sie ganz schöne Ernten geben. Besonders interessant ist die Viehzucht daselbst. Jedes Rind hat über seinem Stande eine Tafel, auf welcher Name und Alter angegeben ist, hängen. Ueber die Fütterung und den Milchertrag werden ganz sorgfältige Tabellen geführt, und es kann daher am Ende des Jahres leicht berechnet werden, wieviel Nutzen z. B. eine Kuh gebracht hat. Es wird nur die reine vogtländische Race gezüchtet; aber durch die Sorgfalt, mit welcher alle Momente beobachtet werden, ist ein sehr kräftiger und selbst im Vogtlands nur vereinzelt vorkommender Schlag erzielt worden. Kühe von 13 und mehr Centnern sind nichts Seltenes. In der Gegend von Zwickau giebt as allerdings mehrere derartige Musterwirthschaften aber die Züchtung des rein vogtländischen Viehes wird dort seltener vorkommen. Eine gute 7—8jährige vogtländische Kuh liefert bei einmaligem Kalben gegen 2,500 Liter Milch. Das ist nichts Be sonderes, weil die Oldenburger Race noch mehr Milchertrag gewährt, aber in hiesiger Gegend ist dieses Resultat als gut anzusehen. Hainichen. Nachdem hier die Masernepidemie unter den Schul kindern im stetigen Abnehmen hegriffen und die Mehrzahl der er krankten Kinder wieder genesen ist, wurde der Schulunterricht wiederum in sämmtlichen Classen der Bürgerschulen ausgenommen. Königstein. Vor Kurzem kamen mehrere junge Leute, nachdem sie vorher gegen das Wild sog. Schreckschüsse abgegeben hatten, in die Schinke'sche Bretschneidemühle in Cunnersdorf. Beim Abfeuern eines weiteren Schusses wurde der 15 Jahre alte Sohn des Guts besitzers Kopprasch von einem gewissen Strohbach, dem beim Laden eines Terzerols das Zündhütchen explodirt war, tödtlich getroffen. Strohbach wurde sofort in Haft genommen. Kötzschenbroda. Von hier kam letzthin bei dem dortigen Amts gerichte eine Denunciation ein, daß von dem zur Zeit sich in der Umgegend von Nossen aufhaltenden Spitzenhändler Krauß aus Böhmen und seiner mit ihm umherziehenden Concubine Julie Sandig ein von letzterer in Kötzschenbroda geborenes Kind getödtet und auf Morbacher Flur vergraben sein sollte. Infolge der sofort angestellten polizeilichen Recherchen gaben die beiden Angeschuldigten an, das Kind sei in einem Alter von 4 Wochen gestorben und sie hätten es zur Vermeidung der Beerdigungskosten gegenüber den Kirschhäusern in Marbach eingegraben. Am Mittwoch fanden im Beisein des Vaters Nachgrabungen an der bezeichneten Stelle statt, jedoch wurde die Leiche nicht gefunden. Am Sonnabend wurde dort abermals im Beisein der, Mutter und zwar weiter als vorher nachgegraben und nun fand man das Gesuchte wirklich. Nach der Feststellung des ärztlichen Untersuchungsbefundes der zu diesem Zwecke hierher geschafften Kindesleiche änderte sich jedoch die Aussage des Vaters und er gestand ein, das Kind vor 3 Wochen durch Erdrosselung mit einem Bindfaden getödtet zu haben. Seine Concubine habe an der That selbst keinen Antheil genommen, aber diese auch nicht ge hindert und sei also Mitwisserin derselben gewesen. Beide Verbrecher befinden sich in Dresden in Haft und wird ihr Proceß von dem kgl. Landgerichte in Freiberg geführt werden. Wermsdorf. In der Anstalt Hubertsburg erhängte sich der als willensschwach und geistig beschrenkte bekannte Hospitalit, ehe mals Anstaltsaufseher, Aug. Fischer. — An demselben Tage starb der 70 Jahre zählende Handarbeiter Kirsten, welcher tags vorher in Wendisck-Luppa, von einem am Chausseehause haltenden Leiter wagen, der zu früh von den davorgespanuten Pferden angezogen wurde, überfahren worden war. Der Wagen ging K. über die Brust. Jena, 10. Mai. Heute sind wir in der Lage, die erfreuliche Mittheilung machen zu können, daß Herr Professor Vr. Häckel in zuvorkommenster Weise die Zusage gegeben hat, die bevorstehende Fischerei-Ausstellung des Thüringer Fischerei-Vereins mit den in teressantesten Exemplaren seiner reichhaltigen Sammlung von Meeres bewohnern zu beschicken. Hierdurch gewinnt die Ausstellung eine hochwichtige Ergänzung; denn außer den schönen Collectionen von lebenden Fischen, Fischconserven, Brutapparaten, Geräthen zum Fischerei-Betriebe und Fange bieten sich dem Auge die Vertreter der verschiedenartigsten, wie auch seltensten Menschen Organismen des Oceans systematisch geordnet rind von den Seeschwämmen, Ko rallen, Ouallen, Seesternen, Seeigeln, Seekrebsen, Muscheln, Tinten fischen, bis zu den eigentlichen Fischen der niederen und höheren Ordnungen. Dieser wichtige Theil der Ausstellung bietet Gelegenheit, sich mit den so verschiedenartig geformten und organisirten Seethieren aus den verschiedensten Meeren unseres Planeten vom Lanzettfisch Amphioxus bis" zu den Knorpel- und Knochenfischen bekannt zu machen, von denen die Bewohner des Binnenlandes meist nur durch Abbildungen etwas Kenntniß haben. Die Trompete als Lebensretterin. Eine Episode aus den Kriegen in Algier. Da saß er, der alte Ramond, in seinem braunfarbigen Uniforms rock als Flurwächter, ein ganz neues Halstuch nachlässig um den Hals geschlungen, vor der Thür seines Häuschens, das ein dichter Feigenbaum beschattete, und stopfte seine Pfeife, indeß er gedanken los mit den Augen das Gesumme der Bienen zu verfolgen schien, die ab und zu an den Blumen sich niederließen und davonfliegen, um andern wieder Platz zu machen. Ah! Vater Ramond, rief ich von Weitem, als ich ihn erblickte, was ist denn das heute? Ihr seid ja so schön wie ein Heiliger, geht's etwa in die Stadt? O nein, Herr Maire, antwortete er, indem er aufstand und mir entgegen ging, in der Stadt habe ich nichts zu thun. Aber sehen Sie, das sind ganz besondere Ursachen, daß ich den heutigen Tag seit zwanzig Jahren immer als einen Festtag gehalten habe. Und wenn ich von Ihnen zwei Goldstücke bekäme, heute — heute ging's nicht. Sie dürfen nicht deswegen zanken, Herr Maire, Sie wissen ja, daß ich sonst immer meinen Dienst pflichtgetreu versehe. — O ja, mein Alter, das weis ich und ich zanke gewiß nicht, aber Ihr macht mich neugierig. Herr Maire, das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen da er zählen müßte, und Sie hätten doch wenig Interesse für sie! Erzählt nur immer, ich werde Euch recht aufmerksam zuhören. Sie wollen, nun, so ihn' ich's. Er stand auf, holte einen Stuhl für mich, legte die Pfeife neben sich, und setzte sich wieder auf seine Schwelle. Es mar im Jahre 1848 in Algier. Ich war soeben erster Trompeter im zweiten Zuaven-Regiment geworden. Wenn die, welche mich damals kannten, heute den Ramond sehen würden, ich weis nicht, ob sie glaubten, es sei derselbe. Damals freilich war ich ein wahrer Schakal, der Verwegenste von Allen, und ich hätte den aus gelacht, der mir prophezeit- >y müßte in der Haut eines Flurwächters meine Tage beschließen. So um die Mitte des Jahres war es, da erhob sich ein Aus stand, viel gefährlicher als der, von dein jüngst die Zeitungen so viel Lärm gemacht haben. Tausende von Aufständischen zeigten sich in allen Winkeln der Colouie und vereinigten sich in den Bergen unter denr Rufe: „Tod den Christen!" Die Schmierigkeiten unsererseits waren groß, denn wir hatten mit einem Feind zu Mm, der das Land genau kannte, uns nur Nachts und plötzlich überfiel und mit dem wir uns also, von Anfang her, nicht messen konnten. Mein Regiment erhielt Ordre, die Kolonne zu verstärken, die die fanatischen Anhänger des Scheriff im Zaume halten sollte. Schon waren mehrere Wochen vergangen, ohne daß wir einen Feind erblickten, oder er uns beunruhigte. Ich gehörte zu der Kompagnie, welche die Avantgarde bildete. Da, an einem Morgen, gerade vor Tagesanbruch, stürzten plötzlich 3—400 Beduinen, wie aus der Erde gestampft, auf uns zu. Ein kurzer verzweifelter Kampf entstand und fast alle Unsrigen fielen. Nur sechs Mann waren wie durch ein Wunder dein Blutbade entrounen, und ich hatte das Ver gnügen, auch meine Wenigkeit darunter zu zählen. Wir wurden natürlich entwaffnet, und dann schleppten sie uns mit gebundenen Händen nach Selka, dem Goum des Scherifs. Sie können sich denken, daß wir uns wenig Illusionen über das Loos machten, das unser wartete. Kaum im Lager angekommen, wurden wir auch sogleich in eil', großes Zelt gebracht, in dessen Hintergründe Kadour auf einem rothen Kissen saß, ganz in einen weißen Burnus gehüllt. Er war umgeben von seinen Frauen und mehreren Häupt lingen, und aus seinen Augen leuchtete wilde Freude. Der Löwe des Gebirges, wie man ihn nannte, betrachtete uns eine Zeit lang mit unheimlichem Lächeln, und dann, gleich als fürchtete er, von uns verstanden zu werden, sprach er leise einige Worte zu einem großen schwarzen Teufel, der neben ihm steif wie eine Statue stand. Da drehte sich dieser rasch um, zog seinen 4)atagau, und mit einein einzigen Hieb rollte der Kopf des jüngsten unserer Unglücksgeführten zu unseren Füßen. In Gottes Namen, sagte ich zu mir, Tonis, deine letzte Stunde ist gekommen, stirb doch wenigstens wie ein Soldat. Und fast gegen meinen Willen murmelte ich ein kurzes Gebet, das ich schon längst glaubte vergessen zu haben, ich dachte an meine Mutter und meine Braut, die dort iu der Ferne die Stunden meiner Heimkehr zählten — mit Anfang Winter war ja meine Zeit aus. Plötzlich machte mir der Scherif ein Zeichen näher zu treten. Die Trompete, die ich noch kreuz über dein Rücken trug, erregte seine Aufmerksamkeit im höchstem Grade. Er nahm sie mir ab, be trachtete sie lange Zeit, brachte sie endlich an den Mund und blies in das Mundstück, aber so ungeschickt, daß sie gar keinen Ton gab. Im Zelte hörte man nichts, als das Wedeln der Fächer, welche die Frauen in Händen hatten. Kadour versuchte noch immer die Trom pete, doch stets vergebens. Seine Geduld war zu Ende, er erhob die Stirne und gab mir durch Zeichen zu verstehen, daß er wissen wolle,