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Anzeiger für 5. Jahrg. Dienstag, den 27. April I88V. 50 Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Pf. prLsnumvranäo. Zwönitz und Umgegend Organ für den Stabtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. Tagesgeschichte. Deutschland. In der „Nordd. Allg. Ztg." wird der schon seit längerer Zeit angekündigte Gesetzentwurf über die Wehrsteuer veröffentlicht. Der Steuer sollen unterworfen sein Wehrpflichtige, welche vom Dienst in Heer und Marine ausgeschlossen oder ausge mustert sind; der Ersatzreserve 1. und 2. Klasse oder der 2. Klasse der Seewehr überwiesen wurden; oder aber vor erfüllter Dienstpflicht aus dem Heere ausscheiden. Die Steuer beträgt 4 M. pro Jahr «lebst sich einem steigernden Zuschläge für diejenigen, deren Einkommen mehr als 1000 M. beträgt. — Es soll ein Gesetzentwurf für die Nachsession des preußischen Landtages verbreitet werden, welcher der Regierung die discretionäre Vollmacht zu einer milderen Anwendung der Maigesetze gewährt, falls in der Zwischenzeit Seitens der Bischöfe die Allzeigepflicht wirklich erfüllt ivird. — Wie in Württemberg, so beschäftigt man sich auch in Baiern mit Verfassungsänderungs - Re formen, speciell mit Aenderung der Mitgliederzahl der zweiten Kammer. Letztere besteht in Baiern aus 156 Mitgliedern. Regierungseits er strebt man eine Vermehrung derselben um 4 bis 6, und zwar zu gunsten der Städte, vielleicht in der Hoffnung, dadurch die klerikale Mehrheit zu beseitigen. Mit besseren Gründen proponirt der „Nürnb. Corr." eine Verminderung der Sitze um 10 bis 12. Nadicalerseits meint man endlich, 100 Abgeordnete genügten, in welchem Falle allerdings noch immer auf 50,000 Seelen ein Abgeordneter käme. An die Verwirklichung derartiger Neformvorschläge ist indeß bei der jetzigen Zusammensetzung der Kammer der baierischen Abgeordneteil nicht zu denken. — Die Session des Reichstages soll in Folge der neuen Vor lagen wahrscheinlich bis zum 27. Alai dauern. Frankreich. Die Kammerferien sind beendet. Gleich bei Neueröffnung der Sitzungen mußten sowohl Grevy wie auch Gam betta bittere Pillen verschlucken. In der Deputirtenkammer kam es zu harten Ausfällen gegen die Verwaltung Algeriens, dessen Gouver neur bekanntlich der Bruder des Präsidenten, Albert Grevy, ist. Die Kammer nahm zivar nach längerer Debatte ein Vertrauensvotum sür die Regierung und in gewissem Sinne auch für den Civilgouverneur an, indessen kann der ganze Vorgang sür den Präsidenten Grevy nur peinlich sein, zumal sich die Rechte in ostensibler Weise der Ab stimmung enthielt und ihre Presse aus dem Falle Kapital schlagen wird. Gambetta's Schmerz ist, daß Martel von der Präsidentur des Senates zurückzutreten beabsichtigt und durch Jules Simon, Gambetta's „intimsten Feind", ersetzt werden soll. — Graf Chambord sucht eine Anleihe von zwanzig Millionen. Da sich nun auch der Graf von Paris derzeit bei ihm befindet, so kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß mit diesen zwanzig Millionen ein legitimistisch- orleanistischer Feldzug gegen die französische Republik gerüstet werden soll — außer der „Roy" brauchte er das Geld blos für sich selbst. Russland. Das Befinden des Fürsten Gortschakoff ist unver ändert. Der Kranke leidet an Schlaflosigkeit, sein Appetit ist mäßig. In« Uebrigen sind — wie es im letzten Bulletin heißt — Krankhcits- erscheinungen nicht wahrnehmbar. — Das Moskauer Militärgericht verhandelte gegen 6 Angeklagte wegen politischer Vergehen. Drei derselben wurden der Theilnahme an einer geheimen Gesellschaft und der Verbreitung verbotener Schriften für schuldig erkannt und zu Zwangsarbeitstrafcn von acht, resp. sechs und vier Jahren vcrurtheilt, gegen zwei derselben wurde wegen Verbreitung verbotener Schriften auf nur zwei-, resp. dreimonatige Haft erkannt. Einer der Ange klagten wurde behufs Ermittelung seiner Zurechnungsfähigkeit einer Anstalt für Geisteskranke überwiesen. Neueste Nachrichten. Vreslau, 25. April. Der „Bresl. Z." zufolge explodirte gestern auf der Königsgrube in Königshütte ein Dampfrohr, wobei 6 Personen getödtet und 7 andere verwundet wurden. Bukarest, 25. April. Eine Feuersbrunst zerstörte gestern über 300 Häuser in Fokschani. Die Regierung erließ einen Unter stützungsaufruf. Monaco, 25. April. Gesten: Abend explodirte im große«: Saale des Kasinos eine «nit Pulver :md Dynamit gefüllte Patrone^ welche voi: Seiten eines Verbrechers unter die Pendeluhr gelegt worden war. Zahlreiche Beschädigungen käme«: vor und mehrere Personen wurden leicht verwundet. Das Motiv des Verbrechens scheint Diebstahl zu sein. Durch die Achtsamkeit des Dienstpersonals konnte kein Diebstahl ausgeführt werden. Uokales und Sächsisches. Zwönitz, 26. April. Anläßlich der königlichen Geburtstagsfeier hatte«: sich die priv. Schützeilgilde, das freiw. Feuermehrcorps und der Militärveteranen-Verein in den festlich geschmückten Räumen des Schützenhaufes eingefunden. Durch sinnreiche Toaste, sowie der Feier entsprechende Vorträge wurde allen Anwesenden ein gemüthlicher Abend bereitet. — Der Gewerbeverein lind der Gesangverein „Lieder tafel" hielten die Feier iin Feldschlößchen ab. Der Kriegerverein hielt eine Nachfeier, gestern Sonntag, Abends, im Vereinslokal. Zwönitz, 26. April. Der circa 31 Jahre alte Schuhmacher Otto Lungwitz von hier begab sich am vergangenen Dienstag, Vor mittag von hier nach Neustädtel, mit der Absicht seinem Leben frei willig eiil Ende zu mache«:. Ein körperliches Leide«: mag denselben lebensmüde gemacht und ihn zu diesem Schritte getrieben haben. Der genannte Lungwitz schoß sich niit einer einläufige«: Pistole in die Schläfegegend, so daß die Kugel auf der andern Seite hinaus fuhr, er wurde am Freitag Vormittag an: Filzteichrande bei Neu städtel aufgefunden und arn heutigen Tage nach Leipzig verladen. Lungwitz war gut gekleidet und hatte noch drei Zündhütchen und einen Pfennig Geld bei sich. Zwönitz, 26. April. 215 Militärpflichtige gelangte«: au: Donners tag in Stollberg aus den Ortschaftei: Mitteldorf, Niederzwönitz, Oberdorf, Oberwürschnitz und Oelsnitz zur Gestellung, vo«: denen 70 für tauglich, 50 für bedingt tauglich (sämmtlich Ersatz-Reserve I. Kl.)', 62 für zeitig untauglich (zurückgestellt) und 24 für dauernd untauglich (ausgemustert) befunden wurden. 9 Militärpflichtige fehlten. — An: Freitage gestellte«: sich 214 Militärpflichtige aus den Ort schaftei: Niederwürschnitz, Pfaffenhain, Seifersdorf, Stollberg und Zwönitz, voi: denen 48 für tauglich, 45 sür bedingt tauglich (Ersatz reserve I. Kl. 34, II. Kl. 11), 73 für zeitig untauglich und 40 für dauernd untauglich befunden wurden. 8 Militärpflichtige fehlten. Dresden, 21. April. Zwickau-Lengenfeld-Falkcnsteiner Eisen bahn-Gesellschaft in Liquidation. Die eigettthümlichen Verhältnisse der Zwickau-Lengenfeld-Falkensteiner Eisenbahn-Gesellschaft, welche die Betheiligten lange genug in nicht eben angenehmer Weise auf- regtcn und die Möglichkeit einer baldige«: Ausschüttung der Liqui dationsmasse i«: unabsehbare Ferne hinausrückten, habe«: endlich die längst ersehnte Klärung erfahren, indem durch eine soeben gefällte Entscheidung des königl. Oberlandesgerichtes die i«: der außerordent liche«: Generalversammlung am 23. Juni v. I. gefaßten Beschlüsse, somie die in derselbe«: vorgenommene Neuwahl des Aufsichtsrathes Bestätigung gefunden. Es steht demnach der endlichen Abwickelung der Liquidation nichts mehr im Wege. Nach Erledigung der schwe benden Processe und Differenzen kann alsdann die Ausschüttung der Masse erfolgen. Dresden. Ein Schwindler der schlimmsten Sorte, welcher auf die Leichtgläubigkeit des Publikums spekulirte und dabei die präch tigste«: Geschäfte machte, befindet sich seit kurzen: beim hiesigen kgl. Landgericht in Untersuchungshaft. Er heißt Krenkel und soll früher i«: der Chemnitzer Gegend als Lehrer angestellt gewesen sein. Seine