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forderlichen Reisemittel nachzuweisen im Stande ist. Dieselben sind nach der Ausstellung des Centralvereins für deutsche Auswanderungs- und Colonisationsangelegenheiten für erwachsene Personen auf 240 M. und für noch nicht 12jährige Kinder auf 186 bis 210 M. ange nommen worden. Wer also nicht durch amtliche Bescheinigung nach weisen kann, daß er die nöthigen Neisemittel besitzt, soll künftig keinen Reisepaß zur Auswanderung nach Amerika erhalten. Dresden, 12. April. Heute früh löste sich die ganze Simslänge des Hauses Nr. 39 in der Wilsdruffer Straße ab und zerquetschte vollständig einen mit Kohlenschaufeln beschäftigten Arbeiter, dessen Frau gleichfalls schwer verletzt in das Krankenhalls geschafft wurde. Das Trottoir ist total zerborsten. Dresden, 13. April. Ueber das gestern in der Wilsdruffer Straße stattgefundene Unglück wird weiter gemeldet: Ein entsetzliches Unglück ereignete sich gestern früh in der achten Stunde auf der Wilsdruffer Straße, das den Augenzeugen wohl nie aus dem Ge dächtnisse entschwinden wird. 7^ Uhr war's, da stürzte von dem vor 15 Jahren völlig umgebauten Hause Nr. 39 unter donnerndem Getöse das ganze Dachsims auf die Straße herab. Nachdem sich die dichte Staubwolke, welche die niederprasselnden Stein- und Mörtel massen aufwirbelten, wieder verzogen hatte, bemerkte man unter den Trümmern einen halbzerschmetterten menschlichen Leichnam. Es war der eines Mannes, welcher noch wenige Secunden vorher neben einem vor dem Hause aufgefahrenen Kohlenwagen gestanden hatte. Die Identität des Erschlagenen ist noch nicht ermittelt. Auch der Kutscher des gedachten Kohlengeschirrs war leicht am Arm verwundet worden, eine mit Hereintragen der Kohlen beschäftigte Frau dagegen ward schwer am Kopfe verletzt und foll, wie ein Abend in der Stadt col- portirtes Gerücht wissen wollte, auf dem Transport nach dem Krankeil haufe ebenfalls den Geist aufgegeben haben. Ob bez. wem eine Schuld an dem Unglück beizumessen ist, wird die sofort eingeleitete Unter suchung ergeben. Die Stelle der Straße, wo sich das Ereigniß ab gespielt, mar im Laufe des gestrigen Tages mehrere Male kaum passirbar, eine so starke Menschenanhäufung fand daselbst statt. Chemnitz. Am 1. April hatte der Stand der Bevölkerung von Chemnitz die Zahl von 90,017 Einwohnern erreicht. Jin Jahre 1801 zählte dieselbe 10,825, 1861 bereits 45,532 und 1875 78,058 Einwohner; seit der letzten Volkszählung hat sich Chemnitz also um fast 12,000 Einwohner vermehrt. Borna, 9. April. Eiil entsetzliches Ui.glück hat sich gestern Abend auf der sächsisch-bairischen Bahn auf Bergisdorfer Flur ereignet. Der 42 Jahre alte Bahnwärter Carl Ernst Julins Thaleinann, dort postirt, wo die Bahn den Breunsdorf-Bergisdorfer Communications- weg durchschneidet, hat vermuthlich das Herannahen des ^11 Uhr von Altenburg kommenden Güter-Zuges zu spät erst bemerkt und noch seinen Dienst verrichten wollen. Hierbei wird er in der Eile und bei der gerade in verwichener Nacht großen Dunkelheit dem heranbrausenden Zuge zu nahe gekommen sein, so daß er von dem selben erfaßt, überfahren und getödtet worden. Der Unglückliche, dem der Kopf und der linke Fuß zerdrückt morden, hinterläßt eine Frau und 6 noch unerzogene Kinder. Waldenburg. Wie verlautet, feiert kommenden 21. Juli das regierende Fürsie'npüar seine silberne Hochzeit. Mit diesem Jubiläum soll gleichzeitig die Hochzeit des Erbprinzen Georg Victor begangen werden. Frankenberg. Seit dem 6. d. M. wird der hiesige Schiefer- deckermeistcr Zschockelt vermißt und liegt die Vermuthung nahe, daß ihm ein Unglück zugestoßen ist. Planen. Der „V. Anz." kann die erfreuliche Thatsache con- statiren, daß die Stickerei und das Langwaarengeschäft einen flotten Geschäftsgang angenommen haben. Wenn nur der zehnte Theil der Langmaaren, welche hier zur Appretur, Verarbeitung und zum Ver sandt gelangen, auf Hand stichle» hergestcllt würden, so Hütten die Handweber gewiß alle vollauf zu thun. Mit kaum nennensmerthen Ausnahmen sind diese Langmaaren mechanisches Fabrikat und zwar sind es, was feine Mulls anlangt, in der Hauptsache solche aus dem Elsaß. Wenn dieser Geschäftsgang längere Zeit anhalten sollte, so dürften, was die Stickerei betrifft, wohl auch die Sticklöhne besser werden lind cs könnten insbesondere auch wieder feine Muster aus geführt werden. Eibenstock. Am Freitag in den Mitternachtsstunden wurden die Bewohner der Stadt durch Feuerlärm aus dem Schlafe erweckt. Es brannte in dem erst vor einigen Jahren erbauten Wohnhause des Zimmermeisters Keiling an der Schönheider Chaussee. Hülfe war bald zur Hand, so daß sich der Brand, welcher in dem im Halise mit eingebalcken Pferdestall entstanden war, zumeist auf diesen und das Parterre des Halises beschränkte. Marbach bei Schelleilberg. Am vergangenen Sonnabend wurde beim Lehmgraben der Arbeiter Märker von einer herabstürzenden Lehmmasse verschüttet und sofort getödtet. Den Verunglückten be weinen eine Wittme lind 3 noch unerzogene Kinder. Weigsdorf. Eine heitere Jagdgeschichte hat sich vor Kurzem hier zugetragen. Dem Gutspachter P. im Oberdorfe war am 2. Osterfeiertage ein Kalb entlaufen und war im nahen Walde den Augen der Verfolgenden verschwunden. Nach mehrtägigem vergeb lichen Suchen wurde die Nachforschung nach dem Verbleibe des Thieres endlich eingestellt; der Landmann hatte jede Hoffnung auf Erlangung des Wiederkäuers aufgegeben. Da, nach etwa 14 Tagen, kommt die Kunde, das Kalb „krauche noch im Busch herum", und ein neuer Feldzug wird eröffnet. Am 8. April rückten der Bauer, ein Fleischer und 14 Bleichgehilfen mit einem Fleischerhunde auf die Hetzjagd aus. Vergeblich pürschen die Bleicher den Wald hindurch, kein Kalb läßt sich sehen. Schon wollen sie die Jagd abermals miß- muthig aufgeben, da, horch! welche Töne: Wauh, wauh! und ein klägliches öööh! Mail eilt spornstreichs hinzu und richtig, der Hund hatte das Kalb gefangen. Welches Schwein! rief da der glückliche Bauer. Wolkenstein. -Der am hiesigen Bahnhofe beschäftigte Aufläder Nau ist dieser Tage in einen Wassergraben gefallen und ertrunken. Ex hinterläßt eine Frau und 4 Kinder. Kemtan, 13. April. Vorige Woche ist der hier wohnhafte Gutsbesitzer Fr. Uhlig, gegen 60 Jahre alt, auf dem Wege von hier nach Dittersdorf von einem jüngeren Manne angefallen morden. Uhlig hat sich gewehrt. Als dieselben einige Zeit lang auf dem Erd boden mit einander gekämpft hatten, entfloh der Angreifende, dessen Person dem Uhlig gänzlich unbekannt war, vor herannahenden Leuten. Ein weiblicher Vampyr. Roman von LH. Seuberlich. (Fortsetzung.) „Sie gestatten, gnädige Frau, daß ich mich etwas ausruhe," sagte Berneck nach einer Weile in ruhigem Tone. „Ich habe heute einen ziemlich weiten Weg zurückgelegt, der mich mehr ermüdete, als ich es vorausgesetzt hatte. Sie gestatten doch?" Er nahm bei diesen Worten bequem in einem Sessel Platz. „In Ihrer liebenswürdigen Gesellschaft wird dieses behagliche Ausruhen doppelt angenehm." Blanka nickte, ohne aufzusehen, kaum mit dem Kopfe. Ihr Zorn kannte keine Grenzen und nur mit Gewalt bezwang sie sich. Sie nahm sich vor, ihrer Dienerschaft auf das Strengste einzuschärfen, den Nath in der Folge stets abzuweisen. Für beute mußte sie seine Gegenwart zu ertragen suchen, so gut es eben ging. Sie nahm eine womöglich noch bequemere Stellung ein und vertiefte sich an scheinend in ihre Lektüre. Berneck rieb sich die Hände. „Nur wenige Minuten und die Scene wird sich sehr ändern," dachte er, während ein höhnisches Lächeln seinen Mund umspielte. „Sie lieben die Lektüre, gnädige Frau?" sprach er nach kurzer Pause. „Das freut mich sehr. Eine passend gewählte Lektüre bietet eine sehr angenehme Zerstreuung; sie regt Herz und Geist zugleich an. Immerhin aber ist es fesselnder, eine spannende Erzählung aus beredtem Munde zu hören, als sie von dem Papier abzulesen. Sind Sie nicht auch dieser Ansicht, verehrte Frau?" Blanka's Geduld begann sich allmälig zu erschöpfen. Sie machte geräuschvoll das Buch zu, richtete sich empor und versetzte mit Schärfe: „So lange aber kein „beredter Mund" da ist, welcher Ge schichten zu erzählen oder überhaupt angenehm zu unterhalten ver steht, muß man wohl oder übel sich solcher Hülfsmittel bedienen." „Wenn ich Ihnen nun dieses Fehlende ersetzen könnte?" fragte der Hofrath. „Mir ist eine recht interessante Erzählung im Gedächt- niß, welche wohl der Mittheilung werth ist und namentlich für Sie manches Anziehende haben dürfte." Blanka wehrte ungestüm mit beiden Händen ab. „Ihre Zeit ist zu kostbar, als daß Sie sie damit ausfüllen sollten, mir über eine müssige Stunde Hinwegzuhelsen!" „O, gnädige Frau, die Zeit Ihnen gemidmet, ist keineswegs eine verlorene. Lassen Sie mich also erzählen, — es wird Sie sehr interessiren." Blanka sah ein, daß jede Gegenrede vergebens sei und lehnte sich unmutbig in den Divan zurück, während der Nath in erzäh lendem Tone begann: „Vor wenigen Jahren lebte in einer kleinen, ferneren Provin zialstadt ein sehr geschätzter und höchst ehrenhafter Steuerbeamler. Er besaß eine zahlreiche Familie, zu deren Pflege und Ueberwachung er sich, trotz seines nicht weniger als glänzenden Gehalts, genöthigt sah, zur Stütze seiner stets kränklichen Frau, ein junges Mädchen, ich will sie Bertha nennen, in sein Haus aufzunehmen. Die Wahl war auf eine Waise gefallen. Dieselbe war ein gewandtes und in telligentes, dabei aber ein selbstsüchtiges Geschöpf, welches alsbald mit einem jungen Kaufmann ein Liebcsverhültniß ankuüpfte. Bertha hatte denselben durch ihren Bruder kennen gelernt, da beide junge Männer sich in einein Geschäfte befanden. Man ward bald inne, daß man mit der Wahl der jungen Waise einen Mißgriff gethan habe, denn sie versah ihre Obliegenheiten so nachlässig und war dabei so hochmüthig und herrisch, daß sie ihrer sonst so nachsichtigen und gütigen Herrin zu ernsten Rügen Veranlassung gab. „Man würde sich genöthigt sehen, sie zu entlassen, wenn sie sich nicht bessere," sagte man ihr wiederholt.