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könne Rußland durch die schwere innere Krisis zu einer Diversion nach Außen gedrängt werden, und als Vorbote, daß diese Erkennt- niß erfolgreich verfochten und zur Geltung gebracht worden ist, tritt jetzt das Gerücht von dem Rücktritte des kriegslustigen russischen Reichskanzlers entschieden in den Vordergrund. Hat der Fürst Gortschakoff den Wunsch, sich zurückzuziehen, so giebt ihm der Hart- mann'sche Fall einen guten Vorwand, seinen Herrn darauf aufmerk sam zu machen, daß das Alter ihm den sicheren Blick geraubt und diesen durch eine Schroffheit ersetzt hat, welche Rußland in Europa keinen Nutzen und nur noch Verlegenheit bereiten kann, deren Ueber- windung seinen im Dienste des Vaterlandes aufgeriebenen Kräften unmöglich sein würde. Hat Loris-Melikoff dann dem Kaiser die Ueberzeugung beigebracht, daß sein Reichs-Kanzler die Wahrheit sagt, und daß dessen Rücktritt, im Jntersse der Erhaltung des Friedens, wünschensmerth sei, so wird dem patriotischen Kanzler der patriotische Wunsch gewiß nicht versagt werden, zumal auch der Großfürst-Thron- solger vor die Alternative: entweder Gortschakoff und Krieg oder Loris-Meliff und Heilung der inneren Schäden gestellt, seine Wahl zu Gunsten des Diktators getroffen zu haben scheint. Uskales und Sächsisches. — Die 4. Klasse der 97. Landeslotterie wird am 5. und 6. April gezogen. Die Erneuerung der Loose hat bis zum 28. März zu erfolgen. Dresden. Wie verlautet, wird sich Sc. Majestät der König heute Sonnabend, den 20. d. M., zur persönlichen Beglückwünschung des Kaisers Wilhelm mittelst Extrazuges nach Berlin begeben. In der Begleitung des Monarchen befinden sich dabei der königl. General- adjutant, Generallieutenaut von Carlowitz, sowie der Flügeladjutant Oberstlieutenant von Minckwitz. Weiter erfährt man, daß auch Se. königl. Hoheit der Prinz Georg in Begleitung seines persönlichen Adjutanten, Rittmeister Edler v. d. Planitz, sowie Se. Exc. des Kriegsministcrs v. Fabrice sich zum selben Zwecke nach der Reichs- Hauptstadt begiebt. Die Rückkehr dürfte Montag, den 22. Mürz, erfolgen. Dresden. Die „Dresd. Ztg." berichtet: Ein größeres Geschäfts haus in Nio de Janeiro gab unlängst seinem Commissionär in Bir mingham den Auftrag, bei einer hiesigen Nühmaschinenfabrik, die Firma wurde speciell namhaft gemacht, eine größere Partie Näh maschinen zu bestellen. Dies geschah denn auch, und schon nach wenigen Wochen konnte die Sendung von hier nach England ver frachtet werden. Wie aber die Nähmaschinen in Liverpool ankamen und verschifft werden sollten, da legte das Zollamt sein Veto ein, und zwar weil der Fabrikant, wir wollen seinen Namen nicht nennen, ohne allen Auftrag, statt seines Namens die Firma des Birming hamer Hauses auf die Maschinen hatte malen lassen. Wir haben zum nähern Verständniß nur noch hinzuzufügen, daß fremde Waaren in England unter englischem Namen weder ein- noch durchgeführt werden dürfen; die Kritik über die Handlungsweise unseres Mit bürgers überlassen wir dem Publikum. Leipzig. Der officielle Anfang der diesjährigen Ostermesse fällt auf den 12. April und es endigt dieselbe mit dem 1. Mai. Während dieser drei Wochen können alle in- und ausländischen Handelsleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende ihre Waaren öffentlich feil bieten. Doch kann der Großhandel in der bisher üblichen Weise bereits in der zum Auspacken bestimmten Vorwoche, vom 6. April an, betrieben werden. Chemnitz, 19. März. Heute früh 2 Uhr brach in der äußeren Johannisstraße (Ecke der Zschopauerstraße), in dein Halise des Herrn Kaufmann Duderstädt, ein größeres Feuer aus. Schneeberg, 14. März. Nachdem sich in der hiesigen Lokalpresse in letzterer Zeit verschiedene Stimmen erhoben haben bezüglich der ungenügenden Bahnverbindung thalabwärts zur Mittagszeit, wird uns aus glaubhafter Quelle die erfreuliche Mittheilung, daß die so vielfach kundgegebenen Wünsche betreffs einer besseren Bahnverbind ung verwirklicht werden sollen. Vom 15. Mai d. I. ab wird sowohl von Schneeberg, als auch von Schwarzenberg ein Mittagszug (zwischen 11 und 12 Uhr Vormittags) nach Zwickau abgelassen wer den. Die jetzt coursirenden Züge erfahren keine Veränderung. Von §er gesammten Bevölkerung hiesiger Gegend wird diese Nachricht mit lebhaftester Freude ausgenommen. Auerbach. Am 12. und 13. März fanden im dangen Königl. Seminar die Aufnahmeprüfungen für diejenigen, welche sich dem Lehrerberufe widmen wollen, statt. In diesem Jahre ist der Zudrang zu diesem Examen im Vergleich zu den vorigen Jahren nicht so be deutend gewesen, etwas über 30 haben um Aufnahme in die unter sten Klassen nachgesucht. Vielfach hat die durch fast alle sächsischen Blättern laufende Notiz, als fei dem Lehrermangel längst abgcholfen und bereits Ueberfluß an Lehrkräften vorhanden, dazu beigetragen, daß man noch in letzter Stunde von einer Anmeldung absah. Plaue», 17. März. Gestern Nachmittag haben im Schlachthose zwei Fleischergcsellen für einen Restaurateur ein Schwein geschlachtet, hatten cS wahrscheinlich ungeschickt gestochen, so daß es noch nicht todt war, warfen es aber trotzdem in den mit heißem Wasser ge füllten Brühtrog, obgleich es ihnen von dem Schlachthofaufschcr energisch untersagt worden war, und schabten unter fürchterlichem Brüllen des gequälten Thieres die Borsten ab. Das Schwein soll noch circa 10 Minuten gelebt haben. Natürlich ist diese schändliche Thierquälerei zur Anzeige gekommen. Adorf, 16. März. In unserem Städtchen hat ein Fleischer ein trichinenhaltiges Schwein geschlachtet, durch dessen Genuß eine Anzahl Menschen hier und in der Umgegend erkrankt sind. Diese traurige Thatsache ist um so betrübender, als die Fleischerinnung erst vor 14 Tagen beschlossen hat, 10 Pf. für ein Pfund Schweinefleisch mehr zu fordern. Es wäre unter solchen Verhältnissen wohl nicht zu viel verlangt, wenn man wünschte, daß die geschlachteten Schweine auf Trichinen untersucht würden. — Heute Nachmittag wurde ein Manu aus Reuth bei Elster ins hiesige Gerichtsgefängniß eingeliefcrt. Der selbe hatte in einem nahen Walde einen Mann ans Elster mit der Axt in das Genick geschlagen und ihm sein Geld abgefordert. Auf dessen Hilferuf kamen zwei Weber dazu, die de» Angreifer fcsthielteu und ihn dann unter Beihilfe anderer Männer hierher transportirten. Zittau, 17. Mürz. Hente fand die Verhandlung wegen Zwei kampfes zwischen Regierungsrath Roscher und Redaktenr E. Billig statt. Nach uns soeben zugegangener Nachricht sind beide Theile zu je 4 Monaten Festung vcrurtheilt worden. Greiz. Die hiesige Bückerinnuug hat in ihrer letzten Sitzung beschlossen, nm der Concurrenz des Cousumvereins zu begegnen, ebenso, wie es bereits die Materialisten gethan haben, das Marken system einzuführen. Die meisten Bücker gewähren einen üprocentigen Rabatt. Gin weibischer Wampyr. Roma» von Th. Säuberlich. (Fortsetzung.) Voll mädchenhafter Scham entzog sie ihm ihre Hand, die er immer noch mit leisem Drucke festhielt und blickte befangen zur Seite. Sie bemerkte daher nicht, daß sich bei dem Klange seines Namens Waldow's Wangen höher färbten und wie ein Strahl reinster Freude aus seinen Augen leuchtete. Eben wollte er eine Frage an sie richten, eine Frage, welche alle seine schmerzlichen Zweifel lösen sollte, nls in demselben Augenblick Sterneck und seine Tante von ihrer Rundschau znrückkehrten und an die kleine Gruppe herantraten. So blieb zwischen den beiden Liebenden das bedeutungsvolle Wort der Verständigung ungesprochen. Die beiden Männer begrüßten sich zwar freundlich, doch mit unverkennbarer Zurückhaltung. Das gleichgültige Gespräch, welches man anknüpfte, gerieth bald in's Stocken. Fräulein Rodenberg trieb zum Aufbruch; man verabschiedete sich und trat den Heim weg an. Virginie ging wie im Traume nebenher. Ihre Augen strahlten in einem überirdischen Glanze, die Wangen belebte ein sanftes Noth. Sie überließ sich ganz dem Zauber eines wonnevollen, berauschenden Empfindens. Neue Hoffnung war in ihre Brust eingezogen und somit neuer, frischer Lebensmuth. Fast früher als schicklich stattete der Professor Waldow im Hellmannschen Hause am nächsten Morgen einen Besuch ab. Die junge Wittwe, welche die Monotonie der düsteren Trauertoilette durch luxuriöse Negligöroben zu unterbrechen liebte, und zwar so wohl ans Gefallsucht als auch, um dem Künstlerauge Waldow's zu schmeicheln, war heute niit rasfinirter Eleganz in ein kostbares weißes Spitzengewand gehüllt. Um den Hals trug sie ein einfaches schwarzes Sammetband mit einem werthvollen Brillantschloß. Mit dem lieblichsten Lächeln und den zärtlichsten Blicken empfing Blanka den Eintretenden. Dieser aber sah nichts davon, denn er war zerstreuter als sonst. Sein Auge war nach Innen gekehrt und nur mechanisch, wie in Erfüllung einer lästigen Pflicht, führte er die dargebotene Hand der schönen Frau an seine Lippen. Blanka entging diese Gleichgültigkeit nicht. Forschend ließ sie eine Weile ihr Äuge auf dem Geliebten ruhen, dann aber nahm sie, unbefangen plaudernd, neben ihm Platz. Doch welches Thema sie auch berührte, nichts vermochte heute den Professor zu fesseln, den augenscheinlich nur ein einziger Gedanke beschäftigte. Zwar war er sehr häufig gedankenvoll und zerstreut gewesen, doch mar es ihr stets nach kurzer Zeit gelungen, diesen düsteren Bann zu brechen. Heilte aber vermochten weder ihre Koketterien, noch ihre munteren Plaudereien seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Plötzlich unterbrach er sie mitten in einem Satze mit den Worten: „Wie ist es, äußerten Sie nicht früher, daß ihre Nichte, Fräulein Norden, die Braut Ihres Bruders sei? Wenn dem aber so ist, weß- halb hält man die Sache so geheim, oder ist dieses Verhültniß wieder gelöst?" Blanka zuckte bei diesen Worten leicht zusammen und preßte die Unterlippe zwischen die Zähne. Also das war es, was ihn so lebhaft beschäftigte, so daß er selbst ihre Gegenwart darüber vergaß. Doch sie bezwang sich und versetzte in neckischem Tone: „Sie scheinen sich für Hcrzensbündnisse zu interessiren, Professor; doch hoffentlich nur deßhalb, weil Amor ihr Freund ist? Allerdings,"