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Uokales und Sächsisches. Leipzig. Der Zufluß der fremde» Ein- und Verkäufer ist auf dieser Messe ein so gewaltiger, wie lange nicht dagewesen. Am letzten Sonntag, sowie am Montag — bei einigen Bahnen auch der Sonnabend mit inbegriffen — sind auf der Dresdner Staatsbahn ca. 12,500 Personen, auf der Magdeburger Bahn ca. 12,000, auf der Thüringer Bahn 11,300, auf der Berlin-Anhalter Bahn ca. 8000 und auf der Bayerischen Staatsbahn ca. 5400 angekonmen. Auf letzterer Bahn ist nur die Freqenz vom Sonntage bekannt. In Summa sonach 49,200 Personen. Rechnet man noch die Frequenz der Halle-Sorau-Gubener Bahn hinzu, so kommen weit über 50,000 Personen heraus, die an den genannten Tagen hier eingetroffen sind. Die meisten Ladeneinkäufer, namentlich Schuhmacher, sind bereits wieder abgereist und ist mit dem gestrigen Tage die Ledermeffe als ziemlich beendigt zu betrachten. Die Ledergeschäfte sind als sehr gut zu bezichnen, obgleich der Hauptverkehr erst am Montag Mittag begann, weil Vormittags die Preisforderungen sehr hohe waren und des Negenwetters wegen, wo das Leder anzieht und schwerer wird, der Einkauf stockte. Besonders ist noch hervorzuhebcn, daß am Sonn tag Vormittag nach der Ankunft eines Zuges auf der Berlin-Anhalter Bahn 110 Droschken, bei einem anderen 80 und bei einem dritten 90 Droschken besetzt wurden, welche für diesen Massenverkehr aber noch lange nicht ausreichten. Außerdem war eine Anzahl Ommibuffe besetzt. Chemnitz. In einem Dorfe bei Chemnitz ereignete sich dieser Tage ein drolliger Vorfall. Das dortige Gemeindearmenhaus be wohnten u. A. zwei alte Männer, die gern einen „Schnappus" zu sich nahmen. Plötzlich stirbt der eine davon, ohne daß er vorher besonders krank gewesen. Seitens des Gemeindeverwalters werden die Vorbereitungen zum Begräbniß getroffen. Die Leichenfrau tritt ein und wird von den übrigen Bewohnern die Treppe hinaufgewiesen, wo der Todte in der Kammer liege. Kaum hatte das Neinigungs- werk begonnen, kaum hatte der erste kalte Wassertropfen die Stirn des Todten benetzt, als dieser sich erhob und sie mit großen Augen ansah. Die Frau war starr vor Schreck, dann fing sie an zu schreien und als der Todte gar aufstand, ergriff sie entsetzt die Flucht. Der Mann lief ihr fluchend und schimpfend im bloßen Hemde nach. Schließ lich klärte sich der Jrrthum auf. Der Todte lag in einer Neben kammer. Der Wiederauferstandene war seinüberlebender College, der eben einen Rausch ausgeschlafen hatte. Die Frau ist leider vor Schreck krank geworden, doch zum Glück nicht bedenklich, da sie bereits wieder ihrem Geschäft nachgehen kann. Freiberg. In dem Genossenschaftsregister für den Amtsgerichts bezirk Nossen, die Firma: Begräbnißunterftützungs-Verein zu Sieben- lehn betr., ist verlautbart worden, daß der Schmiedemeister und Haus besitzer Herr Carl Gotthelf Naupert in Siebenlehn, als Vorsteher, Herr Friedrich Volkmar Göllnitz daselbst, als dessen Stellvertreter, und Herr Organist Carl August Lorenz ebendaselbst, als Cassirer, die legitimirten Vertreter des Directoriums sind. Waldheim. Vor einigen Monaten machte die Nachricht die Runde durch die sächsischen Blätter, daß hier ein Lehrer verhaftet worden sei, der sich in seine Stellung durch falsche Zeugnisse eingeschmuggelt habe. Am 23. gelangte dieser Fall vor dem Chemnitzer Schwurgericht zur Verhandlung. Der Angeklagte war der 22jährige Lehrer Carl Emil Rothe aus Pönitz. Aus dem Seminar zu Weißenfels mit einem ungenügenden Zeugnisse entlassen, entwendete er seinem Vetter, dem Lehrer in Steinbach, ein Abiturientenzeugniß, radirte den darauf befindlichen Namen August Petzold weg und setzte dafür seinen Namen Emil Rothe hin. Mittelst dieses gefälschten Abiturientenzeugnisses erhielt er eine Stellung in Köthen. Als dort die Fälschung entdeckt, ihm das Abiturientenzeugniß abgenommen nnd er in der Folge ent lassen worden war, fertigte er mit Zuhilfenahme gefälschter Formu lare und Petschafte sich andere Abiturientenzeugnisse an und erlangte auf diese Weise Lehrerstellen in Liegnitz, Dessau, Leipzig, Bülitz und Waldheim. In letztgenannter Stadt wurde der Schwindel entdeckt und der Fälscher verhaftet. Wegen einfachen Diebstahls und schwerer Urkundenfälschung wurde der Angeklagte mildernder Umstände zu 2 Jahrn, 6 Monaten, 3 Wochen Gefängniß und 3 Jahren Ehrenver lust verurtheilt. Mhlau. Am Vormittag des 4. d. M. hat am südlichen Abhange des Schloßberges zu Mylau ein abermaliger Bergrutsch stattgefunden. ! Dadurch wurde ein Theil der Futtermauer, die infolge des vmjähigen Erdrutsches der Weber Geßner hinter seinem Hausgrundstück hatte aufführen lassen, eingedrückt. Der Schaden, welcher durch dieses Er- eigniß dem Genannten wieder zugefügt wird, ist noch gar nicht be rechenbar, weil die Gefahr vorhanden, daß mit jedem Augenblicke die Katastrophe in noch umfänglicherer Weise sich wiederholen kann. Oelsttitz bei Lichtenstein, 8. April. Der Bergarbeiter Louis Werner, welcher in letzterer Zeit mit seiner Frau in Unfrieden lebte, hat dieselbe heute früh 5^ Uhr in seiner Wohnung mittelst eines Revolvers erschossen. Bis jetzt ist blos ein ^chuß am linken Backen sichtbar, doch dürfte die gerichtliche Aufhebung und Untersuchung der Todten noch an mehreren Stellen Verletzungen ergeben. Der Thä- ter ist heute Vormittag in Zwickau in einem Gasthofe verhaftet wor den lind der That geständig. Als Motiv seiner That soll er Eifer sucht bezeichnet haben. Ein weiblicher Vampyr. Roman von Th. Seuberlich. (Fortsetzung.) So geben Sie mir mein Wort nicht zurück? fragte er wie entsetzt. Blanka fühlte sich plötzlich wie von einem Schwindel befallen. Sollte sie deßhalb gerungen lind gekämpft haben, um jetzt dicht vor deui ersehnten Ziele umkehren müssen? Nein, nein! Das durfte um keinen Preis geschehen und sollte sie alles darum auf's Spiel setzen, —- sie wollte dennoch den Sieg erringen. Sinnlos vor Schmerz warf sie sich dem Geliebten zu Füßen und umfaßte seine Knie. „Vergieb nur! Nicht eher erhebe ich mich, bis Du mir verziehen hast und bis Du wieder versöhnt bist!" „Lassen sie derartige Exaltationen; bitte, stehen Sie auf!" Die junge Frau gehorchte mechanisch. Plötzlich stieg Virginiens Bild vor ihrem geistigen Auge auf. Würde er gegen sie so unver söhnlich sein? Ein Gefühl der brennendsten Eifersucht wallte heiß in ihrer Brust auf. Sie glaubte die klaren Kinderaugen des verhaßten jungen Mädchens triumphirend und spöttisch auf sich ruhen zu sehen und wie ein Blitz schoß es durch ihr fieberndes Gehirn, daß Alles nur ein abgekartetes Spiel und Virginie nur die Triebfeder von Waldow's Thun sei. Ja, ja, es unterlag keinen: Zweifel, er mar aufgereizt worden und nun sollte sie wie eine unbequeme Last abge schüttelt werden, damit er dann ihr, der Verhaßten .... Sie ver mochte dei: Gedanken nicht auszudenken. Immer tiefer krallten sich die Furien der Eifersucht in ihr Herz. Jeden Funken weiblichen Zartgefühls abstreifend und nur den Besitz Waldow's als ein einziges Ziel im Auge habend, war sie nunmehr fest entschlossen, keinen Schritt breit von ihrem guten Rechte, wie sie es nannte, zu weichen, daher versetzte sie auf Waldow's noch-' maliger Frage mit trotziger Bestimmtheit: „Ich kam: Sie Ihres Versprechens nicht entbinden. Wir ge hören zusammen für alle Zeiten." Todtenblässe bedeckte Waldow's Gesicht. Taumelnd trat er einen Schritt zurück. Blanka beeilte sich, den so sichtlich tiefen Eindruck ihrer Worte durch Zärtlichkeit und durch das Hindeuten auf eine sichere höchst friedliche und angenehme Zukunft zu verwischen. Er aber hörte nichts davon. Es schien ihm, als blicke er in einen tie fen, schwarzen Abgrund, der ihn unrettbar zu verschlingen drohte. Gerade in einer Stunde, in welcher sich der ganze Charakter dieses dämonischen Weibes enthüllte, ward es ihm klar, daß er für fein ganzes Leben an dasselbe gefesselt sei und das keine menschliche Macht ihn von dieser Fessel befreien könne, — er müßte dann sein Ehren wort brechen. Dies aber war ihn: heilig. „Es fei!" sagte er dumpf und schwer nach einer Pause schmerz lichen Grübelns, während er sich stolz in die Höhe richtete. „Be denken Sie aber Hinfort das Eine, daß diese Stunde, die unsern Bund vor den Augen der Welt unauflöslich kettet, unsere Herzen für immer trennt. Erwarten Sie kein Glück an meiner Seite, denn wenn ich auch als Ihr Gemahl meine Pflichten gegen Sie nicht ver letzen werde, meine Liebe wird Ihnen nie zu Theil werden." Ein kurzer Gruß, ein stolzes, kaum bemerkliches Neigen des Hauptes und er verließ das Zimmer. Die junge Frau stand lange starr und unbeweglich wie eine Bildsäule. Die harten Worte hatten sie wie mit Keulenschlügen ge troffen. Eine plötzliche Umwälzung fand in ihr statt; es gührte und kochte ii: ihrer Brust, alle Pulse klopften fieberhaft. Die Külte und die Verachtung Waldow's verwandelten plötzlich ihre heiße Liebe zu ihm in wilden Haß. Wie die glühende Lava alles Leben, so er stickte dieses Gefühl alle besseren und edleren Regungen. Nur ein Gedanke, ein Wunsch beseelte sie noch, — ihn, der sie so tief belei digt, vor den sie sich vergebens gedchmüthigt und der sie ivie eine Verbrecherin behandelt hatte, — so unglückstch als möglich zu machen und ihm das Leben zu verbittern, wo sie nur konnte. „Keine Macht der Erde soll nur das Opfer meiner Rache ent reißen!" rief sie. „Ehe ich zngebe, daß er Virginie die Seine nennt, werde ich ihn und sie vernichten und wäre es um den Preis meines eigenen Lebens!" 14. Kapitel. Man hatte auf das Strengste jeden Besuch abgewiesen und ebenso streng war jedes Geräusch in: Hellmannschen Hause verpönt, dein: die Herrin desselben war seit einigen Tagen unwohl. Es hatte sich ihrer eine nervöse Erschlaffung beinächtigt, die dringend Ruhe und Stille forderte. Heute fühlte sie sich aber bei Weiten: wohler. Sie hatte ihr Lager verlassen und Toilette gemacht. Die seidenen Gardinen, welche tagelang ein düsteres Dämmerlicht verbreitet hatten, wurden zurück gezogen. Voll fluthete das Helle Sonnenlicht herein. Lisette schob Blanka einen Sessel an das Fenster, das diese, trotz der niedrigen Temperatur zu öffnen befahl. Mit wohlbehagen sog die junge Frau die frische Lust eiu; ihre Wangen rötheten sich und die Augen blitzten voll Lebenslnst. Vian