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leergestandene Gasthof „zum Kronprinzen" in Sayda wieder einmal nothwendiger Weise versteigert worden; das Hausgrundstttck, welches im Jahre 1867 mit einem Kostenaufwande von ca. 42000 Mark erbaut wurde und noch dermalen in der Landesimmobiliarbrandkasse mit nicht weniger als 35 850 Mark versichert ist, wurde nebst an liegendem Garten von dem seitherigen Besitzer des Gasthofes zum preußischen Hof in Freiberg für das Höchstgebot von 7500 Mark erstanden. — Oberlungwitz, 7. Mai. Vorgestern Nachmittag stürzte sich die im Emmahospital hier untergebrachte geisteskranke Strumpf- »irkersehefrau Hensel aus dem in der 2. Etage gelegenen Geistes krankenzimmer. Sie benutzte hierzu einen Augenblick, während dessen die Wärterin abwesend, kroch durch die Gitterthür, bez. durchs Fenster und stürzte hinunter auf das vor dem Hospitale befindliche Steinpflaster. Sie brach das rechte Bein und den rechten Arm und zog sich außerdem so schwere innere Verletzungen zu, daß der Tod nach Verlauf von 2 Stunden bei ihr eintrat. Die Verunglückte war aus Oberlungwitz gebürtig und 48 Jahre alt. Eine Schuld ist Niemandem beizumessen, da die nächsten Verwandten der Hensel die Pflege derselben freiwillig selbst übernommen hatten. — Wieder eine Warnung für Auswanderungslustige enthält ein Brief, welcher einem Bürger in Freiberg dieser Tage aus Nordamerika zugegangen ist. „Man weiß nicht," heißt es darin u. A., „worüber man sich am meisten wundern soll, über die Leicht gläubigkeit des Publikums, oder über die Frechheit lügenhafter Agenten und amerikanischer Landspeculanten. Mit welchem Behagen wird von dem Wohlstand der Ausgewanderten erzählt, wie emsig werden Briefe von Demjenigen publicirt, welcher zufälliger Weise an einem guten Ort gekommen, nicht betrogen wurde, und mit dem Neste seines Geldes ein Stückchen Land, ein paar Ochsen und Dünger gabel gekauft und unter schwerer Arbeit sein Maisbrod erschwingt; er schreibt, ist zufrieden und damit genug. Von den Tausenden aber, welche getäuscht, beschwindelt, hoffnnngslos kurz nach ihrer Ankunft sich die Haare raufen und verzweiflnngsvoll den Tag der Abreise aus Deutschland verwünschen und unter irgend einer Be dingung wieder dahin zurückkehren möchten, wenn nur die Mittel vorhanden wären, von diesen verlautet natürlich kein Wörtchen. Es ist zu bedauern, daß der ganze Emigrantenstrom nach den Nord- staalen zieht, diesen also der Nutzen zu Gute kommt und Deutschland dabei leer ausgeht. Welch ungeheuer» Vortheil hätte das Mutter land, wenn Colonien da mären, die truropa-Müdeu anfzunehmen. Wie reich ist England durch seine Colonien geworden, und welchen Nutzen zieht Holland aus den seinigen! Nur der Deutsche, der ge zwungen ist, sein Vaterland zu verlassen, sieht sich genöthigt, im Auslande seine Kräfte zu opfern, ohne sich und dein Vaterland nütz lich zu machen; er wird zum Sclaven in oer gerühmten amerika nischen Freiheit. Der größte Theil, der dahin geht, kommt aus dem Negen in die Traufe und fällt den Agenten und den amerikanischen Landspekulanten in die Hände. Von Steuern und Abgaben ist eben falls kein Besitzhabender ausgeschlossen, und nebenbei schutzloser als im Vaterlande, welches er verlassen hat. Die Muttererde im deut schen Vaterlande bietet noch ein großes Feld zur Thätigkeit, um mehr zu erzielen in geistiger und materieller Beziehung, aber — von selbst kommt es nicht." (Ziv. W.) — Nossen, 7. Mai. Auf dem Neubau eines Wirthschaftsge- bäudes in Niedereula brach die für die Maurer aufgeführte Rüstung zusammen, wobei zwei Handarbeiter verunglückten. — Zittau petitionirl um Errichtung eines Landgerichtes und hofft auf Realisirung dieses Wunsches um so mehr, weil man v»n detachirten Strafkammern, deren eine sich auch in Zittau befand, gänzlich abgekommen ist. — Ein Geschirrbesitzer in Breitenau kehrte am Abend des 2. Mai mit einem Geschäftsreisenden unter heranziehendem Gewitter in die liebe Heimath zurück, hatten in der Nähe dersalben auch eine Brücke bis zur Mitte glücklich passirt, als die Pferde bei diesem Uebergange durch das elektrische Licht so geblendet wurden, daß sie anstatt vollends über die Brücke, neben dieselbe in den fast zwei Ellen hoch angeschwollenen Dorfbach mit sammt dem Wagen und Insassen geriethen. Glücklicherweise sind die Pferde ganz wohlbe halten davon gekommen, nnr der Geschirrbesitzer und der Wagen sollen je an einem Schenkel eine kleine Contusion erhalten haben, sowie auch das Verdeck des Wagens als auch das des Geschäfts reisenden durch dieses unfreiwillige Sturzbad stark gelitten haben. Deutschland. Der Reichstag hat sich auf eine Woche vertagt. Derselbe bleibt also für die Commissionsarbeiten offen. Mau hofft in dieser Zeit in der Commission für das Unfallversicherungsgesetz nicht nur die erste Lesung, sondern auch die zweite zu beenden und alsdann an die Berichterstattung gehen zu können. Nichtsdestoweniger wird die Reichstagsarbeit auch bezüglich der dringendsten Vorlagen nicht vor Pfingsten beendet werden können, da im Ganzen bis dahin nur noch neun Sitzuugötage zur Verfügung stehen werden, der Prä sident aber zur Erledigung der dringendsten Aufgaben noch minde stens zwanzig Plenarsitzungen für nöthwendig erklärt. Oesterreich-Ungarn. Unter dem Geläute aller Glocken, dem Donner der Kanonen und dem Jubel der Bevölkerung erfolgte am Montag der Einzug der Prinzessin Stephanie in die Hofburg. Vom Theresianum bis zur Hofburg ist eine reisiggeschmückte Mastenallee mit wehenden Fahnen errichtet. Die Häuser sind sämmtlich mit Guirlande», Blumen, Teppichen, Wappen und Inschriften geziert. Vor der Elisabethbrücke ist ein kronengeschmückter Empfangspavillon erbaut, die ganze Brücke ist in einein Laubgang umgemandelt. Schon Vormittags waren sämmtliche Tribünen längst der Feststraßen ge füllt und hatte sich ein dichtes Menschenspalier gebildet. Der Ein zug erfolgte vollkommen programmmäßig. Die Prinzessin mit der Königin in dem mit sechs Schimmelhengsten bespannten Prachtwagen wurde überall enthusiastisch begrüßt, bei dem Festpavillon hielt der Bürgermeister eine kurze Willkommenansprache, auf welche die Königin und die Prinzessin dankten. Im Spiegelzimmer der Hof burg erfolgte der Empfang durch den Kaiser, den Kronprinzen und den König der Belgier. Frankreich. Paris, 9. Mai. Der hochoffiziöse Korrespondent des „Temps" telegraphirt, daß die Hartnäckigkeit des Bey von Tunis eine derartige sei, daß an kein endgiltiges Arrangement behufs Ne- gulirung der zukünftigen Beziehungen zwischen Frankreich und Tunis gedacht werden könne, bis die französischen Truppen Tunis besetzt und vor dem Bardo die Wache bezogen hätten. In Bizerta sind jetzt nicht weniger als 8000 Mann gelandet, eine Ziffer, deren Höhe ebenfalls auf die Absicht einer Besetzung von Tunis schließen läßt. Die Nachricht von dem Eintreffen der Truppen wird stündlich auf dem Kriegsministerium erwartet. Wie ich erfahre, hat der franzö sische Konsul in Tunis in seinen Bericht mit besonderer Anerkenn ung die Haltung des deutschen Generalkonsuls Tulin de la Tunesie hervorgehoben, der im Gegensatz zu dem italienischen und englischen Konsul stets seinen Einfluß im versöhnlichen Sinne geltend gemacht habe, ohne dabei aus der wohl durch seine Instruktionen ihm ge botenen Zurückhaltung herauszutreten. Weiteren Nachrichten aus Tunis zufolge scheint die Bevölker ung in der Umgegend von Matas geneigt, den Franzosen Wider stand zu leisten. Aus Algier wird gemeldet, daß die Ueberlebenden der Mission Flatters entsetzliche Schicksale gehabt haben. Sie flüch teten in eine Höhle, wo 15 derselben, darunter der Unteroffizier Pobaguin, theils vor Hunger starben, theils von den Ueberlebenden aufgezehrt wurden. Paris, 9. Mai. Nachrichten aus Bizerta zufolge werden die Truppen hellte nach Mater gehen, von wo aus ein Theil derselben die Operationen gegen die Krumirs beginnen wird; ein anderer Theil soll nach Djedeida, 6 Stunden von Tunis entfernt, gehen. Paris, 9. Mai. Nach einer Meldung ans Rumelsuk von heute haben die Krumirs, als sie sich von den französischen Truppen nahezu eingeschlossen sahen, die wichtige Position Sidi Abdallah frei willig und ohne jedes Gefecht geräumt. Sidi Abdallah ist von den französischen Truppen besetzt worden; eine Anzahl Eingeborener in der Nähe hat sich den Franzosen unterworfen. Rußland. Petersburg, 9. Mai. Wie verlautet, siud einige Abgabeumrmiuderuugen behufs Erleichterung der Lage des Bauern standes demnächst bevorstehend. — Dem „Golos" wird aus Kiew vom 8. d. gemeldet, im Stadttheil Podol seien Ausschreitungen gegen die jüdischen Einwohner vorgekommen und sei das Militär zur Wiederherstellung der Ordnung eingeschritten. Türkei, Der tunesische Kriegsfall hat, wenn sich eine Meld ung des Reuter'schen Bureaus aus Constantinopel bestätigt, dis Pforte in unangenehme Verwickelung mit Frankreich gezogen. Nach der Reuter'schen Meldung begab sich der französische Botschafter in Constantinopel, Tissot, am 7, d, M. aus die Pforte und erklärte da, selbst, daß die französische Negierung von der Absendung mehrerer türkischer Panzerfahrzeuge nach dem Mittelmeer KemUniß erhalten habe, und falls dieselben etwa nach Tnnis gehen sollten, hiergegen Protest einlege. Die Schiffe würden, wenn sie in Tunis anlaufen sollten, französischerseits mit Geschützfeuer empfangen werden. Die Pforte, wird hinzugesiigt, sei gewilligt, wegen dieser Drohung Frank, reichs eine Cirkularnote an die übrigen Mächte zu richten, Eins Drohung in solcher Form kann die Pforte nicht wohl ruhig hinnehmen, und dürfte dieselbe auch schwerlich die Billigung der übrigen Mächte fin den, da die Türkei doch dasselbe oder noch mehr Recht hat, einige Schiffe vor Tunis ankern zu lassen und es kaum auzunehmen ist, daß die Anwesenheit derselben den Bey in seinem Widerstand gegen Frankreich bestärken könnte. Die Räuber ans Maria Cnü». Romantische Erzählung von G. Berthold. (Fortsetzung.) So vergingen die Minuten, die Zeit dehnte sich für die Bebende unendlich lang aus, es war ihr, als müsse die Nacht nun bald vor über sein, als müsse in nächster Minute schon der Morgen anbrechen, und sie bebte im Voraus vor diesem Augenblicke, denn kam das Morgenlicht, so ward sie ganz gewiß verrathcn und dann war sie verloren. Sie hatte dann wohl ein ähnliches Schicksal zu fürchten, wie das, was dem unseligen Opfer da draußen bevorstand. Endlich hörte sie noch, wie Kust mit teuflischer Ruhe seinem unglücklichen Opfer das Gewebe höllischer Bosheit enthüllte, dem es zum Opfer fiel; sie Hörle Leokadia's Verzweiflungsschrei und es